Mit großen Ambitionen ist der Krankenversicherer Ottonova angetreten: Seit 2017 mit einer BaFin-Lizenz ausgestattet, um Krankenvoll- und Zusatzversicherungen anzubieten, wollten die Münchener den etablierten Platzhirschen den Rang ablaufen. „Wir wollen ein richtiger privater Krankenversicherer sein, nur anders, schneller und besser“, sagte damals Gründer Roman Rittweger. Dabei hat man sich mit dem PKV-Geschäft eine Sparte ausgesucht, die besonders beratungsintensiv ist. Ganze 8,3 Prozent des Neugeschäfts entfallen laut GDV-Vertriebswegestatistik auf die Direktvertriebe: große Vergleichsportale wie Check24 mit eingerechnet.

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Entsprechend holprig verlief der Start. In den ersten sechs Monaten konnte Ottonova ganze 31.000 Euro an Beitragseinnahmen vorweisen, und zum Jahresende 2018 hatte man lediglich 406 Versicherte für sich gewinnen können. Auf Social-Media-Plattformen gab es viel Häme. Wobei es fast logisch ist, dass sich ein neuer Versicherer erst einen Namen machen und das Vertrauen der Kundschaft gewinnen muss: gerade in einer Sparte, wo der Schutz existentiell wichtig ist - und ein Leben lang Bestand haben soll. Zunächst muss viel Geld in PR gesteckt werden.

Versicherten-Zahlen wachsen: Wenn auch auf überschaubarem Niveau

Nun hat Ottonova seinen Geschäftsbericht für 2020 vorgelegt: Und kann kleine Erfolge vorweisen. Genau 9.517 Neukundinnen und -kunden konnten die Bajuwaren hinzugewinnen, das bedeutet ein Plus von rund 115 Prozent. Insgesamt zählt man nun knapp 14.050 Versicherte.

Ein Wermutstropfen ist hierbei, dass das Gros der Neukunden im Krankenzusatz-Geschäft hinzukam. Zwar konnte sich die Zahl der Vollversicherten im Vorjahr mehr als verdoppeln: 1.854 vollversicherte Kundinnen und Kunden sind dennoch überschaubar. Doch der Versicherer hat auch einen Trumpf in der Hand, denn der Kundenstamm ist im PKV-Vollgeschäft sehr jung ist: Das Durchschnittsalter beträgt nach eigenen Angaben 28 Jahre. Das verspricht vergleichsweise niedrige Krankheitskosten und stabile Prämien. Eine Folge auch davon, dass man mit dem eigenen Angebot Digital Natives anspricht, die bevorzugt auf Online-Angebote setzen.

Deutlich angestiegen sind auch die Beitragseinnahmen des Versicherers. 9,045 Millionen Euro konnte Ottonova 2020 brutto von Kundinnen und Kunden einsammeln: 2019 waren es noch 3,511 Millionen. Das bedeutet ein stolzes Wachstum von 157,62 Prozent. Doch auch hier wirkt sich aus, dass man vor allem im Krankenzusatz-Geschäft wuchs. Im Schnitt zahlen die Versicherten einen Monatsbeitrag von weniger als 54 Euro. Und so steckt der Versicherer nach wie vor in den roten Zahlen. Am Ende des Jahres stand ein Fehlbetrag von rund 3,72 Millionen Euro in den Geschäftsbüchern.

Kein „reiner“ Direktversicherer mehr

Der Fehlbetrag ist sogar noch angewachsen, denn im Jahr zuvor waren es noch rund 2,42 Millionen Euro. Das ist auch eine Folge davon, dass der Versicherer mehr Geld ausgibt, um neue Kundinnen und Kunden zu gewinnen. Die Abschlusskosten stiegen von 2,1 auf 4,3 Millionen Euro: auch der Preis von Werbekampagnen. Prominent werben die Münchener etwa im Fernsehen und auf Kanälen wie Instagram und YouTube.

Längst aufgegeben hat es Ottonova auch, allein auf den Direktvertrieb zu setzen. Vermehrt kooperiert der Versicherer mit Vermittlern und Vergleichsportalen. Seit dem Juli 2020 wird zum Beispiel ein Beamtenanwärter-Tarif exklusiv über den Online-Makler Check24 angeboten. Auch hat man seine Angebots-Palette um Whitelabel-Lösungen erweitert: Policen, die andere Versicherer unter eigenem Markennamen in ihr Schaufenster stellen können.

Rückschläge musste Ottonova auch wegen strenger Regulierungsvorgaben in Deutschland einstecken. Den eigenen Kundinnen und Kunden wollte das Unternehmen „digitale Arztbesuche“ anbieten: mit einem renommierten Telemedizin-Anbieter aus der Schweiz. Aber Ferndiagnosen sind in Deutschland an sehr strenge Vorgaben geknüpft. Der Bundesgerichtshof untersagte es dem Krankenversicherer, mit Slogan wie „Erhalte erstmals in Deutschland Diagnosen, Therapieempfehlungen und Krankschreibung per App“ zu werben. Dies sei ein Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG).

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Die Geldgeber sind weiter von dem jungen Versicherer überzeugt. In einer Finanzierungsrunde hatte Ottonova 2021 weitere 40 Millionen Euro einsammeln können, nachdem bereits 2019 eine beträchtliche Summe von 50 Millionen Euro zusammenkam. Laut einem Medienbericht will der Krankenversicherer sein Geschäftsfeld zudem erweitern und auch Lebensversicherungen verkaufen.

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