Die Bedrohung durch Deepfakes ist vielschichtig – und entsprechend komplex müssen die Gegenmaßnahmen sein. Munich Re und Ergo betonen in ihrem Tech Trend Radar 2025, dass es nicht nur um technische Erkennung, sondern um ein ganzheitliches Immunsystem für digitale Desinformation gehen muss. Dieses digitale Abwehrsystem muss auf mehreren Ebenen ansetzen – technologisch, organisatorisch und kommunikativ.
Technologie stärken: Erkennung, bevor der Schaden entsteht
„Fortschritte bei der Erkennungstechnologie“ gehören laut Trend Radar zu den zentralen Hoffnungsfeldern. KI-basierte Detektionssysteme, die Bilder, Videos und Stimmen analysieren, müssen zügig in Schadenprozesse integriert werden. Sie sind nötig, um etwa manipulierte Unfallszenen, gefälschte Brandvideos oder synthetische Schadendokumentationen frühzeitig zu entlarven. Entscheidend ist dabei: Die Systeme müssen nahezu fehlerfrei arbeiten – denn falsch-positive Ergebnisse können ebenso schädlich sein wie unerkannte Täuschungen.
Besonders vielversprechend sind multimodale Fusionstechniken, die gleichzeitig Bild-, Ton- und Kontextinformationen auswerten. Sie ermöglichen eine präzisere Einschätzung der Echtheit – und lassen sich perspektivisch auch in Callcenter- oder App-Anwendungen einbinden.
Governance und Prozesse anpassen
Ein zentrales Problem liegt darin, dass Deepfakes nicht nur Einzelschäden ermöglichen, sondern ganze Geschäftsprozesse kompromittieren können. Wenn interne Prüfroutinen nicht auf synthetische Medien vorbereitet sind, drohen systematische Lücken – gerade im Massengeschäft. Versicherer müssen deshalb klare Verifizierungsrichtlinien entwickeln: Welche Beweise gelten als vertrauenswürdig? Wann ist eine manuelle Prüfung erforderlich? Und wie lässt sich Betrug systematisch dokumentieren?
Parallel braucht es ein starkes Compliance-Framework – nicht zuletzt, weil Versicherer auch regulatorisch haftbar gemacht werden können, wenn sie sich etwa auf manipulierte Identitäten stützen oder unzureichend gegen KI-basierten Betrug absichern.
Cyberversicherung im Fokus: Die Glaubwürdigkeitsfalle
Ein besonders heikles Feld ist die Cyberversicherung. Sie gilt als Wachstumsmarkt – doch mit der Verbreitung von Deepfakes droht sie zur Reputationsfalle zu werden. Denn Versicherer, die selbst Ziel oder Opfer von Desinformation werden, verlieren schnell an Glaubwürdigkeit. Gleichzeitig steigt der Druck, Schäden durch Deepfakes bei versicherten Unternehmen korrekt zu bewerten – eine neue Risikoklasse, für die es bisher kaum etablierte Kriterien gibt. Die Branche muss also nicht nur die eigenen Systeme schützen, sondern auch ihre Rolle als Partner in der Absicherung digitaler Risiken neu denken.
Vertrauen braucht Allianzen
„Partnerschaften zwischen Regierungen, Tech-Unternehmen und Forschern können zu einheitlichen Strategien zur Bekämpfung digitaler Täuschung führen“, heißt es im Radar. Der Aufbau gemeinsamer Standards – etwa zur Authentifizierung von Inhalten oder zur Kennzeichnung synthetischer Medien – ist deshalb essenziell. Versicherer sollten sich hier nicht als Zaungäste begreifen, sondern als aktive Mitgestalter.
Aufklärung tut Not
Zugleich braucht es eine klare Kommunikation nach außen: Wie schützt sich der Versicherer? Wie werden Kunden im Verdachtsfall unterstützt? Wie sieht eine moderne Betrugsabwehr im digitalen Zeitalter konkret aus? Wer hier vage bleibt, riskiert Misstrauen. Gerade in einer Welt, in der synthetische Inhalte immer schwerer zu erkennen sind, wird Transparenz zur zentralen Währung des Vertrauens.
Versicherer sollten daher aktiv über Risiken aufklären – etwa durch Informationskampagnen, Warnhinweise bei neuen Betrugsmaschen oder Schulungsangebote für besonders gefährdete Kundengruppen wie Senioren oder Geschäftskunden. Auch auf Social Media, im Kundenportal oder im Vertrieb sollte das Thema adressiert werden: nicht alarmistisch, sondern lösungsorientiert. Denn nur wenn Kundinnen und Kunden wissen, worauf sie achten müssen – und wie ihr Versicherer reagiert, können sie digitale Täuschungsversuche erkennen, melden und vermeiden.
Hintergrund: Der Beitrag basiert auf den Erkenntnissen des Tech Trend Radar 2025, einer jährlich erscheinenden Trendstudie von Munich Re und Ergo, die technologische Entwicklungen im Hinblick auf ihre Relevanz für die Versicherungsbranche bewertet. Das Thema Deepfake Defense wird im diesjährigen Radar erstmals als eigenständiger Trend im Cluster Cyber & Crypto geführt. Die Autoren beschreiben darin, wie KI-generierte Desinformation zu einem systemischen Risiko wird – und welche strategischen, technischen und kommunikativen Antworten erforderlich sind.