Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft wird in Deutschland gerne unterschätzt. Im Jahr 2008 erzielte die Branche eine Bruttowertschöpfung von 63 Milliarden Euro, womit sie sich nur knapp der Automobilindustrie geschlagen geben musste (64 Milliarden Euro, Daten laut Bundesministerium für Wirtschaft u Technologie). Größer noch als ihr volkswirtschaftlicher Wert ist aber ihr ideeller: die Kreativen sorgen dafür, dass die Buchhandlungen mit Lesestoff gefüttert werden, in den Theatern Stücke auf die Bühne kommen und in den Konzertsälen Musik zu hören ist.

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Weil aber viele Kreative noch immer eine prekäre Existenz mit niedrigem Einkommen führen, gibt es die Künstlersozialkasse. Sie ermöglicht rund 180.000 Künstlern und Publizisten Zugang zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, so dass die Versicherten nur die Arbeitnehmerbeiträge entrichten müssen. Für die Hälfte des Budgets kommen die Mitglieder mit ihren Beiträgen auf, 20 Prozent schießt der Steuerzahler zu, weitere 30 Prozent übernehmen die Unternehmen, welche künstlerische Tätigkeiten in Auftrag geben. In keinem anderen Land Europas existiert ein ähnliches Modell.

Strengere Kontrollen sollen steigende Beiträge eindämmen

In den letzten Jahren sind die KSK-Beiträge für die Arbeitgeber stark angestiegen, von 4,1 Prozent im Vorjahr auf 5,2 Prozent im Jahr 2014. Das liegt auch daran, dass sich viele Firmen, die regelmäßig Künstlern, Autoren oder Textern Aufträge geben, um die Zahlung drücken. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles will dies nicht mehr länger dulden. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung hat die SPD-Politikerin nun den „Entwurf eines Gesetzes zur Stabilisierung des Künstlersozialabgabegesetzes“ vorgelegt, das mehr Geld in die Kasse spülen und so langfristig den Erhalt der KSK sichern soll.

Im Klartext bedeutet dies: die Unternehmen müssen sich auf mehr Kontrollen durch die Deutsche Rentenversicherung einstellen. Denn bisher sind die Prüfungen, wer Beiträge in die Künstlersozialkasse entrichten muss und wer nicht, äußerst lasch verlaufen. Mit der bitteren Konsequenz, dass die Prüfungen der Unternehmen „zwischenzeitlich kaum noch Einnahmen“ brachten, wie es in dem Gesetzentwurf heißt. Sowohl die Deutsche Rentenversicherung als auch Wirtschaftsverbände hatten sich in den letzten Jahren gegen schärfere Kontrollen ausgesprochen und damit schon Nahles Vorgängerin Ursula von der Leyen (CDU) das Leben schwer gemacht.

Der Gesetzentwurf sieht nun einen Kompromiss zwischen Fiskus und Wirtschaft vor. Nach Informationen der Süddeutsche Zeitung muss die Rentenversicherung ab 2015 alle Unternehmen, die schon jetzt Künstlersozialabgabe zahlen, sowie alle Arbeitgeber mit mindestens 20 Beschäftigten alle vier Jahre prüfen. Bei Firmen mit weniger Mitarbeitern soll die DRV 40 Prozent in einem Vier-Jahres-Rhythmus prüfen, so „dass der durchschnittliche Prüfturnus in dieser Gruppe zehn Jahre beträgt.“ Bis zu einer Bagatellgrenze von 450 Euro im Jahr sollen Aufträge an Künstler und Publizisten zukünftig abgabefrei bleiben.

Aufwand größer als Nutzen?

Bleibt die Frage: Wer kommt für die Mehrkosten auf? Die Rentenversicherung hatte bisher behauptet, regelmäßige Kontrollen in der Künstlersozialkasse würde bis zu 50 Millionen Euro jährlich verschlingen. Der Aufwand sei folglich größer als der Nutzen. Das Arbeitsministerium hatte die Mehrkosten hingegen lediglich mit 5 Millionen Euro beziffert. „In dem Entwurf kalkuliert das Ministerium nun mit zusätzlichen Ausgaben in Höhe von 12,3 Millionen Euro – bei Zusatzeinnahmen von 32 Millionen Euro“, berichtet die Süddeutsche. Unterm Strich soll also eine positive Einnahmesituation stehen.

Keinen Zweifel lässt das Ressort von Andrea Nahles daran, dass die Künstlersozialkasse zukünftig erhalten werden soll. Die kulturpolitische Bedeutung des Modells sei „überragend“, heißt es gleich zu Beginn des Gesetzentwurfs.

Unter anderem hatte der einflussreiche Bund der Steuerzahler eine Abschaffung des KSK gefordert und ein Gutachten bei dem Rechtswissenschaftler Hans-Werner Arndt in Auftrag gegeben, wonach die Abgabe sogar verfassungswidrig ist. So müsse die Abgabe auch dann geleistet werden, wenn der Auftragnehmer gar nicht in der Künstlersozialversicherung ist und somit gar nicht von der Abgabe profitiere.

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Dass viele Künstler und Publizisten ihren Job wohl aufgeben müssten, wenn sie nicht in der KSK organisiert wären, steht ebenso außer Frage. Der jährliche Durchschnittsverdienst der knapp 180.000 in der Künstlersozialkasse versicherten Mitglieder beträgt nach Angaben der Rentenversicherung aktuell 14.500 Euro.

Süddeutsche Zeitung

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