In der Sozialversicherung klafft ein großes Finanzloch: sowohl in der Kranken-, Renten-, Pflege- als auch Arbeitslosenversicherung wird in den kommenden Jahren mit steigenden Beiträgen gerechnet. Die Sozialversicherungsbeiträge könnten schon 2025 bei 42,8 Prozent des beitragspflichtigen Einkommens liegen, warnt das Wissenschaftliche Institut der Privaten Krankenversicherung (WIP) anhand einer Studie. Gezahlt werden müssen sie von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Eine wichtige Ursache ist die Alterung der Gesellschaft: Nicht nur stehen künftig weniger sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mehr Rentnerinnen und Rentnern gegenüber, eine alternde Bevölkerung treibt unter anderem auch die Gesundheitskosten in die Höhe.

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In dieser Situation meldet sich Dennis Radtke zu Wort, CDU-Politiker, Europaabgeordneter und Vertreter des Arbeitnehmerflügels in der CDU. Radtke fordert ein Gegensteuern bei den steigenden Sozialbeiträgen: speziell für Menschen, die nicht so hohe Einkommen haben. „Nach Prognosen des ifo-Institutes wird die Inflation nicht vor 2027 unter 4,9 Prozent sinken. Gerade für kleinere und mittlere Einkommen ist das eine Katastrophe für den Geldbeutel: Galoppierende Energiepreise, Lebensmittel werden immer teurer, jeder Fünfte kann sich heute keinen Urlaub leisten“, sagte Radtke der „BILD“.

Den 44jährigen ärgert es, dass die Politik aktuell vor allem mit höheren Beiträgen auf die sich abzeichnenden Finanzierungsprobleme reagiert: speziell in der Kranken- und Pflegeversicherung. Staat und Politik hätten eine „soziale Verantwortung, wenn der Einkaufskorb nicht mehr voll wird, wenn immer mehr Monat am Ende des Geldes übrig bleibt“, positioniert sich Radtke gegenüber dem Blatt.

Radtke fordert stattdessen speziell für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen Entlastungen bei den Sozialversicherungs-Beiträgen. „Wir müssen die Finanzierung der Sozialversicherungen perspektivisch so verändern, dass gerade die, die Mindestlohn oder etwas darüber verdienen, mehr in der Tasche haben“, sagte er der „BILD“. Aus seiner Sicht tragen die hohen Sozialbeiträge dazu bei, dass viele Beschäftigte mit Mindestlohn kaum mehr in der Tasche haben als Bürgergeld-Empfänger. „Wo die Differenz zum Bürgergeld kaum spürbar ist, entsteht kein Anreiz für Leistung, Bildung, Aufstieg“, so Radtke.

Höhere Midijob-Grenze seit Jahresanfang

Tatsächlich hat aber auch die Bundesregierung bereits eine Reform umgesetzt, die Menschen mit niedrigen Einkommen bei den Sozialbeiträgen entlastet. So wurde die obere Einkommensgrenze für sogenannte Midijobs zum 1. Januar 2023 von 1.600 Euro pro Monat auf 2.000 Euro erhöht. Mehr als sechs Millionen Personen profitieren seitdem von reduzierten Beiträgen zur Sozialversicherung, berichtet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin. Gleichzeitig erhalten sie die vollen Rentenansprüche, obwohl sie geringere Beiträge zur Rentenversicherung zahlen.

“Trotz spürbarer Mindereinnahmen von etwa einer Milliarde Euro pro Jahr in der Rentenversicherung erhöhen sich die individuellen Alterseinkommen nur wenig. Die Midijob-Regelung unterstützt auch nicht zielsicher die Gruppen, die vor allem einem Altersarmutsrisiko ausgesetzt sind“, kritisiert das DIW zugleich.

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DIW-Chef Marcel Fratzscher hat bereits einen Vorschlag unterbreitet, wie Menschen mit kleineren Einkommen bei den Sozialbeiträgen bessergestellt werden können: Sofern man die Rentenversicherung hinzurechnet. Er fordert die Abkehr vom Äquivalenzprinzip in der Rentenversicherung: also stark vereinfacht vom Prinzip, dass hohe Einkommen auch höhere Rentenansprüche bewirken. Da gerade Menschen mit geringem Einkommen und schwerer körperlicher Tätigkeit im statistischen Schnitt eine geringere Lebenserwartung haben, sieht er im bestehenden System eine Umverteilung von unten nach oben.

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