Ein Gastbeitrag von Axel Kleinlein

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„Wie steht es um die PKV in der Zukunft?“ Eine echt knifflige Frage. Die Probleme der privaten Krankenversicherung (PKV) sind ja derzeit recht vielfältig: Der Niedrigzins offenbart, dass sich die PKV-Aktuare verkalkuliert haben, als sie immer treu mit 3,5 Prozent gerechnet haben. Das Schweigen der aktuellen Bundesregierung zeigt die Sprach- und Ratlosigkeit der Politik. Die steigenden Beiträge machen deutlich, dass vielen Kunden die Verträge verkauft wurden, ohne klar zu erklären, welche Risiken der Verbraucher eingeht.

Die Frage nach der Zukunft ist also keine ganz so leichte Frage, die mir da gestellt wird. Zudem kann man sie auch noch recht unterschiedlich interpretieren. Hämische Anti-PKV-Ideologen meinen mit der Frage zum Beispiel eigentlich: „Wie wird in der Zukunft die PKV abgewickelt?“. Die ewig optimistischen PKV-Lobbyisten verstehen die Frage als: „Und wie hat die PKV dann die Niedrigzinsphase überwunden?“. Und dann gibt es auch noch diejenigen, die sich ernsthaft Gedanken machen, wie es mit der PKV weitergehen soll. Hier wird eine exakte Analyse der zukünftigen Versicherungswelt erwartet.

Die Bürgerversicherung

Möchte ich im Sinne der Anti-PKV-Ideologen die Frage beantworten, dann stellt sich gleich eine ganz neue Frage: Bekommen wir in der Zukunft eine „Bürgerversicherung-Sofort“, bei der von einem Tag zum anderen die PKV-Verträge in das neue System überführt werden? Keiner weiß es. Wer diese Bürgerversicherung konkret führt? Unklar. Ob die gesetzliche Krankenversicherung auch Änderungen erleben wird? Offen. Was soll dann mit den Alterungsrückstellungen geschehen? Sehr verzwickt.

Aber meine Aufgabe ist es ja, eine Antwort darauf zu geben. Das wird also nicht leicht, wenn eine „Bürgerversicherung-Sofort“ avisiert wird, das wird nur mit Schmerzen gehen. Und das Verfassungsgericht in Karlsruhe wird dann mit Sicherheit Arbeit bekommen. Egal wie man das umsetzt. Spätestens beim Umgang mit der Alterungsrückstellung wird jemand klagen wollen, womöglich wird das der Bund der Versicherten sein.

Ich rechne eher damit, dass (wenn überhaupt) die „Bürgerversicherung-auf-Raten“ kommt. Ab einem bestimmten Zeitpunkt würden die PKV-Unternehmen dann einfach keine Neukunden aufnehmen dürfen. Der Bestand wird abgewickelt und die gesamte PKV geht in den Run-off. Aus aktuarieller Sicht ist das nicht besonders sexy. Das „Gesetz-der-großen-Zahl“ würde dann zum „Gesetz-der-vielen-Klein-Kollektive“ mutieren. Ob dann noch verlässlich kalkulierbare Beiträge möglich sind? Ich bezweifle das. Sicher würde es nur wenige Jahre dauern und die Rest-PKV würde dann in die Bürgerversicherung integriert. Auf welche Art und Weise ist eher zweitrangig. Da wird dann passend gemacht was passen muss. Karlsruhe wird spätestens dann auch wieder Arbeit bekommen.

Der ewige Lobbyisten-Optimist

Aber man kann die Zukunftsfrage ja auch so verstehen, als möchte man nur diskutieren, wie die PKV die derzeitigen Probleme in der Zukunft überwunden hat. Zugegeben, dazu braucht man eine gehörige Portion Fantasie. Denn die PKV hat es ungleich schwerer als zum Beispiel die Lebensversicherer hier eigene Lösungen zu entwickeln.

Die Kollegen aus dem Lebensversicherungsbereich flüchten sich derzeit in wilde neue Produktkonstruktionen. Diese neuartigen Tarife zielen dabei stets auf die Altersvorsorge ab und müssen sich daher erst in ein paar Jahrzehnten ernsthaft beweisen. Niemand geht in absehbarer Zeit mit der InvestFlex, einer Perspektive, einer Index-Select-Rente oder einer Variable-Annuity in Rente. Da kann in der Werbung eben noch viel versprochen werden, ohne dass man jetzt schon etwas halten muss.

Solche Tricks kann man in der Privaten Krankenversicherung nicht umsetzen. Denn krank werden die Kunden auch schon kurz nach Vertragsabschluss. Da muss der Versicherer schon jetzt Leistung liefern. Mit besonders intransparenten Tarifen, die kaum noch echte Leistung beinhalten, kommt daher kein PKV-Unternehmen weiter. Anders als in der Lebensversicherung muss in der Krankenversicherung eine echte Absicherung geliefert werden. Auch bei niedrigen Zinsen.

Die einzige Antwort auf die schlechten Renditen der Kapitalanlagen sind deshalb steigende Beiträge. Für manchen Kunden ist das eine ziemliche Überraschung. Hat er den Vertrag doch im festen Glauben an verlässliche Kalkulationen der Versicherungsmathematiker abgeschlossen. Klar, bei steigenden Gesundheitskosten muss der Beitrag raufgehen. Daran haben sich die Versicherten in der PKV zähneknirschend gewöhnt. Aber auch bei niedrigen Zinsen zusätzlich in die Tasche greifen? Damit haben viele nicht gerechnet. So verspielen sich die Unternehmen Vertrauen.

Ist das Vertrauen einmal verspielt, wird es sehr schwer, dieses Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Meine Vermutung für die Zukunft: Der PKV trauen die Kunden nicht mehr so richtig über den Weg und das für lange Zeit. Da mag die Kalkulation durch steigende Zinsen vielleicht irgendwann wieder ins Lot kommen. Das Misstrauen der Kunden gegenüber der PKV wird bleiben.

Die wahre Zukunft - Beamtenmikado

Die Bürgerversicherung wird also schwierig. Sie umzusetzen ist alles andere als trivial. Darauf zu hoffen, dass sich die Probleme mit den niedrigen Zinsen in Luft auflösen, ist auch nicht zu erwarten. Das Vertrauensproblem wird zusätzlich schwierig zu lösen sein. Was ist also tatsächlich für die Zukunft zu erwarten?

Wenn die Befürworter der Bürgerversicherung zu früh aus der Deckung gehen, wird deren Projekt ziemlich schnell zerschossen. PKV-Lobby und Befürworter des dualen Systems stehen dafür schon bereit. Die Fans der Bürgerversicherung werden sich also tunlichst nicht rühren. Als Lippenbekenntnis wird das neue Konzept im Wahlkampf propagiert werden, als echtes politisches Projekt wird die Bürgerversicherung aber vermutlich eher auf Eis gelegt. Egal welche Regierung kommt, mindestens ein Koalitionspartner wird immer als Sündenbock herhalten können um die Bürgerversicherung zu verhindern.

Wenn die PKV aber nicht umlenkt, rennt sie hinein in das Problem überhöhter Prämien und äußerst misstrauischer Kunden. Auch ohne Bürgerversicherung wird es also schwer. Am besten kam die Versicherungswirtschaft durch solche Krisen immer durch Aussitzen. Und das wird vermutlich auch die Lösung für die PKV werden: So tun als wäre nichts. So weiter machen wie bisher. Nichts ändern, denn jede Änderung könnte die Systemfrage auf die Agenda setzen.

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Beide Seiten werden sich also erst einmal ruhig verhalten. Streng nach der Devise „Wer sich zuerst bewegt hat verloren“ – Beamtenmikado. Hoffnung auf eine absehbare Besserung? Fehlanzeige. Die Gefahr eines Zusammenbruchs? Das aber auch nicht. „Hoffnungslos, aber nicht ernst“ – so stellt sie sich eben dar, die Zukunft der PKV.

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