Der US-Radiosender NPR hat in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern ein Prognose-Werkzeug, heute sagt man neudeutsch „Tool“, entwickelt. Damit lassen sich, glaubt man einem Bericht des „Manager Magazins“, die persönlichen Beschäftigungs-Chancen je nach Branche, Tätigkeit, Anforderungen und Arbeitsumfeld eines Berufs und seiner bisher ausführenden Menschen simulieren. Als Prognosezeitraum wählten die Wissenschaftler die kommenden 20 Jahre der Arbeit. Demnach sieht es für Versicherungs-Verkäufer aller Art jobmäßig demnächst mau aus.

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9 von 10 Verkäufern bald überflüssig?

Bei aller Vorsicht vor Prognosen über 20 Jahre in die Zukunft hinein: Mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 90 Prozent braucht die Vertriebswelt demnächst keine Vermittler mehr; so berichtet – genauer prognostiziert - es NPR. In andere Zahlen umgesetzt kann das bedeuten: 9 von 10 Vermittler werden bald überflüssig. Weil künftig in 9 von 10 Fällen bevorzugt einfache, bald auch komplexere Bedarfe durch eine Kombination aus logisch aufbereiteten Massen-Daten geklärt und dem Kunden gegenüber erklärt werden.

Versicherer brauchen weniger Mathematiker

Auch bei den intellektuellen Höchstleistern der Versicherungsbranche, den Mathematikern (Aktuaren) sieht die US-Quelle NPR eine Rationalisierungs-Wahrscheinlichkeit von rund 20 Prozent. Mit anderen Worten: Die Versicherer brauchen bald ein Fünftel weniger Fach-Mathematiker. So lautet den Angaben zufolge die vorsichtige Berufs-Prognose für Aktuare. Ersetzt wird die höchste Kaste der Assekuranzler durch Big Data. Im Folgenden wird es näher erläutert.

In 25 Jahren wird die Rentensteuer einheitlich sein

Ketzerisch gefragt: Warum sollte ein Berater noch überall gebraucht werden? Dazu nur eines von vielen (und!) fachlich durchaus fundierten Beispielen: In 20, genauer 25 Jahren wirkt das Alterseinkünftegesetz „voll“. Alle Renten sind dann einheitlich voll steuerpflichtig. Und der Fachmann weiß heute bereits: Für Riester- und Betriebsrenten gilt die volle Steuer bei Auszahlung sowieso schon. Die Transformations-Phase von Rürups Renten-, eigentlich ja Renten-Steuermodell vom Jahr 2005 bis 2040 ist dann „durch“. Die so genannte Schichtenrechnung zur Klärung für den Sparkunden, den Rendite-Vergleich von Basis-, Betriebs-, Riester- und Privat-Renten, hat sich dann fast erledigt.

Rentenbesteuerung kann die Maschine heute schon optimieren

Sollten Sie als kritischer Leser die These zur Erledigung der Schichtenrechnung ab dem Jahr 2040 nicht glauben wollen: Schon heute und in der steuerlich, rechnerisch komplizierten Übergangsphase bis 2040 lässt sich die optimierte Spar-Anweisung für den Kunden maschinisieren. Zum Beispiel in der „Deutschen Finanznorm“, die die Gesellschaft für Finanznorm mit ihrem Regelwerk „Defino“ als DIN-Norm der Zukunft anstrebt, ist die Schichtenrechnung bereits eingebaut. Im Unterschied zu technologischen Inseln, also Tools, die noch nicht in Gesamtmodelle zur Beratung integriert sind, definiert und rechnet Defino den Finanzplan des Kunden, quasi „in einem Guss“. So könnte man das Defino Normwerk in Sachen Renten- und Steuer-Optimierung vorläufig - bei aller bestehenden Unvollkommenheit im Detail – bezeichnen.

Das Algorithmus-Monster

Die Feindbegriffe für Arbeitssuchende der Zukunft (oder heute bereits?) lauten: Automatisierung, Big Data, Silikon-Chips und die so genannte Künstliche Intelligenz. Diese künstliche Intelligenz lässt sich sozusagen auf einen Chip programmieren. Als Algorithmus. Letzterer ist definiert als zahlenmäßig begrenzte logische Kette von Arbeits- oder Handlungsanweisungen. Dennoch können diese logischen Ketten sehr, sehr lang ausfallen und mit zunehmender Verknüpfung quasi nahezu als „intelligent“ zu verifizierende, also als sachliche korrekt zu bestätigende, Entscheidungen treffen.

Big Data und logische Ketten übernehmen schrittweise den Aktuar-Job

Wagemutig bezeichnen Zukunftsforscher immer ausgefeiltere Algorithmen gelegentlich als „die künstliche DNA“; so die Theorie für die tatsächliche oder geglaubte Intelligenz von Maschinen. Wer braucht da noch Mathematiker/Aktuare? Damit diese via Big Data und anhand logischer Ketten ermittelte Tatsachen nachrechnen? Wohl kaum. Man kann es anders deuten: Logische Ketten (Algorithmen) entlasten Aktuare – und machen sie perspektivisch verzichtbar. Und im Ergebnis auf den Lohnlisten der Versicherer zu 20 Prozent seltener.

„Entwertung des Experten“

Konkreter - und auf Versicherung und ihre Vermittler bezogen - spricht zum Beispiel der Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky seit Jahren schon von der „Entwertung des Experten“. Jánszky erforscht auch für die Versicherungs-Industrie seit Jahren schon die Zukunft der Branche und erstellt auf Basis breiter Daten (Big Data) jährlich vorwärts rollierend neue Prognosen für die Versicherungs-Industrie der kommenden zehn Jahre.

Dunkelverarbeitung ist heut schon Realität

Aber auch heute schon nimmt kein Sachbearbeiter mehr einen (physisch ohnehin nicht mehr vorhandenen) Antrag in die Hand oder klickt auf „Freigabe“: Online-Anträge zu einfachen (bald auch komplexeren) Deckungen mit klaren Kriterien, namentlich die Privathaftpflicht-Versicherung, laufen inzwischen überwiegend automatisch – durch die Maschine hindurch: Von der Eingabe des Kunden (zum Beispiel: „Single, keine Kinder, keine Hund...“) bis zur Police. Letztere kann heutzutage auch rein elektronisch bestehen; aus einer Email. Man spricht hier auch – mangels menschlicher Berührung – von Dunkelverarbeitung. Underwriter, bisher hochbezahlte Spezialisten, werden durch einen Plausibilität „prüfenden“ Algorithmus schrittweise ersetzt.

Die App verkauft bald

Eine von Jánszkys Erkenntnissen; hier stark verkürzt, aber auf einen Punkt gebracht: Handlungs- und Versicherungs-Empfehlungen kommen künftig immer mehr und immer öfter von Smartphone-Apps. Die kleinen Zusatzprogramme auf dem Smartphone erkennen zum Beispiel am Aufenthaltsort und am Verhalten des Users dessen Bedarf. Steht der kommende Kunde zum Beispiel im Winterurlaub am Ski-Lift, kann und wird die App ihm demnächst eine Ski- oder Unfallversicherung offerieren. Am Orte des Bedarfs (neudeutsch Point of Sale) ist die App bereits dabei – und verkauft: vor Ort. Nicht Vermittler-, sondern per GPS-Ortung gesteuert.

FinTechs oder der Fairr.de oder Friendsurance-Faktor

Mayday - Mayday - Mayday! Anbieter dieser Apps müssen nicht Versicherer sein. Für letztere schlimmer: Es können auch so genannte Fin-Tech-Anbieter sein. Unternehmen wie Friendsurance zum Beispiel, die über eigene oder (via Facebook) „geliehene“, verknüpfte Netzwerke eigene Kunden-Gemeinschaften, pardon Communities, bilden und sich gegenseitig Rabatte (Moneymeets.de vom Handelsblatt-Konzern) oder Beitragserstattungen (Friendsurance) organisieren. Oder auch „Kosten-Piraten“ wie Fairr.de könnten den Versicherern den Rang ablaufen.

Fin-Tech holen sich die Kunden

Vielen Fin-Techs gemein ist: Meist als Nicht-Versicherer (das gilt sinngemäß auch für Banken) „stülpen“ diese Start-up-Unternehmen sozusagen ihr Netzwerk-Vermittler-Modell über bestehende Versicherungs- und deren Vertriebs-Strukturen. Diese These formulierte Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky bereits in einem Interview im Jahr 2012. Seitdem sind die Zeit und die Technologie weit fortgeschritten. Mit der folgenreichen Konsequenz für – eher gegen – die Versicherer, dass die Fin-Techs sich schrittweise das höchste Gut der Neuzeit kapern: die Kundenbeziehungen.

Frisch verliebt, gemeinsame Wohnung = geänderte Haftpflichtversicherung

Was zunächst scheinbar banal wirkt, wird im Zeitablauf der kommenden – nicht 20, sondern eher 5 Jahre – perfektioniert werden. User, die bei einer Versicherungs-Service-App registriert sind (gar via Facebook-Profil vernetzt?), bekommen bei einem Statuswechsel von Single auf „verliebt“ oder „verpartnert“ ein Optimierungsangebot: „Verknüpfe deine Privathaftpflicht-Versicherung mit dem Partner. Für Infos klicke hier“. Sodann sieht der Kunde zum Beispiel, dass er seine Haftpflichtversicherung (PHV) mit dem neuen Partner kombinieren kann. Aus zwei Vollzahler PHV-Verträgen wird dann nur noch ein Vertrag. Geld gespart.

Kritiker haben recht – aber immer seltener

Sodann kann der Kunde handeln. Weiter gedacht könnte die App sich den Auftrag holen, dass sie den älteren Vertrag der (namentlich benannten) Partnerin automatisch kündigt und die Freundin in die eigene Haftpflichtversicherung aufnimmt. Schneller als Facebook, Apps & Co kann der Versicherungs-Vermittler bald kaum noch sein. Und ja: Wenn Sie als Leser jetzt kritische Einwände gegen die hier zugegebenermaßen konstruierten Szenarien haben. Sie haben recht. Aber tendenziell mit abnehmender Wahrscheinlichkeit.

Nischenanbieter haben Chancen

Der Trend scheint zu sein: Je mehr Daten aufkommen, je mehr diese verknüpft werden und je öfter die Kunden dies zulassen (Prognose: je jünger, desto öfter), umso mehr wird der Versicherungs-Vermittler unnötig werden. Die Chance für Vermittler ist die fachliche Nische. Spezialisten wie zum Beispiel der Berufsunfähigkeits-Profi Makler Matthias Helberg, Osnabrück, oder „Riester-Papst“ Joachim Haid, München, werden ihre Stellung leichter behaupten können als der Allrounder von Allianz, Ergo oder Zurich.

Monopoli …

Wobei die Rechtsstellung Makler oder firmengebundener Vermittler aus Sicht und Handeln des Kunden an Bedeutung verlieren dürfte. Zumindest stellen das die Ergebnisse der US-Quelle NPR-Radio anheim. Nicht neu, aber zukunfsweisend scheint ein alter Song des deutschen Musiker Klaus Lage zu sein. Hier sein weit über 20 Jahre alter Text zum Lied „Monopoli“:

Ja, Vater, du bist noch vom ganz alten Schlag,
seit vierzig Jahren pünktlich – jeden Tag.
Du warst nie krank und bist noch drauf stolz.
Na und, was soll's?

Wann hast du jemals richtig Urlaub gemacht?
Dein ganzes Leben für'n Betrieb mitgedacht.
Deinen Job macht jetzt ein Stück Silikon.
Wen juckt das schon?
Wen juckt das schon?

Monopoli, Monopoli,
wir sind nur die Randfiguren
in einem schlechten Spiel.
Monopoli, Monopoli,
und die Herrn der Schloßallee
verlangen viel zu viel.

(Klaus Lage, „Monopoli“)

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