Das ist nicht nicht ganz einfach zu beantworten. Ich denke, wir sollten über drei Punkte reden. Der erste ist: Ich habe hier am 1.9.2001 als Vorstand angefangen, wir hatten damals eine Bilanzsumme, die lag bei 500 Millionen Euro. Dieses Jahr werden wir eine Bilanzsumme bei etwa 8 Milliarden Euro haben.
Am 1. September 2001 war mein erster Arbeitstag und am 11. September 2001 fielen die Kurse innerhalb von Minuten lotrecht nach unten. Auch hier über Berlin flog damals eine Armada Jagdflugzeuge, um den Luftraum zu sichern. Alle Welt dachte damals, nachdem, was in New York und Washington passiert ist, dass als Nächstes europäische Hauptstädte ins Visier genommen werden. Man ging von einem großen Angriff auf die westliche Zivilisation aus. Ich war gerade zehn Tage im Amt und das war eine ziemlich beklemmende Situation, sowohl, was die Kapitalanlage anging, aber auch das, was draußen passiert ist. Anschließend kam es zu der damit indirekt verbundenen Gründung von Protektor.

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Ich glaube, ich bin jetzt der dienstälteste CEO eines deutschen Versicherungsunternehmens. Damals, als ganz junger Vorstand, habe ich live miterlebt, wie die Mannheimer Lebensversicherung in die Sicherungseinrichtung eingebracht werden musste. Ich war bei allen Sitzungen live dabei und das war eine sehr einschneidende Erfahrung, weil man nie gedacht hätte, dass so eine existenzgefährdende Situation einen deutschen Lebensversicherer treffen kann.

Der zweite Punkt, der natürlich sehr heftig war, war die Finanzmarktkrise 2008. Darauf folgte auch Punkt drei: die sich daran anschließende langandauernde Niedrigzinsphase. Man darf ja nicht vergessen, wir haben ja praktisch von 2008/2009 bis Mitte 2022 eine Nullzinsphase gehabt, gleichbedeutend mit einem recht zügigen Abflauen der Zinsen.

Dabei ist der Zins das ‚Schmiermittel‘ der gesamten Wirtschaft und mindestens ein Jahrhundert lang waren Zinstitel das Futter der Kapitalanlage in der Lebensversicherung. Die Probleme in der Kapitalanlage haben sich potenziert. Das war keine Situation, in der man sagen konnte: ‚Na gut, dann machen wir eben etwas anderes‘. 85 bis 90 Prozent der Kapitalanlagen warten festverzinsliche Wertpapiere - und wenn die plötzlich keinen Coupon mehr zeigen, dann steht das Geschäftsmodell in Frage. Vor allem, wenn im Unterschied zu den angelsächsischen Ländern stark auf Klassik - also auf die Lebensversicherung mit Deckungsstock - gesetzt wurde. Das ist ein massiver Unterschied zu allen Produkten, die fondsgebunden sind. Und solche haben in anglo-amerikanischen Märkten traditionell schon immer ein Übergewicht.

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Das waren die drei wichtigsten Punkte. Solvency II war natürlich auch eine Zäsur. Die habe ich aber gar nicht so stark empfunden, weil wir Teile dieses neuen Aufsichtsregimes schon proaktiv eingeführt hatten, zum Beispiel das Thema Risikomanagement, da waren wir schon sehr weit, bevor Solvency II eingeführt worden ist.

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