Alle Menschen erhalten -unabhängig von ihrem Einkommen- 1.200 Euro im Monat und dürfen dieses Geld behalten: So sah die ursprüngliche Idee des Vereins „Mein Grundeinkommen“ aus, der für ein bedingungsloses Grundeinkommen wirbt. Und der Verein muss sich seit seines Bestehens gegen das Vorurteil wehren, dass ein solches Grundeinkommen im Grunde unfinanzierbar sei. Die Idee dahinter ist durchaus charmant: Menschen könnten dann eher kreative Ideen umsetzen, müssten weniger das Abrutschen in Armut mit der drohenden Sanktionsmaschinerie fürchten. Und irgendwie wäre es ja auch gerecht, wenn alle dasselbe erhalten.

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Der Verein streitet weiterhin dafür, dass ein Grundeinkommen finanzierbar sei: Muss aber mittlerweile von der ursprünglichen Idee deutliche Abstriche machen. Denn so, wie sich die Befürworter das vorgestellt haben, funktioniert es eben nicht. Schon wenn an jeden Bürger bzw. jede Bürgerin ein bedingungsloses Einkommen von 1.000 Euro ausschütten will, würde das pro Jahr eine Summe von einer Billion Euro verschlingen - das Doppelte des deutschen Staatshaushaltes. Und das ist schlicht utopisch.

Doch nun hat der Verein „Mein Grundeinkommen“ vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin ausrechnen lassen, wie und unter welchen Bedingungen ein solches Grundeinkommen finanziert werden könnte. Die Erkenntnis aus den Modellrechnungen: Nicht alle würden profitieren. Denn unter anderem muss an der Einnahmeseite geschraubt werden. Und das bedeutet zunächst - ein Teil der Bevölkerung müsste deutlich mehr Steuern zahlen. Dennoch: „83 Prozent aller Menschen in Deutschland leben in Haushalten, die mehr Geld zur Verfügung hätten als vor der Einführung des Grundeinkommens“, so lautet ein Ergebnis der Studie. Die anderen 17 Prozent, die nicht profitieren, setzen sich aus zwei Gruppen zusammen: „Sieben Prozent hätten gleich viel Geld zur Verfügung. Nur zehn Prozent müssten steuerlich mehr beitragen“, heißt es auf der Webseite des Vereins. Ein Rechner soll verdeutlichen, wie das Grundeinkommen finanziert werden könnte: Dabei stehen verschiedene Modelle zur Auswahl.

Steuerausgleich über das Grundeinkommen

Konkret schlägt der Verein vor, dass jeder Erwachsene im Monat 1.200 Euro Grundeinkommen im Monat erhält, für jedes Kind gibt es weitere 600 Euro. Dieses Grundeinkommen ist steuerfrei. Doch nun kommt der Haken: Um das Grundeinkommen zu erhöhen, soll parallel dazu die Einkommenssteuer deutlich erhöht werden: pauschal auf 50 Prozent. Dieser Einheitssteuersatz soll auf jegliche Art von Einkommen erhoben werden, also etwa auch auf Kapitalgewinne. 42 Prozent der Gesamtkosten für das Grundeinkommen ließen sich nach den Berechnungen des DIW Berlin auf diese Weise finanzieren.

Doch selbst mit diesem hohen Steuersatz wäre das Grundeinkommen nicht ausfinanziert. Darüber hinaus will der Verein sämtliche Sozialleistungen streichen: also etwa Elterngeld, Kindergeld oder Bafög. So sollen 126 Milliarden Euro eingespart werden. Doch nicht nur diese Zahlungen würden wegfallen. Auch bei der Bürokratie würden Bund, Länder und Kommunen ordentlich Geld einsparen, denn es müssten ja keine Anträge mehr im bisherigen Umfang geprüft und bewilligt werden. 7,4 Milliarden Euro sollen so an Verwaltungsausgaben wegfallen.

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Ein weiterer Punkt: Die Abschaffung von Steuerprivilegien wie zum Beispiel dem Ehegattensplitting oder Freibeträgen, etwa für Werbekosten. Mit dem Grundeinkommen „sind sie nicht mehr nötig, weil das Grundeinkommen ein monatlicher zielgenauer Steuerausgleich ist, der das Geld immer genau dort hinverteilt, wo es gerade fehlt“, argumentiert der Verein. Weitere drei Prozent des Finanzierungsbedarfs sollen zustande kommen, weil untere Einkommensgruppen mehr konsumieren: auch durch eine bessere Steuerverwaltung und eine konsequentere Bekämpfung von Steuerflucht soll mehr Geld eingenommen werden.

Steuerentlastung für viele über das Grundeinkommen?

Doch selbst damit wären erst 75 Prozent der Kosten für das Grundeinkommen finanziert. Und so muss in dem Modell weiter an der Steuerschraube gedreht werden. Der Spitzensteuersatz könnte um fünf Prozentpunkte erhöht werden, die Erbschaftsteuer und die CO2-Steuer sollen raufgesetzt werden, der Mehrwertsteuersatz bei 25 Prozent festgeschrieben wie in Schweden (Was den Konsum de facto wieder ausbremsen könnte). Auch eine Finanztransaktionssteuer wird vorgeschlagen.

Weil Steuererhöhungen aber immer einen negativen Tenor haben, bemüht sich der Verein „Mein Grundeinkommen“, zu betonen, dass für die Mehrheit das neue Modell wie eine Steuersenkung wirken würde. Ein einheitlicher Steuersatz von 50 Prozent höre sich erst einmal nach einem wahnsinnig hohen Wert an, sagt Michael Bohmeyer, Gründer und Projektentwickler bei "Mein Grundeinkommen“, gegenüber t-online.de. „Aber weil das Grundeinkommen wie eine Steuergutschrift wirkt, bedeutet die Reform unterm Strich für die große Mehrheit eine Steuersenkung". Besagte 83 Prozent der Haushalte sollen am Monatsende mehr in der Tasche haben. Nur zehn Prozent der Bevölkerung würden schlechter gestellt - solche mit hohem Einkommen. Zugleich soll die Zahl der armutsgefährdeten Menschen von 13 Millionen auf vier Millionen sinken.

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Der Verein wehrt sich zudem gegen das Argument, dass mit dem Grundeinkommen ein zusätzlicher Anreiz bestehe, nicht mehr zu arbeiten. Vielmehr würden gerade Geringverdiener zusätzliche Anreize für eine Arbeitsaufnahme haben, weil sie schlicht mehr behalten könnten. Wer heute Bürgergeld und damit den Regelsatz von 502 Euro beziehe, könne mit einem 520-Euro-Job sein Einkommen auf nur 686 Euro hebeln. Da nur 20 Prozent des zusätzlich verdienten Geldes anrechnungsfrei bleiben, dürfe der Betroffene lediglich 184 Euro aus seinem Job behalten.

Anders mit dem Grundeinkommen. Vom 520-Euro-Job dürfe nach dem neuen Modell ein Minijobber dann die Hälfte behalten, also 260 Euro. Das macht 1.460 Euro, wenn man von einem Grundeinkommen von 1.200 Euro ausgeht. Allerdings übernimmt das Jobcenter dann auch nicht mehr die Miete sowie andere Kosten, auf die Bürgergeld-Empfänger derzeit Anspruch haben. Die Frage bleibt, ob die Betroffenen dann nicht Miese machen würden, da das Jobcenter derzeit ja zum Beispiel auch für Neben- und Heizkosten im gewissen Umfang aufkommt. Grundsätzlich sehen Gegner des Grundeinkommens die Gefahr, dass armutsgefährdete Bevölkerungsgruppen aufgrund des Wegfalls von Sozialleistungen doch am Ende weniger haben als beim Status Quo.

Mögliche negative Effekte

In dem Papier des DIW Berlin werden mit Rückgriff auf die vorhandene Forschungsliteratur gleichwohl auch mögliche negative Effekte beschrieben: zu denen es aber bisher wenig praktische Erfahrungen gibt. „Höhere Einkommensteuersätze belasten zusätzliche Einkommen durch Mehrarbeit stärker als bisher, zugleich führt ein Grundeinkommen wie hier vorgeschlagen per Saldo zu höheren Nettoeinkommen bis in die Mittelschichten. Insoweit werden Arbeitszeitreduktionen attraktiv“, heißt es in der Studie. Es steigen Anreize, auf Karriere zu verzichten und weniger gut bezahlte Tätigkeiten zu bevorzugen, die mehr Spaß bereiten, heißt es darüber hinaus: ohne, dass dies angesprochen wird, könnte das Nachteile für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes und das Fachkräfteangebot bedeuten.

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Ein weiteres Problem: Da sich Einkommen aus Arbeit auch für Gutverdiener oder im Zweifel Unternehmen weniger lohnen, die Abgabenlast für diese Personen zudem steigt, könnte es viele Unternehmen auch ins Ausland ziehen. Auch ein Boom der Schattenwirtschaft wäre zu befürchten, da es zusätzliche Anreize gebe, Steuern zu vermeiden.

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