Axel Kleinlein bediente sich auf dem 19. Strategiekongress der Assekuranz „Insurance Today and Tomorrow“ des MCC in Düsseldorf bei Bundeskanzler Olaf Scholz. Kleinlein entlieh sich das Kanzlerwort ‚Doppelwumms‘, nutze es aber völlig anders. Während der Kanzler mit diesem Ausflug in die Comic-Sprache Handlungsfähigkeit und Sicherheit transportieren wollte, ging es Kleinlein eher um das Gegenteil: Die Vorgaben der EU-Kleinanlegerstrategie würden eine Neu-Organisation des Versicherungsvertriebs erfordern, während gleichzeitig die Produktpalette überarbeitet werden müsste, um Kundennutzen zu bieten, so Kleinlein. „Dieser Doppelwumms verändert die Lage der deutschen Lebensversicherer dramatisch.“

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de facto-Provisionsverbot für Makler

Als ersten ‚Wumms‘ versteht Kleinlein die EU-Kleinanlegerstrategie. Aus Sicht von Kleinlein enthalten die Pläne von EU-Kommissarin Miread McGuiness ein de facto-Provisionsverbot für Makler. „Der Aktionismus einiger Vermittlerverbände und Teilen der Regierung wird nichts daran ändern, dass diese europaweite Regelung einen Umbruch für Makler und Vermittler in Deutschland erzwingt“, so Kleinlein, der mehrere Jahre als Präsident von Better Finance europäische Verbraucherpolitik mitgestaltet hat. „Die Branche muss lernen, dass sich die europäische Politik nicht so leicht von der deutschen Versicherungs- und Vermittlerlobby treiben lässt, wie sie es aus Bonn und Berlin in den letzten Jahrzehnten gewöhnt ist.“
Das zeige sich auch am erfolglosen Interventionsversuch des Bundesfinanzministers Christian Lindner (FDP). Zudem ist der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) Spitzenreiter bei der Lobbyarbeit in Berlin (Versicherungsbote berichtete).

Altersvorsorge: „Flächendeckend keine Angebote, die Kundennutzen erfüllen“

Auch der zweite ‚Wumms‘ kommt - über den Umweg der deutschen Versicherungsaufsicht - aus Brüssel. Denn die ‚Wohlverhaltensregeln‘ der BaFin haben - vereinfacht gesagt - das Ziel, Vorgaben der EU (IDD und die dazugehörigen Delegierten Rechtsakte) umzusetzen.

Ein Schlüsselwort in den Bestimmungen der EU lautet: ‚Kundennutzen‘. Den vermisst Kleinlein: „Aktuell sehe ich flächendeckend keine Angebote, die den Kundennutzen erfüllen.“ Solchen ‚Kundennutzen‘ hätten Altersvorsorge-Produkte laut Kleinlein, wenn sie besonders sicher wären oder zumindest einen Inflationsausgleich erwarten lassen würden. Die derzeitige Lage sei eine andere, so der Versicherungsmathematiker. Beispielhaft ging er auf die Basisrente ein: „Bei einer 30 Jahre laufenden Basisrente verbleiben, selbst bei einer angenommenen Verzinsung von fünf Prozent, nach Abzug der Kosten noch nicht einmal zwei Prozent als Sparrendite bei den Kunden“, erklärt Kleinlein. „Das ist kein Kundennutzen, das ist Abzocke.“ Noch dramatischer sei die Situation, wenn man - wie es die BaFin will - auch die Verrentung mit einbezieht: „Eine Kundin, die eine durchschnittliche Lebenserwartung hat, wird bei diesem Produkt selbst inklusive Überschüssen nur das eingezahlte Geld zurückbekommen. Bei einem Mann sieht das noch schlechter aus, da der durchschnittlich ein paar Jahre früher verstirbt.“

Norbert Rollinger: „Auch Platzhirsche werden abgeschossen“

Und wie reagieren die Versicherer auf die von Kleinlein angesprochenen Herausforderungen? Auch Norbert Rollinger, Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und Vorstandsvorsitzender der R+V Versicherung, hielt auf der „Insurance Today and Tomorrow“ einen Kurzvortrag, in dem er seine Gedanken über die Zukunft der Assekuranz teilte. Auf seinem LinkedIn-Profil fasste Rollinger diesen Vortrag so zusammen:

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  • Versicherer der Zukunft bieten Lösungen, nicht nur Produkte. Die Kernaufgaben bleibt jedoch die Risikoabsicherung.
  • Die Beratung der Zukunft besticht durch omnikanale Vielfalt. Der persönliche Vertrieb bleibt dabei essenziell.
  • Der „‚kollektive Grundgedanke“ wird bei der Risikokalkulation zunehmend durch Verhaltensorientierung ersetzt.
  • Ein Schadenfall ist für niemanden gut. Moderne Versicherungstechnik integriert nachhaltige Prävention.
  • Das Tagesgeschäft steckt in einer Transformation. Dabei ist die Achtung vor Menschen und Kultur gefragter denn je.
  • Wir Versicherer müssen auf der Hut sein, denn auch Platzhirsche werden abgeschossen.

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