Versicherungsbote: Würden Sie Maklern raten, in das KMU-Geschäft einzusteigen – auch dann, wenn diese sich bisher auf das Privatgeschäft spezialisiert hatten?

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Stefan Liebig: Ja, auf jeden Fall! Kleine und mittelständische Unternehmen sind eine sehr interessante Zielgruppe mit viel Potenzial. Viele KMUs haben regelmäßig Beratungsbedarf, da sich ihre Märkte verändern und vielfach auch neue Risiken hinzukommen.

Bestes Beispiel dafür sind die Gefahr von Cyberangriffen, die vor einigen Jahren kaum eine Bedeutung hatten, mittlerweile aber eines der größten Risiken sind. Das zeigt auch die Gothaer KMU Studie sehr deutlich: Während 2017 lediglich 32 Prozent der befragten KMUs Cyberangriffe als größtes Risiko einschätzten, waren es 2022 bereits 48 Prozent.

Stefan Liebig ist seit Juli 2022 bei der Gothaer. Beim Kölner Versicherer ist der gelernte Versicherungskaufmann als Leiter Partnervertrieb u. Geschäftsführer der Gothaer Beratungs- u. Vertriebsservice GmbH tätig.Gothaer

Wie finden Versicherungsmakler den Einstieg in die Gewerbesparte, wenn sie zuvor nur Privatkunden beraten haben? Wo finden sie Ansprechpartner?

Da gibt es verschiedene Wege. Am Anfang sollte eine Art Inventur stehen, im Rahmen derer der Makler analysiert, wo er fachlich steht und sich fragt, ob er die wesentlichen Betriebsrisiken eines Unternehmens erkennen kann. Für den Einstieg kann es dann sinnvoll sein, sich zunächst auf eine Branche zu fokussieren und sich intensiver mit deren größten Risiken auseinanderzusetzen.

Eine andere Strategie kann sein, eine Kooperation mit einem anderen Makler einzugehen. Hilfreich ist natürlich auch, die Bildungsangebote der Versicherer und anderer Marktteilnehmer wahrzunehmen.

Viele Makler scheuen das KMU-Geschäft, weil sie einen hohen Beratungsaufwand und hohe Haftungsrisiken fürchten. Sind diese Befürchtungen berechtigt?

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Zum Teil ja, aber nur, wenn man sich als Makler nicht professionell aufstellt, denn die Unternehmenslandschaft in Deutschland ist recht heterogen und die Risiken sind entsprechend komplex. Aber der Einstieg über eine Fokussierung auf bestimmte Branchen reduziert die Komplexität auch bei der Haftung.

Haftungsrisiken entstehen oft durch nicht ausreichende Versicherungssummen

Vertriebsexperten empfehlen Versicherungsmaklern, den Bedarf eines Unternehmens individuell zu beurteilen. Wie sollten die Vermittler bei der Bedarfsermittlung vorgehen?

Im ersten Schritt gilt es, das Unternehmen zu verstehen, also die Frage zu beantworten, was der Betrieb konkret macht. Auf dieser Basis sollte eine Risikoanalyse erstellt werden. Die Leitfrage dabei ist: Was kann passieren und welche Konsequenzen hat das?

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Im zweiten Schritt sollte der vorhandene Versicherungsschutz geprüft und bewertet werden und sollten dann anschließend die identifizierten Lücken und Bedarfe aufgezeigt werden. Im letzten Schritt kann der Makler dem Unternehmen dann entsprechende Angebote zur Schließung der Lücken unterbreiten. Bei der Bedarfsermittlung unterstützen auch Plattformen wie Thinksurance mit entsprechenden Software-Tools.

Wo sehen Sie potenzielle Haftungsrisiken, wenn Vermittler speziell kleinere Firmen beraten?

Haftungsrisiken entstehen oft durch nicht ausreichende Versicherungssummen, zum Beispiel bei gelagerten Waren und Vorräten. Insbesondere durch die Inflation oder Materialengpässe kommt es teilweise zu starken Preisanstiegen.

Weitere Risiken entstehen aus veralteten Versicherungsbedingungen, gerade in der Betriebshaftplicht, wenn sie die veränderte Rechtsprechung nicht abgebildet haben. Aber auch, wenn versicherte Gefahren nicht umfassend abgesichert sind – etwa Elementarrisiken – kann das zu Haftungsansprüchen führen.

Es gibt über 2.000 Betriebsarten in Deutschland mit verschiedensten Anforderungen. Ist es ratsam für Versicherungsvermittler, aufgrund der Komplexität von Gewerberisiken sich auf eine Branche zu spezialisieren?

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Für den Einstieg in das Firmenkundengeschäft kann das ein sehr guter Ansatz sein.

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