Tariffähig ist die Neue Assekuranz Gewerkschaft (NAG) nicht: Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf stellte 2018 fest, dass sie dafür nicht genügend Beschäftigte in der Branche vertritt. Dennoch machen die Schwaben immer wieder mit interessanten Statements auf sich aufmerksam. So auch aktuell, indem sich die Arbeitnehmervertreter zu einem Vorschlag der EU-Kommission für eine Kleinanlegerstrategie (Retail Investment Strategy) positionieren. Kern des Statements: Der angestellte Versicherungsvertrieb soll ein Comeback erleben, damit die Versicherer mögliche Umsatzeinbußen der Vermittlerinnen und Vermittler kompensieren können.

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Im Pressetext zur Kleinanlegerstrategie beobachtet die NAG zunächst eine „sich verdichtende Gemengelage aus nationalen Interessen zur Provisionsbeschränkung“, die bis hin zu Verboten reiche. Auch die EU-Kommission verfolgte zunächst das Ziel, ein Provisionsverbot in ihrer Kleinanlegerstrategie zu verankern. Die Gewerkschaftsvorsitzende Gaby Mücke erinnert daran, dass auch der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein Befürworter des Provisionsdeckels war, als er das Amt des Bundesfinanzministers unter Angela Merkel inne hatte. Scholz hatte sich unter anderem im März 2021 für einen solchen Deckel ausgesprochen: und es als Ergebnis von Lobbyismus gewertet, dass es noch keinen Provisionsdeckel gibt. Ein entsprechender Vorstoß der SPD war damals an der CDU gescheitert.

Kein generelles Provisionsverbot, aber…

Ein generelles Provisionsverbot für Versicherungsanlageprodukte sieht der Entwurf für eine EU-Richtlinie derzeit nicht vor. Dies begrüßt die NAG. „Die politischen Kräfte in Deutschland und Europa, die den Provisionsvertrieb am liebsten verbieten würden, haben noch lange nicht aufgegeben“, kommentiert Gaby Mücke. Zudem könnte ein Provisionsverbot zumindest für Teilbereiche relevant werden, berichtet die Gewerkschafterin weiter. So sei ein Verbot für sogenannte „execution only“-Geschäfte vorgesehen. Stark vereinfacht handelt es sich hierbei um Abschlüsse, bei denen ein Beratungsverzicht vorgesehen ist und der Vermittelnde auch nicht prüft, welche Kenntnisse der Kunde zu Anlageprodukten hat.

Die Gewerkschaft weist darauf hin, dass das Gesetzespaket alle drei Jahre überprüft werden soll. Dann wolle die Kommission die Auswirkungen bewerten und gegebenenfalls nachschärfen – wobei auch das generelle Provisionsverbot nicht vom Tisch sei. Auch wenn dies im Text nicht explizit genannt wird, bedeutet dies, die Vermittelnden müssen fürchten, dass ihnen Einnahmen wegbrechen. Und dass der bürokratische Aufwand für Dokumentationen, Beratung etc. weiter zunimmt. Damit verbunden: weniger Zeit und steigende Kosten.

Dies trifft auf eine Situation, in der die Vermittlerinnen und Vermittler im Durchschnitt schon älter sind - und viele kurz vor dem Ruhestand stehen. Die Branche hat ein Nachwuchsproblem. Doch gerade junge Vermittlerinnen und Vermittler könnten es in Zukunft schwer haben, in den Beruf einzusteigen, wenn sie für den Abschluss eines Vertrages weniger Geld bekommen. Denn sie haben noch keinen großen Kundenstamm aufbauen können. Zeitgleich nehmen mit der angedachten EU-Richtlinie die Haftungsrisiken zu.

Comeback des angestellten Außendienstes: für Vertreter eine Option?

Die Lösung aus Sicht der NAG: der angestellte Außendienst muss ein Comeback erfahren. Dann können die Versicherer mögliche Einkommenseinbußen auffangen, indem sie zum Beispiel ein zusätzliches Grundgehalt zahlen und auch die Qualifikation und Beratung stärker unterstützen.

„Die demographische Entwicklung in nahezu allen Vertrieben, insbesondere den Ausschließlichkeitsvertrieben, wichtige Argumente wie die qualifizierte Beratung, Dokumentationsanforderungen, Steuerbarkeit und auch die Enthaftung bei fahrlässigem Fehlverhalten sprechen deutlich für eine Renaissance des Angestellten Außendienstes“, so Mücke. Es bedürfe insbesondere innovativer Vergütungsmodelle, der Festlegung von Arbeitszeitmodellen sowie Vergütung von Fortbildungsmaßnahmen.

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Das Problem: Viele Versicherer haben sich in den vergangenen Jahren aus Kostengründen von ihrem angestellten Vertrieb getrennt und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Selbstständigkeit entlassen: etwa die Generali Deutschland. Zudem ist dieses Modell nur für Ausschließlichkeitsvertreter eine Option, stehen doch die Makler auf der Seite des Kunden. Auch hier sind neue Vergütungsmodelle gefragt, etwa per Servicevereinbarung.

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