Rententrick nach "Flexirentengesetz": Immer mehr Menschen leisten Sonderzahlungen

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Das sogenannte „Flexirentengesetz“ hatte es möglich gemacht: Ab dem 1. Juli 2017 sank das Mindestalter für Sonderzahlungen in die gesetzliche Rentenkasse, um sich eine abschlagfreie oder höhere gesetzliche Rente zu sichern, vom 55. auf das 50. Lebensjahr. Zahlen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) legen nun nahe: Die neue Möglichkeit wird rege genutzt. Denn die Summe der Zahlungen für diesen ganz legalen „Rententrick“ haben sich gegenüber 2015 verachtfacht.

Alternde Bevölkerung heißt: Länger arbeiten

Dreiundzwanzig Prozent – so hoch wird in 2031 laut einer Berechnung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) der Anteil der Menschen ab 67 an der Gesamtbevölkerung sein. Gegenüber dem Jahr 2019 wird damit diese ältere Bevölkerungsgruppe ab 67 um 3,4 Millionen Menschen zugenommen haben. Der Gesetzgeber hat auf diesen demografischen Trend mit dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz von 2007 reagiert. Denn alle nach 1963 geborenen Versicherten erreichen die Regelaltersgrenze für eine gesetzliche Rente ohne Abschläge ab 2031 mit 67 Jahren.

Menschen müssen demnach immer länger bis zur Rente arbeiten – schon jetzt steigt die Regelaltersgrenze an: Für Versicherte der Geburtsjahrgänge zwischen 1947 und 1958 um einen Monat pro Jahrgang, für die Jahrgänge ab 1959 um zwei Monate pro Jahrgang. Folglich nimmt auch die Zahl jener Menschen zu, die schon vor Erreichen der Regelaltersgrenze in den Ruhestand gehen wollen. Ein solcher Schritt jedoch sollte nicht ungeplant erfolgen. Wer einen Berufsausstieg vor Erreichen der Regelaltersgrenze anstrebt, der muss mit Abschlägen von seiner gesetzlichen Rente kalkulieren.

Den frühen Ruhestand planen heißt: Mit Abschlägen planen

Pro Monat, den man früher in Rente geht, beträgt der Abschlag von der gesetzlichen Rente 0,3 Prozent auf den monatlichen Rentenbetrag. Geht man ein Jahr früher in Rente, muss man demzufolge 3,6 Prozent Abschlag in Kauf nehmen: Bei einer erwarteten Regelrente von 1.000 Euro brutto verliert man jeden Monat 36 Euro, wie das Infomationsportal der Deutschen Rentenversicherung veranschaulicht. Gerade bei einer steigenden Lebenserwartung kann ein zeitigerer Ruhestand somit schnell einiges an Rente kosten.

Jedoch: Der Gesetzgeber hat eine Möglichkeit geschaffen, solche Abschläge auszugleichen oder auch eine erwartbar niedrige Rente „aufzubessern“ (der Versicherungsbote berichtete). Möglich wird dies durch freiwillige Sonderzahlungen in die gesetzliche Rentenkasse – die sogenannte Beitragszahlung zum Ausgleich einer Rentenminderung. Und der Gesetzgeber hat diese auch der Rentenkasse dienende Möglichkeit durch seine Gesetzreform in 2016 erweitert.

Beeindruckende Zahlen: Immer mehr Menschen gleichen Abschläge aus

Bis zum 1. Juli 2017 waren solche Zahlungen erst ab dem 55. Lebensjahr möglich. Das änderte das „Flexirentengesetz“ und senkte das Mindestalter auf 50 Jahre ab. Zudem wurde ein Passus in Paragraph 109 des Sechsten Sozialgesetzbuchs aufgenommen, der das Recht auf eine Rentenauskunft ab dem 50. Lebensjahr regelt. Diese Sonderauskunft informiert auf Antrag über „die Höhe der Beitragszahlung zum Ausgleich einer Rentenminderung bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Rente“. Ein „legaler Rententrick“ – der freilich schon deswegen „legal“ ist, weil die Zahlungen die Finanzkraft der Rentenkasse stärken.

Dass die Gesetzesänderung des „Flexirentengesetzes“ in Verbindung mit einem steigenden Rentenalter hierbei nicht ohne Wirkung blieb, wird nun durch Zahlen der Deutschen Rentenversicherung deutlich, die beeindrucken. So führt die Deutsche Rentenversicherung auf ihrer Info-Plattform aus: Die Anzahl der Beitragszahlungen zum Ausgleich von Rentenabschlägen lag 2017 bei 11.620 Zahlungen. Ein deutlicher Anstieg gegenüber den Vorjahreswerten: In 2016 wurden nur 4.479 dieser Beitragszahlungen vorgenommen, in 2015 sogar nur 1.499. Und in 2014 lag diese Zahl bei sogar nur 967 Beitragszahlungen.

Zwar werden online noch keine Angaben gemacht, wie viele Zahlungen in 2018 vorgenommen wurden. Die Beitragssumme aus diesen Sonderzahlungen für 2018 jedoch scheint jetzt verschiedenen Medien vorzuliegen, und hierfür lässt sich ebenfalls Beeindruckendes vermelden. So hat sich die Summe aus den Beitragszahlungen für 2018 gegenüber 2015 mehr als verachtfacht –290 Millionen Euro wurden im Jahr 2018 als freiwillige Zusatzbeiträge bei allen deutschen Rentenversicherungsträgern eingezahlt für den Ausgleich von Abschlägen. In 2015 waren es nur 31 Millionen Euro.

Trotz allem: Die GRV braucht Antworten auf den demografischen Wandel

Freilich: Die Erweiterung der Möglichkeit durch das „Flexirentengesetz", Ausgleichszahlungen für die gesetzliche Rente zu erleichtern, entpuppt sich mit Blick auf solche Zahlen als geschickter Schachzug des Gesetzgebers. So freut sich laut Bericht der „Zeit“ auch Dagmar König, Vorstandsvorsitzende der Rentenversicherung Bund, über die Entwicklung. Sie sieht darin „ein Zeichen für das hohe Vertrauen der Beitragszahler in die Sicherheit und Rentabilität der gesetzlichen Rente“. Jedoch: Die Probleme der GRV werden sich einzig durch solche freiwilligen Sonderzahlungen kaum lösen lassen. Bedroht doch ein sinkendes Rentenniveau viele ältere Menschen mit Altersarmut, steigende Beiträge für die umlagefinanzierte gesetzliche Rente lassen zudem eine hohe Abgaben-Last für Jüngere erwarten.

So machte jüngst eine Studie im Auftrag des Dachverbands der Versicherer (GDV) anschaulich: Das Rentenniveau und damit das Verhältnis einer durchschnittlich verfügbaren Rente zum Durchschnittslohn sinkt und sinkt (der Versicherungsbote berichtete). In 2001 lag das Rentenniveau noch bei 55 Prozent. Momentan ist das Rentenniveau bei 48 Prozent „eingefroren“ bzw. stabilisiert, jedoch nur bis zum Jahr 2025. „Eingefroren“ ist zudem der Brutto-Beitrag, den Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam zur Rentenversicherung zahlen müssen: garantiert wird, dass er maximal 20 Prozent des Bruttoeinkommens bis zum Jahre 2025 nicht übersteigt. Schon diese „doppelte Haltelinie“ aber kann nur gehalten werden, indem ab Beginn 2020 auf Finanzreserven aus der Rentenkasse zugegriffen wird (der Versicherungsbote berichtete).

Was jedoch nach 2025 kommt, steht noch in den Sternen beziehungsweise liegt in den Händen einer Kommission, die erst 2020 Ergebnisse liefern muss. Prognosen der Studie aus dem Hause der Versicherer aber rechnen vor, worauf diese Kommission reagieren muss: Bei Renteneintritt für 1960 Geborene liegt im Jahr 2026 das Rentenniveau voraussichtlich bei 48,3 Prozent. Der Jahrgang 1975 hingegen wird bei Renteneintritt ein Rentenniveau von 43,2 Prozent des Bruttolohns, der Jahrgang 1990 sogar von 41,9 Prozent des Bruttolohns zu beklagen haben.

Immer größer wird demnach die Vorsorgelücke und immer drängender auch das Problem drohender Altersarmut für große Teile der Bevölkerung. An diesem Problem kann auch der erfreuliche Fakt nichts ändern, dass durch vereinfachte Ausgleichszahlungen immer mehr Geld an die gesetzliche Rentenkasse fließt.