Ginge es nach Dorothea Mohn, Leiterin des Teams Finanzmarkt beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), würde es in Deutschland keine Beratung auf Provisionsbasis geben. Im Interview mit ‚Mein Geld‘ gibt sie unumwunden zu: „Ich setze mich dafür ein, dass Beratung auf Provisionsbasis ausgeschlossen wird.“

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Im Folge-Interview mit ‚Mein Geld‘ hält AfW-Vorstand dagegen und verweist auf die geringen Zahlen zugelassener Honorarberater: „Im Versicherungs- und auch im Finanzanlagenbereich sind die jeweiligen Honorarberaterzulassungen im unteren dreistelligen Bereich.“

Ein Argument, das Mohn nicht gelten lassen will. Honorarberatung habe keine Chance, sich gegen Provisionsberatung durchzusetzen, weil sie Verbrauchern als kostenfrei präsentiert werde, so Mohn. Zudem behauptet die vzbv-Funktionärin, Finanzvertriebe würden mit Provisionsberatung mehr Geld verdienen als mit Honorarberatung. Daher gäbe es auf Seiten der Vermittler keinen Anreiz, auf das Vergütungsmodell Honorarberatung umzusteigen.
Worauf Mohn diese Behauptung stützt, verrät sie nicht. Tatsächlich konnten Versicherungsvermittler ihren durchschnittlich erzielten Gewinn 2023 steigern, zeigte jüngst das 16. AfW-Vermittlerbarometer. Doch daraus ging auch hervor: Viele Vermittler zählen keinesfalls zu Spitzenverdienern in Deutschland. Etwa die Hälfte der 1.100 Befragten gibt an, einen Gewinn unter 50.000 Euro zu erzielen (Versicherungsbote berichtete).

Interessenkonflikt Vermögensschaden?

Um ihre ablehnende Haltung gegenüber Provisionsberatung zu begründen, weist Mohn im Interview auf Interessenkonflikte hin, die dieser Vergütungsform innewohnen. „Die Produkte, die empfohlen werden, sind immer mit einer bestimmten Provisionshöhe verknüpft. Das bedeutet logischerweise, dass die Beratung nicht ergebnisoffen erfolgt und dass Produkte, die hohe Provisionen abwerfen, natürlich eher verkauft werden“, so Mohn. Die Wörtchen ‚logischerweise‘ und ‚natürlich‘ dienen Mohn als Beweis. Wer etwas Gegenteiliges sagt, wendet sich also nicht nur gegen Mohn und vzbv, sondern gleich gegen Logik und Natur. Mohn muss zu diesem rhetorischen Kniff greifen, denn es mangelt ihr erneut an Beweisen für ihre Behauptung.

Tatsächlich aber ist auch die Honorarberatung - je nach konkreter Ausgestaltung - nicht frei von Interessenkonflikten. So stellte eine Studie der KPMG fest, dass bei pauschaler bzw. stundenbasierter Vergütung ein Interesse des Beraters an häufiger Beratung gegeben sein kann. Das könne beispielsweise zur Empfehlung besonders komplexer und deshalb beratungsintensiver Produkte führen. Bei stundenbasierter Vergütung kommt noch das Interesse des Beraters an einer langen Beratungsdauer hinzu. Richtet sich das Beratungshonorar prozentual nach dem beratenen Vermögen, besteht das Interesse des Berater vor allem darin, Kunden mit möglichst hohen Vermögen zu akquirieren. Das Fazit der KPMG: „Interessenkonflikte können bei beiden Vergütungsformen auftreten - unabhängig von der Form der Vergütung“, so die Beratungsgesellschaft (Versicherungsbote berichtete).

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Wirth hält den Ausführungen von Mohn entgegen, dass Vermittler für Vermögensschäden haften müssen, die sie ihren Mandanten oder Kunden zufügen. Zusätzlich verweist Wirth auf die beständig geringen Beschwerdezahlen, die bei der Schlichtungsstelle über Vermittler erfasst werden und den sozialpolitischen Auftrag, den Vermittler erfüllen.

„Diese sozialpolitische Aufgabe darf aber nicht den Finanzvertrieben überlassen werden, da diese mit einem massiven Eigeninteresse unterwegs sind. Das Ganze ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, so Mohn. Was sie dabei außer Acht lässt, sind die strengen Regularien, denen Vermittler unterworfen sind. Wirth nennt in seinem Interview eine Auswahl: „IDD, MiFID 1 und 2, das Geldwäschegesetz, die Gewerbeordnung, das Versicherungsvertragsgesetz, unzählige höchstrichterliche Entscheidungen zu detaillierten Pflichten, zuletzt die ultrakomplexen Anforderungen an die Nachhaltigkeitspräferenzabfrage“.

Alles Vorgaben und Regelwerke, denen sich die Verbraucherzentralen entziehen - so sieht es jedenfalls Norman Wirth: „Die Verbraucherzentralen sind hier auf ganz dünnem Eis und es ist eher eine politische Frage, warum das bisher nicht schon aktiv geklärt wurde. Sie beraten gegen Geld in Versicherungs- und Finanzanlagefragen, treten damit in unmittelbaren Wettbewerb zumindest mit Versicherungsberatern und Honorar-Finanzanlagenberatern und unterwerfen sich aber nicht dem Regime der Gewerbeordnung. Sprich: Keine Zulassung, keine Haftpflichtversicherung – der Steuerzahler wird es schon richten –, keine Qualifikationserfordernisse. Wie kann man Bürger beraten, ohne eine Qualifikation zumindest analog der Berufsgruppe nachzuweisen, die man ständig kritisiert und die aber am freien Markt genau da tätig ist und strengen Regularien unterworfen ist?“
Tatsächlich bieten die Verbraucherzentralen kostenpflichtige Beratungen an. Einige Verbraucherzentralen lassen sich sogar die Beantwortung von E-Mails bezahlen und dabei sind die Preisunterschiede zwischen den einzelnen Verbraucherzentralen teilweise nicht unerheblich. So kann eine Altersvorsorge-Beratung per E-Mail in Hessen bis zu 160,- Euro kosten; in Brandenburg höchstens 50,- Euro. Für eine telefonische Beratung rufen Verbraucherzentralen zwischen 30 und 120 Euro auf (Versicherungsbote berichtete).

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Für Wirth ist deshalb klar: „Ich habe etwas gegen diesen ideologisch geführten Kulturkampf“.

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