Insolvenzverwalter sind nicht verpflichtet die zugunsten eines Managers beziehungsweise Geschäftsleiters abgeschlossene Haftpflichtversicherung aufrecht zu erhalten. Das hat der Bundesgerichtshof (Az.: IX ZR 161/15) im April diesen Jahres entschieden. Damit entfällt der Rechtsanspruch auf die zu Gunsten des Geschäftsleiters versicherte Deckung, insbesondere auf Freistellung bei Schäden.

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Regelmäßig kein Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer

Gemäß § 108 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) kann der Versicherungsnehmer (VN) seit dem Jahre 2008 seinen Anspruch auf Freistellung (nicht Abwehr) durch den Versicherer an den (vermeintlich) Geschädigten abtreten. Einen Direktanspruch des Geschädigten gegen die Versicherung gibt es dagegen nur bei der echten Pflichtversicherung (z.B. Kfz-Haftpflicht), bei Insolvenzeröffnung oder Ablehnung mangels Masse, sowie wenn der Schädiger nicht auffindbar ist (§ 115 InsO).

Freistellungsanspruch zur Tabelle oder Freigabe des Versicherungsanspruchs

Der Freistellungsanspruch gegen den Versicherer wird mit Feststellung des Haftpflichtanspruchs fällig (§ 106 VVG) und ist bei Insolvenz des Schädigers zur Tabelle anzumelden (§§ 174 ff. Insolvenzordnung). Es besteht zudem ein gesetzliches Pfandrecht zur abgesonderten Befriedigung nach § 110 VVG („Sozialbindung der Haftpflichtversicherung“), so dass der Insolvenzverwalter zu verklagen ist – beschränkt auf den Freistellungsanspruch gegen den Versicher:

Gibt der Insolvenzverwalter zum Vollzug der Absonderung (i.S.v. § 50 InsO) frei, wird anschließend nicht mehr er, sondern nur noch die Schuldnerin (z.B. AG, GmbH) verklagt; und zwar auf Gestattung der Befriedigung aus dem Pfandrecht (§ 1277 BGB) oder auf Duldung der Vollstreckung in den versicherungsrechtlichen Deckungsanspruch. In dieser Klage wird das Bestehen des Haftpflichtanspruchs gegenüber dem Versicherer geklärt. Der Insolvenzverwalter vermindert seine Prozessrisiken durch seine Freigabe (BGH, 02.04.2009, Az. IX ZR 23/08).

Klage gegen den Insolvenzverwalter auf Feststellung zur Insolvenztabelle

Alternativ, wenn keine Feststellung zur Tabelle durch den Insolvenzverwalter erfolgte, kann – muss aber nicht – nach § 106 VVG zunächst weiter nur gegen den Insolvenzverwalter geklagt werden, mit dem Ziel der Feststellung des Haftpflichtanspruchs zur Insolvenztabelle: Danach kann die fällige Versicherungsforderung nach § 1282 I BGB (Pfandreife) beim Versicherer eingezogen werden. Demgegenüber bietet die Klage gegen die Schuldnerin (als Inhaberin der Versicherungsforderung) den Vorteil weitergehender Feststellungen, zur Befriedigung aus der Forderung, §§ 1282 II Hs.2, 1277 BGB.

Typischerweise wird eine Steuerberatungs-GmbH nach einem Beratungsfehler mit bis zu mehr als sechsstelligem Schaden insolvent – der Versicherer lehnt sich zurück anstatt zu regulieren; denn nicht jeder klagt – dies hält die Prämien niedriger (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2016, Az. IX ZR 216/14).

Höchste Gefahr für leistungsfähige Ex-Vorstände und Ex-Geschäftsführer

Der BGH (IX ZR 161/15) stellt zunächst klar, daß den Insolvenzverwalter gegenüber Ex-Vorständen beziehungsweise Ex-Geschäftsführern regelmäßig keine „insolvenzspezifischen Pflichten“ treffen. So heißt es in § 60 der Insolvenzordnung: „Unter dem Gesichtspunkt der bestmöglichen Wahrung der Gläubigerinteressen mag es geboten sein, eine zugunsten des Geschäftsführers einer insolventen GmbH abgeschlossene Haftpflichtversicherung aufrechtzuerhalten, sofern Haftungsansprüche gegen den Geschäftsführer mangels finanzieller Leistungsfähigkeit nicht durchsetzbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 1995, aaO S. 329). Hingegen besteht keine Verpflichtung des Insolvenzverwalters, eine solche Haftpflichtversicherung aus Mitteln der Masse zu bestreiten, um den Geschäftsführer von einer etwaigen Haftung zu befreien.“.

Kündigt der Insolvenzverwalter eine Managerhaftpflicht, so sieht der BGH darin keine Beeinträchtigung des Absonderungsrechts (§ 110 VVG) und keine Schadensersatzpflicht (§ 60 I 1 InsO): Der Insolvenzverwalter wird solvente Ex-Geschäftsführer, gegebenenfalls Prokuristen, sowie Ex-Vorstände mit ihrem Privatvermögen zur Kasse bitten. Im Fall des BGH ging es um 3 Millionen Euro: Die Managerhaftpflicht war vergebens abgeschlossen, aber nicht umsonst gewesen. Man hatte wohl den Falschen verklagt.

Versicherungsmakler vermitteln Berufs- und Managerhaftung von der Stange – und haften?

Es gibt gesetzlich Regelungen im VVG, wonach bestimmte Versicherungen (z.B. Gebäude, Krankenversicherungen, Lebensversicherung bei Begünstigtem) bei Insolvenz, Tod, Kündigung unter anderem auf jemand anderen übergehen können. Im Fall des BGH gab es dies offenbar nicht.

Dies kann aber auch im Versicherungsvertrag selbst individuell oder als AGB-Klausel geregelt werden. So könnte das Recht vertraglich eingeräumt werden, eine von der GmbH gekündigte Versicherung als neuer Versicherungsnehmer fortzusetzen. Zu denken wäre auch an eine vertragliche beitragsfreie Vertragsfortsetzung übergangsweise im Insolvenzfall, oder das vertragliche Recht, dass der Geschäftsführer nahtlos eine eigene Versicherung abschließen kann. Die einfachste Regelung, dass alle noch während der Vertragsdauer verursachten Schäden eingeschlossen sind, ist in der D&O nicht gebräuchlich.

Das Gericht deutet auch an, dass der Insolvenzverwalter vielleicht nicht ohne eigenes Haftungsrisiko kündigen darf, wenn er die Versicherung nicht aus der Masse fortsetzen muss, sondern der versicherte Geschäftsleiter die Beiträge zu übernehmen sich bereit erklärt. Ferner wäre es erlaubt, einen Vertrag auf mehrere Jahre abzuschließen, und dafür auch die Beiträge sofort vorauszubezahlen, ohne Rückforderungsmöglichkeit. Dann gibt es für den Insolvenzverwalter keinen Grund, zu kündigen, weil ja keine Beiträge aus der Masse zu zahlen wären.

Beratungsbedürftig sind die Fälle des (ggf. ewig möglichen) Widerrufes des Versicherungsvertrages sowie die (befristete) Anfechtung der Prämienzahlung nach der Insolvenz. Durch Widerruf einer Lebensversicherung bei falscher Widerrufsbelehrung kann der Insolvenzverwalter alle gezahlten Prämien und Nutzungen vom Versicherer verlangen und zur Masse einziehen, sämtliche Ansprüche etwa aus Verpfändungen der Versicherung mit dieser vernichten und den Selbständigen samt der Arbeitnehmer mit Direktversicherungen um ihre Altersversorgung bringen. Bei Insolvenz wäre noch daran zu denken, durch rechtzeitiges Angebot an den Insolvenzverwalter zur Prämienzahlung oder gleich durch Prämienzahlung an den VR, diesem die Kündigung unmöglich zu machen beziehungsweise ihn dafür haften zu lassen. Jedoch kann der Versicherer die Annahme der Prämie vom Nicht-Versicherungsnehmer verweigern und die Versicherung trotz dessen versuchter Zahlung wegen Verzug trotzdem kündigen.

Nachdem dies alles individuell möglich ist, aber in Produkten von der Stange nicht vorgesehen, können Makler haften. Der Geschäftsleiter könnte als Dritter in den Schutzbereich der Maklerberatung von Anfang an mit einbezogen sein. Bestenfalls erstreckt sich die Vermittlung vorab gleich auf die Möglichkeit des Versicherungsabschlusses durch das Organ und die Gesellschaft, und es wird auch dokumentiert, warum nicht der Geschäftsleiter sondern das Unternehmen dann Versicherungsnehmer werden soll, sowie die Frage deren Insolvenz bei der Beratung für die Dokumentation des Maklers mit angesprochen.

Allerdings: Wenn der Geschäftsleiter gegenüber dem Insolvenzverwalter die Prämien hätte zahlen können, trifft ihn gegebenenfalls eine erhebliche Mitschuld am Schaden. Vielleicht aber kann er dies dem Makler anlasten, wenn er und gegebenfalls das Unternehmen sich aus Anlass der (ggf. bevorstehenden) Insolvenz nochmals beraten lassen. In bis zu 85 Prozent der Fälle erfolgt zudem keine Dokumentation, zum Nachteil des Maklers – und zur Verbesserung der Regressaussichten des Geschäftsleiters.

Insolvenzfestigkeit durch nachträglichen Reparaturversuch beim Versicherungsvertrag?

Schlecht wäre es, wenn vom Makler ergänzte Regelungen im Versicherungsvertrag (z.B. Benachrichtigungspflicht bei Prämienverzug, Eintrittsrecht ab Insolvenzreife) im Insolvenz-Fall nicht halten, weil unwirksam, denn sogenannte Reglungen „für den Fall der Insolvenz(-reife)“ fallen öfters bei Gericht durchs Raster.

Eine weitere Falle besteht darin, dass die Einräumung von Rechten unvollständig erfolgt (BGH, Urteil vom 26.01.2011, Az. IX ZR 191/10): So passiert es beispielsweise fast jedem ausgeschiedenen Betriebsrentner, dem „sein“ Vertrag mitgegeben wurde – allerdings nur hinsichtlich seiner Ansprüche auf Versicherungsleistung, nicht hinsichtlich der Nebenrechte. So kann der Arbeitgeber oder der Insolvenzverwalter beispielsweise später wegen unwirksamer Widerrufsbelehrung alles widerrufen und damit auch alle übertragenen vertraglichen Ansprüche vernichten. Schließlich wird den meisten Geschäftsleitern nicht klar sein, daß etwa eine eventuell schmerzhaft hohe Kartellbuße nicht versichert ist, ebenfalls keine Ersatzpflicht für Zahlungen nach Insolvenz-Reife – oder alles im Zusammenhang mit einer Insolvenz von der Versicherungsdeckung ausgeschlossen sein kann.

Risikomanagement statt Versicherungsdeckung?

Häufiger endet die Versicherungsdeckung von Managern vertraglich mit der Insolvenz. Meist muß das Unternehmen erst mal die Ernsthaftigkeit durch Regressklage gegen den Manager beweisen, damit überhaupt ein Schadensfall als solcher anerkannt wird (BGH, Urteil vom 13.04.2016, Az. IV ZR 304/13). Der Manager ohne Berufsrechtsschutz hat damit meist nicht gerechnet.

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Mancher Manager wird sich rückblickend fragen, ob es nicht effizienter gewesen wäre, ein ordentliches Risikomanagement zu betreiben – anstatt sich dessen Fehlen verbunden mit Leistungskürzungen wegen grober Fahrlässigkeit oder wegen Vorsatzes einer Nichtleistung der Haftpflicht, entgegen halten lassen zu müssen. Danach wird man nach einem Verantwortlichen suchen – der Versicherungsmakler gerät nun spätestens in den Fokus.

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