Den deutschen Industrie- und Handelskammern (IHKen) sollen in Zukunft noch mehr Aufsichtspflichten übernehmen müssen. Das gehe aus einem "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und anderer Gesetze" hervor, von dem aktuell Vertriebsexperte Matthias Beenken im Versicherungsmagazin berichtet. Angedeutet werde darin, dass die Vorgaben verspätet umgesetzt werden - auch auf Druck der Europäischen Kommission, denn die Europäische Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) hätte bereits seit 2018 voll gelten müssen.

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Datenaustausch über Pflichtverletzungen

Konkret geht es darum, dass der Versicherungsmarkt längst kein nationaler mehr ist - und entsprechend auch nur eingeschränkt national beaufsichtigt werden kann. Viele Versicherer und auch Vermittler sind mit ihren Töchtern in mehreren Ländern tätig und bieten ihre Tarife auch länderübergreifend an. Entsprechend sind auch Versicherungsvermittler und -berater nicht an einen Staat gebunden, wenn sie Policen vertreiben. Zudem lassen sich Versicherer gern mit ihrem Hauptsitz in Steueroasen nieder - wenn nicht in EU-Ländern, dann in solchen, die eng mit der EU zusammenarbeiten.

Nun soll die Gewerbeordnung um einen neuen Paragraphen 11d ergänzt werden, der die Zusammenarbeit der Behörden regelt. Vorgesehen ist, dass die IHKen als Erlaubnisbehörden eng mit der Europäischen Kommission und den Behörden anderer Länder zusammenarbeiten. Neben EU-Staaten betrifft das auch jene, mit denen die EU entsprechende Abkommen hat.

Unterhalten die vermittelnden Unternehmen entsprechende Niederlassungen in Deutschland, soll nun abgestimmt werden, wer die Aufsicht übernimmt. Und darüber hinaus kritische Informationen ausgetauscht werden, die eine Zulassung betreffen bzw. gefährden, etwa zu den geordneten Vermögensverhältnissen und anderen Anforderungen an die Vermittler-Tätigkeit. Das betrifft sowohl den Fall, dass ausländische Vermittler in Deutschland tätig werden - und umgedreht, dass deutsche Vermittler im Ausland tätig sind.

Die IHK soll nun ausländische Aufsichtsbehörden informieren, wenn ein ausländischer Vermittler gegen seine Pflichten verstößt - und kann selbst Maßnahmen ergreifen, wenn die ausländische Behörde nicht tätig wird. Das Ganze soll auch in umgekehrter Richtung gewährt sein, wenn deutsche Vermittler im Ausland tätig sind. Koordiniert werde der Austausch durch das Bundeswirtschaftsministerium und das vom Industrie- und Handelskammertag überwachte Vermittlerregister. Die verhängten Sanktionen müssen dann der europäischen Aufsichtsbehörde EIOPA gemeldet werden: das betrifft unter anderem die Frage, welche Sanktionen verhängt wurden und ob Rechtsmittel eingelegt wurden - auch, mit welchem Ergebnis.

Vermittleraufsicht regional orientiert - und Register aktuell offline

Ob durch das neue Gesetz Probleme auf die Industrie- und Handelskammern zukommen, darf zumindest gefragt werden. Denn die Vermittleraufsicht ist in Deutschland stark regional orientiert. 79 Industrie- und Handelskammern gibt es derzeit bundesweit. Ein Grund, weshalb ihnen die Aufsicht über Vermittlerinnen und Vermittler übertragen wurde: Sie kennen die Gegebenheiten vor Ort und können entsprechend handeln.

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Das Vermittlerregister ist übrigens seit dem 10. August 2022 nicht abrufbar: obwohl es Verbraucherinnen und Verbraucher die Gelegenheit bieten soll, sich über die Vermittelnden zu informieren (Stand 2. September). Auf der Webseite des Deutschen Industrie- und Handelskammertages heißt es hierzu: "Aufgrund des aktuellen IT-Vorfalls in der IHK-Organisation ist das Register aktuell nicht erreichbar. Wenn Sie Fragen zum Vermittlerregister haben, wenden Sie sich bitte an die zuständige Industrie- und Handelskammer." Zu möglichen Rechtsfolgen hat der Versicherungsbote aktuell angefragt.

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