Im Grunde war die ASTRA Deutschland mit Sitz in Dreieich schon etwa seit Mitte Juni nicht mehr arbeitsfähig, bestätigen Versicherungsmakler und Berichte über Serviceprobleme. Schäden wurden bei ASTRA zuletzt nur sehr schleppend reguliert, Anträge konnten nicht policiert werden. Im Interview mit dem Versicherungsboten erläutert Frank Löffler die Situation der ASTRA Deutschland.

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Versicherungsbote: Herr Löffler, ist der Geschäftsbetrieb der ASTRA jetzt beendet?

Frank Löffler: Aus meiner Sicht gibt es aktuell keine Grundlage für die Weiterführung des Betriebes. Ich habe heute mit sofortiger Wirkung die Niederlegung meines Amtes erklärt und damit sind meines Erachtens wichtige Voraussetzungen für den Geschäftsbetrieb nicht mehr gegeben.

Versicherungsbote: Warum wurden in den letzten zwei bis drei Monaten keine Schäden reguliert beziehungsweise keine Anträge policiert?


Löffler: Das ist so absolut nicht richtig. Ich habe gestern selber noch rund 30 Verträge dokumentiert und Schäden angelegt. Richtig ist, dass wir seit etwa Mitte Juni erhebliche Bearbeitungsrückstände hatten. Leider konnte die durch mich geplante Neustrukturierung bis heute nicht umgesetzt werden. 
 


Versicherungsbote: Wie geht es jetzt weiter mit der ASTRA Deutschland?


Löffler: Ich bin ehrlich, ich weiß es nicht. Ich nehme für mich in Anspruch in den letzten Wochen und Monaten alles versucht zu haben. Wir haben verschiedene Modelle erarbeitet, die eine Weiterführung der Geschäfte zum Ziel hatten. Die wahrscheinlichsten Lösungen waren entweder die Überführung der Bestände in eine Generalagentur oder aber die Einsetzung eines Assekuradeurs für den weiteren Betrieb.

Wichtig ist aber für Kunden und Partner der ASTRA, dass die ASTRA allen bestehenden Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen nachkommen wird.

Versicherungsbote: Die ASTRA Deutschland hat eine bewegte Geschichte. Wie kamen sie mit dem Unternehmen in Berührung?

Löffler: Im Mai 2012 wurde ich auf Empfehlung einer früheren Arbeitskollegin von einem Headhunter kontaktiert. Konkret ging es um den Aufbau der deutschen Niederlassung eines europäischen Versicherers in allen Versicherungssparten. Im Januar 2013 kam es zu einem persönlichen Gespräch in Bukarest. Teilnehmer waren die beiden Repräsentanten der Inhaberfamilie und der damalige Vorstandsvorsitzende der ASTRA. Mein seinerzeit positiver Eindruck wurde bestätigt und verstärkt.

Versicherungsbote: Später gab es allerdings Startschwierigkeiten. Wie kam es zu diesen Verzögerungen beim Markteintritt der ASTRA in Deutschland?

Löffler: Im Mai 2013 startete ich mit einer Kollegin das Projekt ASTRA Versicherung Deutschland. Wir gingen zu diesem Zeitpunkt davon aus, dass wir im Laufe des Jahres 2013 mit allen Produkten in der Sach- und Haftpflichtsparte starten können. Das war auch einer der Gründe, warum wir das ASTRA Team innerhalb von 3 Monaten auf insgesamt 6 Köpfe ausgebaut haben. Leider zeigte sich bereits zu diesem frühen Zeitpunkt, dass die interne Kommunikation zwischen der „Mutter“ und den Niederlassungen eher als suboptimal zu bezeichnen ist.

Versicherungsbote: Auf der DKM-Messe in Dortmund war die ASTRA ja bereits präsent ...

Löffler: ... ja, im Oktober 2013 waren wir als Aussteller auf der DKM, immer noch im guten Glauben, dass es in den nächsten Tagen losgehen kann. Tatsächlich erhielten wir erst am 6. Dezember 2013 die Information, dass unsere Tätigkeit seitens der rumänischen Aufsichtsbehörden genehmigt sei, und zwar ausschließlich in der Sparte Allgemeine Haftpflichtversicherung. Das offizielle Schreiben der rumänischen Aufsicht ASF an die deutsche BaFin benötigte auf dem Postweg einen weiteren Monat, so dass wir nach dem entsprechenden Prüfungsprozess und den restlichen Vorbereitungen erst im Februar 2014 endlich loslegen konnten.

Versicherungsbote: Kurz nach dem Start in Deutschland gab es dann aber Hiobsbotschaften aus Rumänien. Die ASF stellte die ASTRA Asigurare Rumänien wegen bis heute unklarer interner Umstände unter Zwangsaufsicht. Seit inzwischen eineinhalb Jahren haben die Wirtschaftsprüfer von KPMG das eigentliche Sagen in Bukarest, hat die ASF verfügt.

Löffler: Im Februar letztes Jahr waren wir froh, endlich produktiv, endlich unsere starken Produkte vermarkten zu können. Aber die ASTRA Deutschland, „der neue Stern am Versicherungshimmel“ konnte nicht glänzen. Im Februar 2014 gab es „ein Erdbeben im rumänischen Versicherungsmarkt“ mit der ASTRA im Epizentrum. Was die Konzernmutter in Rumänien uns gegenüber zunächst als „unhaltbare Gerüchte“ kommunizierte, bestätigte sich im April. Die ASTRA wurde in Rumänien unter Aufsicht gestellt. Schade war daran nur, dass wir davon aus der Presse und nicht aus der Führungsetage erfahren mussten.

Versicherungsbote: An der Situation der Muttergesellschaft in Bukarest hat sich seitdem nicht viel geändert, oder?

Löffler: Das Management der ASTRA ist bis zum heutigen Zeitpunkt suspendiert, die Leitung des Unternehmens hat immer noch die KPMG in der Hand. Eine bereits im Mai 2014 beschlossene mehrstufige Kapitalerhöhung ist im Plan, aber immer noch nicht abgeschlossen. Der Jahresabschluss der Muttergesellschaft 2013 weist einen Verlust von annähernd 1 Milliarde Lei aus; etwa 250 Millionen Euro. Ob und wie realistisch diese Zahl ist, ist umstritten.

Versicherungsbote: Wie wirkten sich Ereignisse in Bukarest auf die Niederlassung in Dreieich aus?

Löffler: Wir taten unser Bestes. Gestartet ohne jedes Budget für Marketing und andere Vertriebsmaßnahmen konnten zum heutigen Zeitpunkt rund 6.000 Verträge generiert werden. Soviel zu den positiven Ereignissen. Das Team hat sich, nicht zuletzt aufgrund der fehlenden Termintreue bei Zahlungen durch die Mutter für andere Herausforderungen entschieden.

Versicherungsbote: Wie steht denn das ASTRA-Projekt Deutschland wirtschaftlich da?

Löffler: Die Bilanz für 2014 weist einen Verlustvortrag von rund 360.00 Euro aus, darin enthalten ist der Verlustvortrag aus dem Jahr 2013. Für ein Start-up nicht einmal das schlechteste Ergebnis. Bereits im Oktober 2014 wurde dem Vorstand der ASTRA ein Konzept zur Fortführung der deutschen Niederlassung vorgelegt, welches nicht nur eine deutliche Kostenreduktion, sondern auch eine stabilere Positionierung im Markt bedeutet hätte. Hierzu gab es keine Reaktion.

Versicherungsbote: Bitte? Keine Reaktion?

Löffler: Leider ja, Mitte Mai habe ich dem Vorstandsvorsitzenden der ASTRA gegenüber meine Kündigung zum 30. Juni 2015 erklärt. Bis Anfang Juni wurde dieses Thema ignoriert oder als unwichtig betrachtet. Vom 10. bis zum 18. Juni besuchte mich die rumänische Projektmanagerin des Mutterhauses. By the way, das war der erste offizielle Besuch der ASTRA Rumänien bei der ASTRA in Deutschland, in 24 Monaten. Wir haben eine Bestandsaufnahme gemacht und verschiedene Szenarien zur Fortführung der Tätigkeit durchgesprochen. In einem Telefonat am 18. Juni zwischen meiner Kollegin und dem ASTRA-CEO in Bukarest bat er mich, mein Amt für weitere zwei Wochen wahrzunehmen. Dieses habe ich bestätigt, da ich an diesem Projekt hing.

Versicherungsbote: Wie kam es zur Zuspitzung der Situation in den letzten Wochen?

Löffler: Am 30. Juni vereinbarten wir dann in der sprichwörtlichen letzten Sekunde eine weitere Verlängerung bis zum 11. Juli. Auch hier erfolgte erst wieder in der letzten Minute eine Einigung über die gemeinsame Zukunft. Mir wurde schriftlich mitgeteilt, dass man sich für den Vorschlag der Auslagerung aller Betriebsabläufe an einen Assekuradeur entschieden hat. Um die weiteren Details zu fixen wurde vereinbart, dass die Kollegin ein weiteres Mal nach Deutschland kommt. Am 14. Juli war seitens des Assekuradeurs für eine reibungslose Übernahme alles vorbereitet.

Versicherungsbote: Hielt die Konzernmutter ihre Zusagen ein?

Löffler: Nach weiteren Tagen der Unklarheit, etwa um den 24. Juli herum, teilte mir die Kollegin mit, dass der Vertrag jetzt zur Prüfung und Unterschrift in der Rechtsabteilung der ASTRA liege. Heute ist der 7. August 2015 und wir haben keinen unterschriebenen Vertrag für die Fortführung des ASTRA-Geschäfts über einen Assekuradeur. Grundsätzlich steht der Vorstand zu seiner Zusage, kann aber keinen Zeitrahmen für die finale Umsetzung nennen.

Versicherungsbote: Nun haben Sie einen Schussstrich gezogen und gekündigt ...

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Löffler: ... unter Berücksichtigung der angeblichen Genehmigung des Assekuradeursvertrag habe ich einer Inkraftsetzung meines Arbeitsvertrages und einer damit verbundenen deutlichen Reduzierung meines Gehalts um minus 75 Prozent zugestimmt. Immerhin sollte ich in Doppelfunktion für den neuen Assekuradeur und die deutsche Niederlassung tätig sein. Ich habe meinen Arbeitsvertrag nicht zuletzt wegen meiner offenen Forderungen gegen die ASTRA am heutigen 7. August 2015 fristlos gekündigt. Diese Entscheidung ist mir wirklich sehr schwer gefallen und ich habe bis zur letzten Minute versucht, eine vernünftige Einigung zur Fortsetzung dieses Projektes zu erzielen. Leider ist mir das trotz aller Bemühungen nicht gelungen. Ich kann und möchte mich bei allen Beteiligten für das Vertrauen und Entgegenkommen bedanken und gleichzeitig auch für die Unsicherheit in den letzten Monaten entschuldigen.

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