Rechte Tendenzen bei Arbeitnehmervertretern und Betriebsräten sorgten in den letzten Monaten wiederholt für Aufsehen. Beispiel Daimler: Dort hat sich als Alternative zur IG Metall ein Verein „Zentrum Automobil“ gegründet und konnte bei der letzten Betriebsratswahl zehn Prozent der Stimmen holen. Der Gründer Oliver Hilsburger spielte lange Gitarre bei der Stuttgarter Rechtsrock-Band „Noie Werte“, was mehr ist als nur eine unappetitliche Fußnote. Die Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) nutzte einen Song der Band für ein Bekennervideo.

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Solche Trends lassen auch die Gewerkschaften aufschrecken. Und sind nun Anlass für Neue Assekuranz Gewerkschaft (NAG), sich deutlich von solchen Ideologien abzugrenzen. „Die NAG steht zu unserer vielfältigen und freiheitlichen Gesellschaft. Rechtspopulismus oder gar Extremismus haben in unserer Organisation keinen Platz“, sagt die Vorstandsvorsitzende Waltraud Baier laut einem Pressestatement.

AfD punktet auch bei Gewerkschaftern

Tatsächlich sind nicht nur rechte Listen ein Problem. Auch innerhalb der etablierten Verbände gewinnen rechte Ideen zunehmend an Popularität. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), Dachverband von acht einflussreichen Gewerkschaften, hat nach der letzten Bundestagswahl Daten der „Forschungsgruppe Wahlen“ ausgewertet, bei denen Wähler auch zu ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit befragt wurden. Dabei zeigte sich, dass die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) auch bei den Arbeitnehmervertretern punkten kann.

Bundesweit immerhin 15 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder gaben ihre Zweitstimme der AfD, so ergab die Studie. Damit ist die AfD bei den Gewerkschaftern sogar noch erfolgreicher als im Schnitt der Bevölkerung, wo sie 12,6 Prozent der Stimmen holen konnte. Besonders viele Sympathien genießt die Partei im Osten: hier stimmte beinahe jeder vierte Gewerkschafter für die „Alternative“ (22 Prozent).

Die Neue Assekuranz Gewerkschaft positioniert sich nun offensiv für den „sozialen und demokratischen Rechtsstaat, die Gleichstellung von Frauen und Männern, die Förderung und Unterstützung von Betriebsräten, Jugend- und Auszubildendenvertretungen und Schwerbehindertenvertretungen“, heißt es in dem Statement. Sie vertrete die Arbeitnehmerinteressen unabhängig von Religion und Herkunft. Die Mitgliedschaft in der NAG sei nicht mit einem "rückwärtsgewandten Frauen-, Familien- und Gesellschaftsbild vereinbar".

Gewerkschaften vor einer Zerreißprobe

Doch nicht alle Gewerkschaften äußern sich derart deutlich wie die NAG. Der Gewerkschaftsforscher Klaus Dörre von der Universität Jena beobachtet, dass die Reaktionen vieler Gewerkschaften auf rechte Tendenzen in den eigenen Reihen eher defensiv sind. Und das aus gutem Grund. Zum einen handle es sich oft um engagierte Arbeitnehmervertreter, die mit derartigen Ideologien flirten. Zum anderen seien die Gewerkschaften oft die einzigen Organisationen, die für Beschäftigte als Ansprechpartner in Frage kommen, wenn sie nach rechts abdriften. Auch würden die Verbände fürchten, dass ihnen vorgeworfen werden könnte, einen Teil der Arbeitnehmerschaft zu verraten.

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„Wir haben bei Befragungen festgestellt, dass die gleichen IG Metall-Gewerkschafter, die in ihren Betrieben viele Mitglieder werben und sich sehr engagiert an Arbeitskämpfen beteiligen, nichts dabei finden, auch Busse zu Pegida-Demos zu organisieren“, berichtet Dörre gegenüber "Welt Online". „Diese Erkenntnis hat uns regelrecht schockiert.“