65 Prozent der Bürobeschäftigten und Berater in Deutschland wollen auch künftig hybrid arbeiten. Derzeit kommen sie im Schnitt 3,2 Tage in der Woche zum Arbeitsplatz, zeigt eine Umfrage der Immobilienfirma Jones Lang LaSalle. Schon heute stehen in jedem dritten Unternehmen ungenutzte Büroflächen leer. Gleichzeitig entwickeln sich die Technik für Kommunikation und KI rasant weiter.

Anzeige

Wie also sieht sie aus, die neue Bürowelt? Arbeiten wir künftig alle remote, also von zuhause oder einem Urlaubsort aus, ausgestattet mit einem KI-Co-Piloten, wie Microsoft-Chef Satya Nadella es nennt? Werden die Arbeitsplätze künftig eher Marktplätzen gleichen, die mal zum Einzelbüro, mal zur Vortragsbühne oder zum Konferenzraum umgebaut werden? Auffällig ist, dass Büros multifunktional und chillig werden, ausgestattet mit Sitzgruppen, Schaukeln und Teeküchen wollen sie wohnlich wirken.

Das Software-Unternehmen Planradar hat Umfragen zur Bürowelt in zwölf europäischen Ländern ausgewertet. Kaum wunderlich stellen darin viele Unternehmen fest, dass sie zu viel Fläche vorhalten. Der weit verbreitete Wunsch vieler Beschäftigten nach Fern- und Teilzeitarbeit ist sicher genauso Grund dafür, wie die Flexibilisierung des Arbeitsplatzes. Mitarbeiterinnen teilen sich nicht nur Projekte und Jobs, sondern immer häufiger den physischen Schreibtisch.

Hinzu kommt der Aspekt Nachhaltigkeit. Bürofahrten kosten Sprit und verursachen CO2. Berater, die den Weg auf sich nehmen, wollen im Büro etwas finden, dass es zuhause nicht gibt. Ruhe etwa. So sind die Zeiten großer Büroflächen, auf die so viele Berater wie möglich gepfercht werden, passé. Stattdessen finden sich immer mehr Ruhezonen zum Telefonieren oder für den Videocall. Oder Abseitsbüros, die dazu genutzt werden, ungestört und damit konzentriert an einem Text, einer Kalkulation oder einem Vortrag zu feilen. Dazu gesellen sich Meeting-Räume, in denen Workshops stattfinden, gerne mit beschreibbaren Wänden und Kameras ausgestattet, damit Kollegen per Teams, Zoom oder Peoplefone-Meet dazugeschaltet werden können.

Doch das allein reicht noch nicht. Zumal immer mehr Chefs Mitarbeitende ins Büro zurückholen wollen. Laut der Beratungsfirma KPMG wollen unter 1300 befragten Geschäftsführern knapp zwei Drittel eine vollständige Rückkehr ins Büro – und zwar innerhalb der nächsten 36 Monate. Um das zu umgehen, schwappt aus den USA ein Trend nach Europa, der sich „Coffee Badging“ nennt. Dabei erscheinen die Leute wie vorgeschrieben im Büro, um da einen Kaffee zu trinken – verlassen es aber nach kurzer Zeit wieder. Es geht darum, dem Chef die gewünschte Präsenz zu zeigen bzw. für den beorderten Arbeitstag einzustempeln.

Andererseits wird argumentiert, dass genau das Kaffeetrinken mit Kollegen, der Grund sei, um ins Büro zu kommen. Deep-Work, also das vertiefte Arbeiten an etwas, geschehe idealerweise sowieso allein und nicht im Team. Den Kontakt brauchen Mitarbeitende vielmehr, um sich auszutauschen. Kurz: um kreativ zu sein.

Und das verlangt geradezu nach einer Wohlfühlatmosphäre. Büros sollen Orte sein, die so einladend sind wie ein kleines Marktplatz-Café oder ein gediegener Salon in einem exquisiten Hotel. Dort kann jeder in Ruhe arbeiten oder sich mit Kolleginnen zusammensetzen und im Kollektiv Ideen entwickeln. Um die Büroetage gruppieren sich in der Quartiersnachbarschaft arbeitsferne Angebote, wie eine Gemeinschaftsküche, Musikzimmer oder Yoga- und Fitnessangebote.

Planradar liefert auf Basis der Forschungsergebnisse eine Skizze der neuen Bürowelt – die hier ein wenig erweitert ist: Berater Julius (45) arbeitet im Jahr 2030 in einer deutschen Firma. Dienstagmorgen fährt er zum ersten Mal in dieser Woche mit dem Fahrrad zur Arbeit (Montag und Donnerstag sind seine Heimtage). Als er ankommt, freut er sich am verwilderten Wäldchen neben dem Haupteingang. Die Firma fördert Artenvielfalt. In der Tiefgarage hängt er sein E-Bike an einen gesicherten Fahrradbügel. Früher standen hier Autos. Während der Arbeitszeit lädt der Akku auf Firmenkosten. Manche Unternehmen bieten einen Reparaturservice an – oder gleich eine Fahrrad-Waschstraße.

Per App findet Julius einen Schreibtisch. Weil viele Beschäftigte hybrid arbeiten, ist das Büro kleiner als vor der Pandemie. Julius dockt seinen Laptop an eine Ladestation mit Monitor an. Auf dem Notebook ist der Client der Telefonanlage installiert. Einen Telefonapparat gibt es nicht mehr. Stattdessen hat er im Spint eine Transportbox. Darin liegen: Headset mit Noise-Cancelling, kabellose Tastatur und Maus sowie das obligatorische Familienfoto oder der Wimpel des Lieblingsvereins. Der Schreibtisch steht im hellen Multifunktionsbüro, das mit reichlich Pflanzen bestückt ist – sie dienen als Lärmschutz.

Anzeige

Nach dem Mittagessen, das mit Bio-Gemüse von der Dachterrasse zubereitet ist, steht ein Meeting an. Auf einem digitalen Whiteboard skizieren Kollegen eine neue Strategie, die sie mit einer KI diskutieren. Das Protokoll zeichnet die künstliche Intelligenz ebenfalls auf. Davor verschieben sie Trennwände, um einen Bereich zu schaffen, der andere nicht stört. Anschließend trifft sich das Team in der loung-artigen Cafeteria. Ein Teil der Kollegen arbeitet ungestört in Einzelbüros, die sie ebenfalls per App gebucht haben. Hier können sie in Ruhe telefonieren und per Video konferieren. Sie alle schätzen das natürliche Licht, das in die Büros fällt. Schaut Julius hinaus, sieht er Solarzellen auf Dächern des Gewerbeparks. Sie versorgen die Gebäude mit Strom. Es ist ein gutes Gefühl, an einem Ort zu arbeiten, der mehr Gutes als Schlechtes für die Welt tut.

Autor Felix Pflüger ist Geschäftsführer von Peoplefone Deutschland.

Anzeige