Allianz-Chef Oliver Bäte gibt sich oft meinungsfreudig - so auch in einem aktuellen Interview, das am Freitag im „Handelsblatt“ veröffentlicht wurde. Bereits vor einem Jahr hatte der Manager gewarnt, das Geschäftsmodell Deutschlands würde auf dem Spiel stehen. Nun bangt die Bundesrepublik um die Energieversorgung - und mit den Anschlägen auf die Nord-Stream-Pipelines ist die Infrastruktur wortwörtlich unter Beschuss geraten. „Wir sind im Krieg. In den letzten Wochen bezeichnet das endlich auch die Bundesregierung so“, warnt Bäte.

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Angesichts zunehmender Insolvenzen und einer gedrosselten Produktion in vielen Energiebetrieben sieht er auch die Bundesregierung in der Pflicht, zu agieren. Diese Schäden „müssen wir schnell verstehen und beseitigen, dazu gehört auch, dass die Politik zusätzliche Lasten in der Wirtschaft auffängt. Dafür müssen vor allem die hohen Steuerbelastungen auf Strom und Kraftstoffe gesenkt werden“, sagt Bäte. Es wäre nach seiner Ansicht besser, gezielt CO2-Emissionen zu besteuern statt den Energieverbrauch.

Gerade energieintensive Industrien werden sich fragen müssen, ob sie künftig zu den Preisen noch in Deutschland produzieren können, ergänzt Bäte. „Ich glaube aber, unser Land ist viel leistungsfähiger, als die meisten Menschen denken“. So rechnet der 57jährige mit einer Effizienzrevolution, „weil effiziente Maschinen und klimafreundliche Anlagen gefragter sein werden denn je“. Dennoch werden nach seiner Ansicht nicht alle Unternehmen überleben. Mit Verweis auf den österreichischen Nationalökonomen Joseph Schumpeter bezeichnet er Marktwirtschaft als „kreative Zerstörung“. Die Botschaft: Nicht jedes deutsche Unternehmen werde die Krise überleben.

Kritik an Staats-Verschuldung

Kritisch äußert sich Bäte zur aktuellen Staatsverschuldung in Europa - was zumindest insofern verwundert, weil er selbst fordert, der Staat solle die Lasten der Wirtschaft auffangen. Hier trifft die Forderung nach mehr Staatshilfen auf die Forderung, Schulden abzubauen: zumindest ein Widerspruch. Doch der Manager sieht die Gefahr einer neuen Eurokrise.

Konkret sagt der Allianz-Chef: „Die enorme Verschuldung in Europa sollte uns Sorgen machen. Die Schulden waren noch nie höher, öffentliche und zum Teil private“. Irgendwann werde der Markt drehen, dann stehe die Kreditwürdigkeit ganzer Staaten infrage. „Steigen die Zinsen und Spreads zu stark, droht die Zahlungsunfähigkeit“, so Bäte.

Für unzureichend hält Bäte auch die aktuelle Politik der Europäischen Zentralbank (EZB), mit steigenden Leitzinsen der Inflation entgegenzuwirken. „Es geht bei uns – anders als in den USA – um eine vom Energiepreis getriebene Inflation. Die können wir über Zinssteuerung allein nicht lösen“, sagt er.

Altersvorsorge und Gesundheitskosten als Krisen der Zukunft

Doch neben Inflation und Energieknappheit macht Bäte zwei weitere Krisen aus - die nach seiner Ansicht am meisten unterschätzt werden: „die nicht finanzierte Altersvorsorge und die dramatisch steigenden Gesundheitskosten“. Die sozialen Sicherungssysteme würden in einigen Jahren kollabieren, wenn nicht konsequent gegengesteuert werde - „das kann sich jedes Kind ausrechnen“, mahnt er. Hier brauche es ein umfangreiches Reformprogramm ähnlich der Energiewende, um den Kollaps abzuwenden.

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Hier reiche es nicht aus, nur punktuelle Erweiterungen wie die Aktienrente vorzunehmen, warnt Bäte. Das geplante Anlagevolumen der Aktienrente von 10 Milliarden Euro hält er für ungenügend, weil Skalenvorteile nicht genutzt werden könnten und die Kosten für den Aufbau anfangs hoch seien. „Große Spieler im Markt verwalten bis zu zehn Billionen US Dollar – das Tausendfache des jährlichen Investitionsvolumens der geplanten Aktienrente“, so der Manager. Eine Lösung sei, die Aktienrente über die private Altersvorsorge abzubilden. „So profitieren wir von größeren Anlagevolumen und etablierten Prozessen“.