Die Branchenzahlen der Versicherungswirtschaft für das zurückliegende Jahr 2023 durfte man mit Spannung erwarten. Viele Versicherungsvorstände haben keinen Hehl daraus gemacht, dass es ein schwieriges Geschäftsjahr war. Die noch anhaltende hohe Inflation und Gesetzreformen im Gesundheitssystem haben die Leistungsausgaben deutlich in die Höhe getrieben, im Altersvorsorge-Segment sind die Kundinnen und Kunden auf andere Produkte ausgewichen: um nur zwei Probleme zu nennen, mit denen die Versicherer zu kämpfen hatten.

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Am Donnerstag hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) auf seiner Jahresmedienkonferenz die vorläufigen Zahlen für 2023 präsentiert. Und der Eindruck eines schwierigen Geschäftsjahrs bestätigt sich. Zwar konnten die Bruttobeitragseinnahmen spartenübergreifend (ohne Rückversicherung) leicht gesteigert werden: um 0,6 Prozent auf nun rund 225 Milliarden Euro. Aber der Blick in die einzelnen Sparten zeigt doch auch Zahlen, die im negativen Sinne aufhorchen lassen. „Bedenkt man die schwierigen Rahmenbedingungen wie die globalen Unsicherheiten, können wir mit dem Ergebnis von 2023 durchaus zufrieden sein“, sagt GDV-Präsident Norbert Rollinger.

Lebensversicherung: nur die Leistungsausgaben steigen

Vor allem in der Lebensversicherung waren die Zahlen wenig erfreulich. Lediglich ein Wert konnte im Vergleich zum Vorjahr gesteigert werden: fatalerweise bei den Leistungsausgaben. Diese stiegen von 91,2 Milliarden Euro auf nunmehr 98,6 Milliarden Euro, was einem Plus von 8,1 Prozent entspricht.

Bei den anderen Werten aber zeigt sich ein Minus. Die Bruttobeitragseinnahmen im Leben-Segment sanken um 5,2 Prozent auf 92,0 Milliarden Euro, die Zahl der Verträge war ebenfalls rückläufig: um 1,3 Prozent auf 84,8 Millionen. Auffallend: In der wichtigen betrieblichen Altersvorsorge war ebenfalls ein Einbruch bei den Einnahmen zu beobachten (-5,7 Prozent auf 19,1 Milliarden Euro).

GDV

Schaden- und Unfallversicherung: Steigende Einnahmen - und explodierende Ausgaben

In der Schaden- und Unfallversicherung konnten die Bruttobeitragseinnahmen um 6,7 Prozent gesteigert werden: von 79,1 Milliarden Euro auf 84,5 Milliarden. Auch deshalb, weil die Versicherer im Bestand die Prämien anpassen mussten, etwa an gestiegene Baukosten und Kosten für Autoreparaturen. Auch hier fällt eine weniger erfreuliche Zahl ins Auge. Die Leistungsausgaben stiegen zweistellig um 12,7 Prozent: von 349,2 Milliarden Euro auf 352,0 Milliarden Euro.

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Allein in der Kfz-Versicherung ergibt sich durch die gestiegenen Preise ein versicherungstechnischer Verlust von rund 2,9 Milliarden Euro, berichtet der GDV. „Jedem eingenommenen Euro standen Ausgaben von 1,10 Euro gegenüber“, so Rollinger. Insgesamt ging der versicherungstechnische Gewinn der Sparte um mehr als die Hälfte auf rund 1,5 Milliarden Euro zurück.

PKV: Mini-Wachstum in der Krankenvollversicherung als Erfolg

In der privaten Krankenversicherung stiegen die Beitragseinnahmen im Jahr 2023 um 2,3 Prozent auf 48,2 Milliarden Euro. Die Zahl der Verträge stieg ebenfalls: von 37,8 Millionen auf 38,7 Millionen. Das umfasst auch Krankenzusatz- und Pflegeversicherungen.

Zeitgleich zu den GDV-Zahlen meldet der PKV-Verband, dass die privaten Krankenversicherer in der Vollversicherung netto einen Mitgliederzuwachs verzeichnen können. Das sechste Jahr in Folge wechselten mehr Menschen von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung als umgekehrt. Im Saldo ergab sich ein Plus von 48.000 Versicherten zu Gunsten der PKV. Die Ausgaben für Leistungen stiegen auch hier fast zweistellig: um 9,1 Prozent.

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Dass sich die Branche hier schon mit sehr kleinen Erfolgen zufrieden gibt, zeigt eine andere Zahl: Auch der Zuwachs an Versicherten in der Vollversicherung wird als Erfolg gemeldet. Dafür muss man aber schon auf die Stellen nach dem Komma schauen. Konkret wuchs die Zahl der PKV-Vollversicherten nach Abzug der Sterbefälle und der Abgänge von knapp 8,71 Millionen auf 8,71 Millionen. Kein Unterschied? Das Wachstum betrug auch nur 0,03 Prozent. Weil es aber das erste Mal seit 2011 ist, dass die Zahl der Vollversicherten netto stieg, wird im Pressetext des PKV-Verbandes extra drauf hingewiesen und auf eine Trendwende gehofft.

Vorsichtiger Optimismus für 2024

Der Ausblick der Branche für das Jahr 2024 ist -Zitat- „verhalten optimistisch“, wie es im GDV-Pressetext heißt. Das gilt vor allem für die schwächelnde Lebensversicherung. „Die höheren Zinsen verbessern die Ertragskraft der Unternehmen, die steigende Überschussbeteiligung erhöht die Attraktivität der Produkte und die realen Einkommen dürften weiter anziehen, während die Inflation abnimmt“, begründet GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen den positiven Ausblick. Aufgrund der hohen Zinsen würden aber zugleich kurzfristige Anlagen attraktiv gegenüber langfristigen Anlagen wie Rentenversicherungen bleiben.

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In der Schaden- und Unfallversicherung prognostiziert der Verband für 2024 Beitragszuwächse von 7,7 Prozent. „Vor allem die Entwicklung in der Kfz-Versicherung wird voraussichtlich von Nachholeffekten geprägt sein“, sagt Rollinger. „Auch steht zu befürchten, dass die Reparaturkosten weiter steigen werden. Daher rechnen wir hier mit einem Beitragszuwachs von zehn Prozent für 2024.“

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