Die Versicherungsbranche hat in den letzten vier Jahren jeden zehnten Vermittler verloren. Wie das Versicherungsmagazin berichtet, waren zum Ende des ersten Quartals 2015 genau 25.639 Vermittler weniger im Versicherungsvermittlerregister registriert als zum Ende des ersten Quartals 2011. Diesen Schwund fassen die Fachzeitschriften in drastische Worte. „Stirbt der Versicherungsvertrieb aus?“, fragt dasinvestment.com. „Der Abrieb beschleunigt sich“, kommentiert auch das Versicherungsmagazin – das klingt sehr schmerzhaft! Das Aussterben aber wird sich noch eine Weile hinzögern, denn derzeit sind noch 237.813 Vermittler aktiv.

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Steigende Anforderungen als Hauptursache für Vermittlerschwund?

Die Ursachen für den Schwund sind scheinbar schnell ausgemacht. Neben dem schlechten Ruf der Branche und dem damit verbundenen Nachwuchsproblem wird oft auf die verschärften Regulierungsanforderungen verwiesen. Die Ansprüche an eine Beratung steigen! Die Vermittler müssen sich immer mehr weiterbilden! Sie müssen die Kundenberatung immer genauer dokumentieren! Die Vergütungen sinken! Wird die Branche zu Tode reguliert? Wer will das alles noch freiwillig auf sich nehmen?

Die verschärften Anforderungen sind bestenfalls ein Grund, warum weniger Vermittler tätig sind. Das Versicherungsmagazin nennt einen weiteren wichtigen: Viele Versicherungsvermittler waren früher Quereinsteiger, die zunächst nebenberuflich Versicherungen vertrieben. Dann haben sie sich schrittweise zu hauptberuflichen Vermittlern weiterentwickelt. Wer mit Menschen aus der Branche ins Gespräch kommt, wird das bestätigen können: Er trifft Vermittler, die zuvor als Lehrer, Maurer, Zeitsoldat oder Kfz-Schlosser ihr Geld verdient haben. Diese Quereinsteiger müssen nicht schlechter beraten als jene Fachleute, die von vorn herein eine Ausbildung in der Versicherungsbranche wählten. Aber höhere Qualifikationsanforderungen haben diesen Zustrom nahezu ausdörren lassen.

Strengere Regulierung zielte auf Marktbereinigung

Fest steht aber auch, dass die steigenden Anforderungen im Rahmen der EU-Gesetzgebung auf eine Marktbereinigung zielten und die Zugangsvoraussetzungen zum Versicherungsvertrieb erschweren sollten. Durchaus im Sinne der Beratungsqualität! Ein Vermittlerschwund wäre fast die logische Konsequenz - eine erwünschte.

Zum Beispiel brauchen Versicherungsmakler erst seit 2007 eine Zulassung, um ihre Fachqualifikation nachzuweisen. Zuvor konnte sich theoretisch jeder als Versicherungsmakler bezeichnen, der einen Versicherungsvertrag von einem Stück Klopapier unterscheiden konnte. Kein Wunder, dass viele schwarze Schafe dem Ruf der Branche schadeten. Die Versicherungswirtschaft aber versäumte es, aus eigenem Antrieb auf strengere Kriterien zu pochen. Erst, als der Gesetzgeber Druck machte, wurde man tätig.

Etwas scheinheilig wird es, wenn nun Versicherungen klagen, in Zukunft könnte infolge des Vermittlerschwundes die Betreuung der Kunden leiden. Haben nicht große Versicherungen wie die Allianz und Ergo tausende Stellen abgebaut, auch im Versicherungsvertrieb? Agenturen von Vermittlern, die in Rente gingen, wurden infolge des Kostendrucks aufgegeben und nicht wieder neu besetzt. Viele dieser Umstrukturierungen wurden bereits angeschoben, bevor sich Niedrigzins, strengere Eigenkapitalvorschriften o.ä. abgezeichnet haben. In Fachzeitschriften wird der Stellenabbau der Versicherer selten als Grund für den Vermittlerrückgang genannt, obwohl er dazu beigetragen haben dürfte. Das überrascht. Ist es vielleicht einfacher, mit dem Finger auf Staat, EU und Regulierung zu zeigen?

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Die Zahl der Versicherungsmakler steigt

Aus Sicht der Versicherungsmakler gibt es übrigens Positives zu berichten. Denn die Zahl der registrierten ungebundenen Vermittler steigt entgegen dem Trend seit Jahren. Waren zum Stichtag 5.1.2011 noch 44.500 Makler im Vermittlerregister eingetragen, so waren es am 31.03.2015 bereits 47.107 Personen – ein Plus von sechs Prozent! Und deshalb soll an dieser Stelle der Gesetzgeber auch mal gelobt werden. Regulierungsmaßnahmen wie die Pflicht zum Sachkundenachweis sowie steigende Weiterbildungs- und Dokumentationsanforderungen haben das Profil des Versicherungsmaklers geschärft und sind ein wichtiger Baustein, um den Ruf der Branche aufzuwerten. Auch wenn dies nicht jeder so sehen mag - und nicht jede Regulierungsmaßnahme gelungen ist.

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