Wenn über die gerechte Entlohnung von Männern und Frauen diskutiert wird, beziehen sich die Vergleiche häufig auf die gleiche Arbeitszeit. Im Jahr 2022 verdienten Frauen im Durchschnitt 18 Prozent weniger Bruttolohn pro Arbeitsstunde als Männer, wie Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen. Ein Phänomen, das als "Gender Pay Gap" bekannt ist.

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Dabei wird oft übersehen, dass sich die Erwerbsbiografien von Männern und Frauen nach wie vor grundlegend unterscheiden. Vereinfacht gesagt sind Frauen häufiger gezwungen, von Vollzeit auf Teilzeit zu wechseln, wenn Kinder geboren werden. Auch die Pflege von Angehörigen wird häufiger von Frauen übernommen: Zwei Drittel derjenigen, die pflegebedürftige Angehörige zu Hause betreuen, sind Frauen.

Mit dieser Problematik beschäftigte sich am 30. Juni das German Equal Pension Symposium in Stuttgart, auf das die Altersvorsorge-Expertin Cordula Vis-Paulus den Versicherungsboten aufmerksam machte. Die Ausgangsthese des Symposiums: Menschen, die familiäre und gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, sind überproportional häufig von Altersarmut bedroht, weil Sorgearbeit oft nicht angemessen oder gar nicht entlohnt wird. Und das betrifft häufig Frauen: Die gesetzliche Altersrente von Männern liegt mit 1.200 Euro um fast 50 Prozent höher als die von Frauen, die durchschnittlich 800 Euro Rente erhalten.

Frauen wechseln öfter in Teilzeit

In einem internen Diskussionspapier werden die Gründe stärker differenziert, weshalb gerade Frauen niedrigere Renten und Altersarmut fürchten müssen. Nach wie vor sind es Frauen, die ihre Arbeit nach der Geburt eines Kindes oder mehrerer Kinder stark einschränken, folglich in Teilzeit wechseln. Ist das jüngste Kind jünger als zwei Jahre, so sind 81 Prozent der Männer in einer Vollzeitbeschäftigung erwerbstätig, aber nur elf Prozent der Frauen. Bis das letzte Kind volljährig geworden ist, sind 53 Prozent der Mütter in Teilzeitjobs, aber nur fünf Prozent der Väter. Das zeigen Auswertungen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung.

Zwar bekommen Frauen 36 Monate Erziehungszeiten von der Rentenversicherung angerechnet (bei Kindern, die vor dem Jahr 1992 geboren wurden, 30 Monate), aber oft bezahlen sie die Teilzeitarbeit mit deutlichen Einbußen beim Einkommen und den erworbenen Rentenansprüchen, und das oft dauerhaft. „Nahezu unbemerkt vergrößert sich das Einkommensminus auf 80 Prozent und mehr durch einen Halbtags- oder Teilzeitjob“, heißt es hierzu im Diskussionspapier. Dies betreffe eine „nicht nur zahlenmäßig relevanten Bevölkerungsgruppe: Mütter (und Väter), die daheim die Care-Arbeit übernehmen“.

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Das Fazit des Debattenpapiers ist ernüchternd: Berufstätigkeit allein bedinge keine auskömmlichen Alterseinkünfte, speziell dann nicht, wenn man den Job für Kind und Pflege zeitweilig einschränken muss. „Lange Erwerbstätigkeit in Teilzeit, nicht erworbene Qualifizierung, Karriere, die nicht stattgefunden hat, sowie die schlechter bezahlte Arbeit in typischen Frauenberufen sind die Hauptursachen für geringe Renten von Caregebenden, aktuell sind das fast 90 % Frauen“, heißt es in dem Papier. 80 Prozent aller erwachsenen Frauen werden Mütter, von ihnen erwerben 69 Prozent entweder keine (16 Prozent) oder nur rudimentäre (53 Prozent) Rentenansprüche.

Wie können Frauen und Care-Arbeit besser unterstützt werden?

Während des Podiums wurden in einem geschlossenen Roundtable auch mögliche Lösungsansätze debattiert, um die finanziellen Perspektiven von Menschen in Carearbeit zu verbessern. Eine möglicher Ansatz wäre, Care-Arbeit in Form eines Familieneinkommens auch finanziell wertzuschätzen. Hier sollten Erziehende und Pflegende den Wert ihrer Carearbeit in Familien und Partnerschaften ansprechen - und eventuell einen Ausgleich vereinbaren.

Gerade Teilzeiterwerbstätige brauchen auch mehr private und betriebliche Altersvorsorge, um die noch gravierenderen Lücken in der gesetzlichen Rente auszugleichen. Das führt aber zu einem Paradoxon: Wer weniger verdient, soll mehr für seine zusätzliche Vorsorge investieren. Auch hier kann über gemeinsame Finanzierungsmöglichkeiten diskutiert werden. Eine wichtige Botschaft: „Frauen brauchen eine eigene Versorgung - auf ihren Namen!“, heißt es im Papier. Das zahle sich doppelt aus, da Frauen im Schnitt eine höhere Lebenserwartung haben und das Einkommen auch unabhängig vom Partner erhalten bleibe.

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Auch Arbeitgeber haben die Möglichkeit, Beschäftigten in Teilzeit und Carearbeit den Zugang zur Altersvorsorge zu erleichtern, so wird im Papier hervorgehoben. Zum Beispiel durch die Einführung arbeitgeberfinanzierter Modelle, die alle erreichen. Eine weitere Möglichkeit ist, die Arbeitgeberbeiträge zur betrieblichen Altersvorsorge unabhängig von der Gehaltshöhe zu zahlen. Aber zum Beispiel auch, indem sie die Förderung von Geringverdienern nach § 100 Einkommenssteuergesetz (EstG) oder steuerfreie Nachzahlungen für die Elternzeit nach dem Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) proaktiv anbieten.

Handlungsoptionen sehen auch auf Seiten der Versicherer und Vermittler. Eine wichtige Idee: Grundsätzlich sollten mehr Vermittlerinnen in der Branche tätig sein. Aber auch, dass Vermittlerinnen und Vermittler die Schwerpunkte anders setzen: Das Einkommen von Familien während der Carezeiten im Blick haben, dabei auch das wegfallende Einkommen aufgrund von Elternschaft ansprechen, zu schauen, wie die betriebliche Altersvorsorge weitergeführt werden kann, ohne dass Beiträge für diese Zeit freigestellt werden. Im anderen Fall drohen Vermögenseinbußen im fünfstelligen Bereich, da der Zinseszinseffekt nicht genutzt werden könne.

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Auch mit Blick auf die Politik formuliert das Papier Handlungsoptionen. Der Fokus sollte stärker auf frauenspezifische Hürden bei der Altersvorsorgung gelenkt werden, zum Beispiel, indem Elterngeld nicht gekürzt wird, wenn Eltern die Entgeltumwandlung nutzen. Der Hintergrund: Die steuer- und sozialversicherungsfreie Entgeltumwandlung mindert die Bemessungsgrundlage für das Elterngeld, denn die Beitragszahlungen eines Arbeitgebers bleiben hier unberücksichtigt. Alleinerziehende könnten steuerlich stärker entlastet werden, Projekte die stärkere Akzeptanz von „Männern in Elternzeit“ fördern. Grundsätzlich sind bessere Rahmenbedingungen gefordert, damit Mütter zeitiger in Halb- oder Vollzeit zurückkehren können, vor allem bessere Betreuungsangebote.

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