Der Wechsel in die private Krankenversicherung kann für Patienten Vorteile haben: Kürzere Wartezeiten beim Facharzt, Zweibettzimmer bei stationärer Behandlung etc. Aber auch Nachteile sind möglich, zum Beispiel schnell steigende Beiträge im Alter. Versicherungsvermittler sind verpflichtet, im Rahmen des Beratungsgesprächs über diese Nachteile umfassend zu informieren, wie ein Rechtsstreit vor dem OLG Hamm zeigt.

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56jähriger wechselt in PKV – und verschuldet sich

Im verhandelten Fall wandte sich der damals 56jährige Kläger an seine Sparkasse, weil er über die Verbesserung seiner Altersvorsorge beraten werden wollte. Dabei zeigte er auch Interesse für eine Zusatzversicherung zu seiner gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Er war vorher Zeit seines Lebens gesetzlich krankenversichert.

Seine Bankberaterin empfahl ihm daraufhin den Wechsel in die Private Krankenvollversicherung. Kein allzu guter Rat, wie sich später herausstellen sollte. Nach langjähriger Arbeitslosigkeit hatte der Mann eine freiberufliche Tätigkeit als gesetzlicher Betreuer aufgenommen, die ihm nur eine geringe staatliche Rente in Aussicht stellte. Der PKV-Tarif entpuppte sich für den Versicherungsnehmer als Schuldenfalle, er konnte die steigenden Beiträge nicht mehr bezahlen. Ein Wechsel zurück zu einer Krankenkasse blieb ihm verwehrt.

Mangelhafte Beratung bewirkt Umkehr der Beweislast

Das Problem: Die Bankberaterin hatte ihren Auftraggeber nicht über die Nachteile eines Wechsels in die PKV aufgeklärt. Diese waren unter anderem, dass die PKV-Beiträge im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenversicherung einkommensunabhängig erhoben werden, also schnell steigen können. Auch dass wegen fehlender Altersrückstellungen die ernsthafte Gefahr deutlicher Beitragssprünge im Alter bestand, erfuhr der Kunde nicht. Die Beratungsdokumentation der Beraterin wies darüber hinaus deutliche Lücken auf.

Aufgrund des Urteils des OLG Hamm steht nun fest, dass beide (Sparkasse und PKV) gemeinsam den Kläger so stellen müssen, als wäre er in der GKV geblieben. „Das wirkt sich vor allen Dingen bei Beginn seiner Rente aus, weil der Beitrag nun einkommensabhängig berechnet werden muss und sich dann deutlich verringert“, berichtet die Kanzlei Wirth Rechtsanwälte aus Berlin, die das Urteil für den Mann erstritten hat. Allerdings ist der Richterspruch noch nicht rechtskräftig.

Das Urteil bestätigt die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach es bei mangelhafter, gesetzlich vorgeschriebener Dokumentation zu einer Beweislastumkehr kommt (Urteil vom 13.11.2014, III ZR 544/13). Zwar trägt die Beweislast für die Verletzung der Beratungspflichten grundsätzlich derjenige, der sich auf eine solche Beratungspflichtverletzung beruft, hier also der Kläger. Bei nicht ordnungsgemäßer Dokumentation kann sich die Beweislast aber umkehren, so dass dem Versicherer bzw. seinem Vertreter die Beweislast für eine ordnungsgemäße Beratung zukommt. Hier gilt: Der Beratungsdokumentation soll der wesentliche Gesprächs- und Beratungsinhalt entnommen werden können. Im vorliegenden Fall war dies auf eklatante Weise nicht der Fall (Zitat Urteil: „nicht einmal im Ansatz“).

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Ungeschulte Organisationsformen

Der Fachanwalt für Versicherungsrecht Tobias Strübing, LL.M., Wirth-Rechtsanwälte, welcher für den Kunden das Urteil erkämpft hat, äußert ergänzend: „Das Urteil zeigt auch die Risiken auf, denen sich private Versicherungsgesellschaften teilweise aussetzen. Nämlich, wenn sie sich für den Vertrieb ihrer Versicherungsprodukte großer, eher ungeschulter Organisationsformen als gebundene Vertreter bedienen. Das sind oft mangelhafte Strukturen, bis hin zur nicht vorhandenen Qualifikation. Egal, ob es – wie hier – eine Sparkasse ist, oder anderweitig vielleicht gesetzliche Krankenversicherungen oder Handelsriesen. Die Fehler im Gespräch mit dem Kunden muss sich dann auch die private Versicherungsgesellschaft zurechnen lassen.“

Wirth Rechtsanwälte

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