Mehr Nachhaltigkeit in der Finanzberatung - das will die Europäische Union (EU) erzwingen und hat eine entsprechende Novelle verabschiedet. Bei bestimmten Altersvorsorge- und Versicherungsanlageprodukten müssen Banken und Finanzdienstleister ab dem 2. August auch abfragen, welche Präferenzen der Kunde bezüglich der Dimensionen Ökologie, Soziales und Governance (ESG) hat. Finanzanlagenvermittler nach Paragraph 34f sind zwar vorerst von der Pflicht ausgenommen, wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) dem VOTUM-Verband kommuniziert hat. Es ist aber damit zu rechnen, dass der Gesetzgeber hier nachbessert.

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Entsprechend hat nun auch der Deutsche Institut für Normierung (DIN) nachgelegt und die bestehende DIN-Norm 77230 „Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte“ um ein ESG-Modul ergänzt. Es soll einen Leitfaden liefern, wie in der Anlageberatung auch die Präferenzen der Kundinnen und Kunden abgefragt werden können. Am 13. Juli hat der entsprechende Ausschuss das Modul verabschiedet, nachdem es monatelang von Branchenvertretern und Verbraucherschutz debattiert worden war, so berichtet aktuell der Branchendienst „Versicherungsmonitor“.

In sieben Schritten können nun die Vermittler abfragen, was den Kunden wichtig ist. Wie auch bei anderen DIN-Normen wird dabei von allgemeinen Fragen -ob er überhaupt Wert auf das Thema Nachhaltigkeit legt- zu konkreteren Fragestellungen hin vertieft. So können die Verbraucher etwa auch Gewichten, auf welche Kriterien sie besonderen Wert legen: etwa, ob sie auf Kreislaufwirtschaft Wert legen oder auf Menschenrechte und Arbeitsbedingungen. Der entsprechende Fragebogen dient zugleich zur Dokumentation der Abfrage.

Beratungspraxis war „aufgrund Komplexität kaum umsetzbar“

“Das „ESG-Modul“ soll Verbrauchern und Verbraucherinnen Schutz vor manipulativer Abfrage gewähren und ihnen ermöglichen, sich weitgehend unbeeinflusst über ihre Nachhaltigkeitspräferenzen klarzuwerden“, schreibt das DEFINO-Institut für Finanznorm in einem Pressetext. Ein klar strukturierter, verständlicher Abfrageprozess sei nötig geworden, „weil die EU-Gesetzesvorlage in der Beratungspraxis durch die einzelnen Finanzdienstleister aufgrund ihrer Komplexität kaum umzusetzen war“, positioniert sich DEFINO. Hier schwingt auch Kritik am Gesetzgeber mit. Wiederholt hatten Branchenverbände kritisiert, dass es an verbindlichen Richtlinien fehle, was überhaupt als nachhaltig gelte - und was nicht.

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Wie die Versicherer Nachhaltigkeitskriterien umsetzen, hat das Analysehaus Franke & Bornberg jüngst in seinem ESG Report 2022 untersucht. Dabei verfolgen die Versicherer verschiedene Strategien. Am weitesten verbreitet bei der Geldanlage sind Ausschlusskriterien: es werden Staaten, Branchen und/oder Unternehmen definiert, in die nicht investiert werden darf. Die häufigsten Ausschlüsse mit Blick auf Staaten sind zum Beispiel Korruption, Verstöße gegen die Pressefreiheit, Nicht-Ratifizierung des Klima-Übereinkommens von Paris sowie die Verhängung der Todesstrafe. Bei Ausschlüssen für Unternehmen sind Waffen und Kohle „klare Favoriten“. Darüber hinaus setzen Anbieter Produkte auf, die bewusst in ökologische Projekte investieren, etwa erneuerbare Energien.

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