In den vergangenen Jahren hatte vor allem die Verbraucherzentrale Hamburg gegen Lebensversicherer geklagt. Die Begründung: In den Police seien unzureichende Widerrufserklärungen enthalten mit der Folge, dass Widerrufe gegen den Vertragsabschluss auch noch Jahre nach Beginn der Versicherung möglich seien. Diese rechtliche Haltung hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe bereits in der Vergangenheit dem Grunde nach bestätigt. An diesem Mittwoch nun urteilte der BGH, das Kunden, die ihrem Vertrag noch nachträglich widersprochen haben, nun auch eine höhere Rückzahlung der Versicherung bekommen.

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BGH-Urteil zum Policenmodell

Dem BGH zufolge muss sich der Kunde zwar den während der Zeit genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen (also die für den Schutz verbrauchten Risikobeiträge), nicht aber die Abschluss -und Verwaltungskosten.

Der Tenor des höchsten deutschen Gerichts sagt sinngemäß: Wenn Versicherungen Kunden falsch belehren, seien die Unternehmen dafür selbst verantwortlich und dürfen Abschlussprovisionen und entstandene Verwaltungskosten nicht einbehalten. So berichtet es die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) unter Berufung auf die Deutsche Presseagentur (dpa) unter dem BGH-Aktenzeichen IV ZR 384/14.

Abschlüsse bis 2007 betroffen

Der BGH-Urteilsspruch bezieht sich auf Lebensversicherungs-Abschlüsse der Jahre 1994 bis 2007, die nach dem Policenmodell zustande kamen. Dabei erhielt der Kunde die vollständigen Vertragsbedingungen erst mit seiner Police. Oft meist erst dann auch die zwischenzeitlich vom BGH bei vielen Versicherungen kassierte Widerrufsbelehrung. Bei mangelbehafteten Belehrungen konnte den Verträgen noch nach Jahren widersprochen werden. Mit der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes im Jahr 2008 wurde das Policenmodell nicht mehr angewendet.

Die Karlsruher Richter entschieden über Kundenklagen gegen die Aachen-Münchener Lebensversicherung. Deren Kunden hatten nachträglich und wirksam Widerspruch gegen ihre Fondspolicen eingelegt und klagten auf höhere Rückzahlungen. In einem Beispielfall, so schreibt es die FAZ, habe ein Kläger erst im Jahr 2010 einem Abschluss von 1999 widersprochen. Wirksam, weil die Widerrufsbelehrung mangelhaft war.

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„Gegen jede Tarifgeneration neu klagen“

Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten (BdV) kommentiert das Urteil des Bundesgerichtshof gegenüber dem Versicherungsboten: „„Erneut hat sich nun bestätigt, dass ein Versicherer versuchte, im Kleingedruckten einem Kunden nachteilige Regeln unterzujubeln. Es wäre jetzt endlich an der Zeit, dass die Branche insgesamt begreift, dass sie bei Abschluss- und Stornokosten fair mit den Kunden umgehen sollte. Leider muss man aber immer wieder für jede Tarifgeneration neu gegen die Klauseln klagen. Echter Vertrauensgewinn wäre gegeben, wenn die Branche endlich freiwillig und ohne Druck über die Gerichte Fairness praktizieren würde.“

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