Kfz-Versicherung bleibt Krisenzone
Die deutschen Schaden- und Unfallversicherer konnten im Jahr 2023 einen versicherungstechnischen Gewinn erwirtschaften. Dieser fiel allerdings geringer aus als in den Jahren zuvor. Während die Versicherer davon profitiert haben, dass weniger Elementarschäden auftraten, bleibt die Kfz-Versicherung der Problemfall im Geschäft. Das zeigt eine Auswertung des Kölner Analysehauses Assekurata.
Die deutschen Schaden- und Unfallversicherer blicken auf ein schwieriges Jahr zurück: Und konnten trotz schwieriger Rahmenbedingungen im Branchenschnitt ein positives Ergebnis erzielen. Das zeigt der aktuelle „Marktausblick Schaden-/Unfallversicherung“ des Analysehauses Assekurata. „Im Geschäftsjahr 2023 haben die deutschen Schaden-/Unfallversicherer erneut einen versicherungsgeschäftlichen Gewinn von rund 1,5 Milliarden Euro erwirtschaftet, nachdem sie im Vorjahr bereits in die Gewinnzone zurückgekehrt waren“, sagt Dennis Wittkamp, Fachkoordinator Schaden-/ Unfallversicherung der Assekurata Assekuranz Rating-Agentur. Im Vorjahr hatten die Versicherer noch einen Gewinn von rund vier Milliarden Euro erwirtschaftet.
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Trotz der Herausforderungen durch steigende Inflation und Schadensfrequenzen, die die Schadenkosten auf historische Höhen trieben, konnten durchschnittliche Elementarschäden und Beitragsanpassungen diese Entwicklung teilweise mildern. „Zusätzlich konnten die Versicherer auf gut gefüllte Schwankungsrückstellungen zurückgreifen, insbesondere in den stark belasteten Zweigen, was ihre Ertragssituation zusätzlich unterstützte. Diese Mittel sind jedoch endlich und fehlen den Versicherern zudem als bonitätsfördernde Finanzmittel“, so der Studienautor weiter. Schwankungsrückstellungen der Versicherer sind eine Art Notreserve, die gebildet werden muss, wenn die Versicherer mit hohen Schwankungen bei den Schadensaufwendungen rechnen müssen und die hierfür notwendigen finanziellen Mittel nicht aus den Beiträgen oder aus einer Rückversicherung bedient werden können.
Beitragseinnahmen steigen überproportional
Positiv falle auf, dass die Versicherer 2023 ihre Beitragseinnahmen stärker steigern konnten als im langjährigen Marktdurchschnitt, berichtete Wittkamp weiter. So seien die Einnahmen um 6,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, während auf lange Sicht nur ein Wachstum von 3,7 Prozent pro Jahr habe erzielt werden können. Mehreinnahmen seien vor allem in der Wohngebäudeversicherung zu beobachten. Viele Versicherer hatten nach den Rekordschäden 2022 -Stichwort Ahrtal- in diesem Segment ihre Prämien zum Jahreswechsel angepasst.
Anders sieht die Situation hingegen in der Kfz-Versicherung aus. Hier blieben die Beitrags-Anpassungen weit unter den wirtschaftlich notwendigen Maßnahmen. „Der Wettbewerbsdruck in der Kraftfahrtversicherung verhindert hier eine schnellere Erholung der Sparte“, zeigt sich Wittkamp überzeugt. „In der Wohngebäudeversicherung mit ihrem automatischen Anpassungsmechanismus wurde die gestiegene Schadenlast deutlich schneller an den Kunden weitergegeben“.
In der Kfz-Versicherung rechnet Assekurata damit, dass die Kfz-Versicherer frühestens 2026 oder sogar erst 2027 aus der Verlustzone herauskommen. Hier halten die Prämienanpassungen nicht annähernd mit den Kosten für Schäden Schritt. Ein Grund: explodierende Preise für Autoersatzteile. Nach GDV-Angaben sind diese allein zwischen 2013 und 2023 um mehr als 70 Prozent gestiegen. Zusätzlich verteuern sich durch die Inflation die Arbeitsstunden in den Werkstätten und die Kosten für Energie. Die Allianz ist als erster deutscher Versicherer dazu übergegangen, auch gebrauchte Ersatzteile nach Unfällen einzubauen - allerdings nur, wenn die Kundinnen und Kunden zustimmen.
Im Vergleich zum Beitragswachstum fällt das Vertragswachstum der Branche 2023 schwach aus. „Das konjunkturelle Umfeld mit seinen Unsicherheiten hat in den Privathaushalten zu einer gewissen Kaufzurückhaltung geführt. Insbesondere die Zahl der Kfz-Neuzulassungen und Besitzumschreibungen blieb auf niedrigem Niveau“, erklärt Wittkamp. In der Folge wuchs der Vertragsbestand nur um 0,8 Prozent und damit deutlich schwächer als der langjährige Trend von rund 1,3 Prozent erwarten ließ.
Die wirtschaftliche Situation der deutschen Schaden-/Unfallversicherer verdeutlicht auch der „Ertrags- und Wachstumsindikator“, eine kombinierte Betrachtung von Ertrag und Wachstum. Dabei wird die Schaden-Kosten-Quote vor Rückversicherung als branchenübliche Ertragskennzahl ins Verhältnis gesetzt zur Wachstumsrate der gebuchten Bruttobeiträge. Die Größe der Datenpunkte spiegelt die Bestandsanteile der einzelnen Sparten auf Branchenebene wider.
Für 2024 steigende Prämien und niedrige Margen erwartet
Trotz des versicherungstechnischen Gewinns im Jahr 2023 ist für das Jahr 2024 branchenweit erneut mit deutlichen Prämienanpassungen zu rechnen. Vor allem Versicherer mit einem hohen Kfz-Anteil im Portfolio können die hohen Verluste nicht länger hinnehmen und müssen die Prämien entsprechend anpassen, prognostiziert Assekurata. „Die Branche scheint dies nun verstanden zu haben. Zumindest lassen die bisherigen Prämienanpassungen für 2024 darauf schließen“, erläutert Reiner Will, Geschäftsführender Gesellschafter der Assekurata.
Stark steigende Prämien erwartet Assekurata auch in der Wohngebäudeversicherung. „Obwohl der Anpassungsfaktor mit 7,4 Prozent deutlich unter dem Vorjahreswert von 14,7 Prozent liegt, steigen die Prämien im aktuellen Jahr damit erneut deutlich überdurchschnittlich“, betont Will.
Das Jahr 2024 stellt die deutschen Schaden-/Unfallversicherer aus Sicht von Assekurata erneut vor zahlreiche Herausforderungen. Dabei identifiziert das Kölner Ratinghaus die Inflation als zentralen Einflussfaktor, der die Branche im laufenden Geschäftsjahr beschäftigen wird.
„Aus Ertragssicht dürfte 2024 erneut ein schwieriges Jahr für die Branche werden“, ist sich Dennis Wittkamp sicher. „Die Inflation wird die Schadenkosten unabhängig von der Schadenhäufigkeit weiter in die Höhe treiben. Die bisherigen Beitragsanpassungen werden voraussichtlich nicht ausreichen, um die steigenden Kosten auszugleichen.“
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