Die Mittelschicht prägt maßgeblich die gesamtwirtschaftliche Vermögensbildung in Deutschland. Beim Sparverhalten spielen soziale Milieus eine wesentliche Rolle, wie nun eine Studie des Handelsblatt Research Institutes im Auftrag von Union Investment zeigt. Studienleiter Professor Dr. Bert Rürup sagt: „Wir zeigen, dass die Wertvorstellungen und das Lebensbild der Menschen, also das soziale Milieu, in dem sie leben, einen ganz erheblichen Einfluss auf ihr Sparverhalten haben."

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Die Mittelschicht prägt maßgeblich die gesamtwirtschaftliche Vermögensbildung der Bundesbürger. Die Studie wirft ein neues Licht auf das Sparverhalten der Gruppen von Milieus. Über den breiten Trend hinaus, dass angesichts des Niedrigzinsumfeldes Geld lieber in kurzfristigen Anlageformen geparkt wird, weist sie bei unterschiedlichen Haushaltstypen dominante Wünsche und Bedürfnisse nach. Diese zu befriedigen, ist ein wichtiges Ziel des Sparens. Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender von Union Investment: „Die Studie zeigt, dass die Menschen unverändert Wünsche haben, die sie sich nur erfüllen können, wenn sie dafür sparen. Denn einen Großteil dieser Wünsche zahlt man nicht vom Haushaltsgeld.“

Unterdurchschnittliche Entwicklung des deutschen Geldvermögens im Vergleich zu USA oder Frankreich

Anlass für die Studie war die Frage, weshalb sich das Geldvermögen der Deutschen im Vergleich zu dem anderer großer Volkswirtschaften wie den USA und Frankreich so unterdurchschnittlich entwickelt. Demgegenüber sind Einkommen und Sparquote in Deutschland relativ hoch. Zur Beantwortung der Frage flossen erstmals die Mikrodaten aus den jährlichen Haushalts-Befragungswellen des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) sowie Ergebnisse der Sinus Markt- und Sozialforschung mit in die Studie ein.

Sinus teilt die Bevölkerung in Milieus von Gleichgesinnten, das sind Menschen mit ähnlichen Lebensstilen und -zielen. In der Studie beschränkte man sich bewusst auf eine Analyse der Mittelschicht, da diese rund 60 Prozent aller Haushalte umfasst. Zur Mittelschicht gehören alle Haushalte in Deutschland mit einem verfügbaren Nettoeinkommen zwischen 70 und 150 Prozent des mittleren Einkommens. Für die Studie wurden fünf Milieus gebildet. Diese sind die:

  • Sicherheit liebende Nachkriegsgeneration der Traditionellen
  • die stark wertgetriebenen Sozial-Ökologischen
  • die klassische bürgerliche Mitte
  • die leistungsbereiten Adaptiv-pragmatischen und die
  • konventionsverweigernden Hedonisten.

Die Studie offenbarte ein differenziertes Sparverhalten in diesen Gruppen (siehe Graphik). Haushalte, die verschiedenen Milieus angehören, zeigen beim Sparen und bei der Wahl der Anlageformen unterschiedliche Verhaltensweisen, selbst wenn das Einkommen relativ gleich ist. So ist nicht nur die Einkommenshöhe ausschlaggebend für das Sparverhalten, wie bisher angenommen. Das Bildungsniveau ist für die Wahl der Anlageformen ebenfalls weniger wichtig. Haushalte mit gleichem Bildungsstand haben hinsichtlich ihrer Sparmotive, -verhalten und -formen ganz unterschiedliche Wünsche. Bezüglich des Lebensalters agieren die Befragten in den unterschiedlichen Milieus allerdings weitgehend gleich. So lassen die Sparanstrengungen der gesamten Mittelschicht im Alter kaum nach, das Vererbungsmotiv gewinnt jedoch an Bedeutung.

Für die spezifischen Wünsche und Bedürfnisse der Anlegen sind neue Lösungen gefragt

Die Studie zeigt laut Rürup deutlich, „...dass in vielen Haushalten Anspruch und Wirklichkeit bei der Vermögensbildung auseinanderklaffen“. So interessieren sich gerade jüngere Haushalte stärker für Wertpapiere wie Aktien als die konservativen, in einem traditionellen Milieu verhafteten Haushalte. Aber trotzdem investieren die Jüngeren nicht mehr." Für Reinke besonders erfreulich sind die Gruppen der Adaptiv-pragmatischen und der Hedonisten. Die beiden jüngeren Milieus gewinnen zunehmend an Einfluss. „Beide entwickeln sich zu Milieus mit Vorbildcharakter für heranwachsende Generationen. Hier wird das Sparverhalten der Zukunft geprägt“. Dennoch sei es wichtig, den Anlegern Brücken hin zu ertragreicheren Anlagen zu bauen. Dafür sei eine Vielzahl von Sparprodukten notwendig. „Sparen bleibt auch in Zukunft ein wichtiger Beitrag zur Wohlstandssicherung“, betont Reinke.

Fünf Spartypen im Kurzüberblick

  • Traditionelle (15,3 Prozent der Deutschen): Diese Haushalte sind wirtschaftlich gut versorgt. Die meist konservativen Anleger bevorzugen sichere und liquide Geldanlagen wie Sparbücher, -konten und -briefe sowie festverzinsliche Wertpapiere.

  • Bürgerliche Mitte (14 Prozent der Deutschen): Bürgerliche zeichnen sich durch ein regelmäßiges Sparverhalten aus. In dieser Gruppe gibt es überdurchschnittlich viele Kapitallebensversicherungen und Bausparverträge. Daneben sind fast alle Sparformen verbreitet.

  • Sozialökologische Mitte (7,2 Prozent der Deutschen): In diesem Millieu befinden sich viele Akademiker und Beamte. Zur breiten Vorsorge gesellt sich überdurchschnittlich viel Immobilienbesitz. Auch Fondsanlagen weisen einen hohen Anteil auf.

  • Adaptiv-pragmatische (8,9 Prozent der Deutschen): Hier sowie bei den Hedonisten finden sich die jungen Milieus der Mittelschicht wieder. Den Adaptiv-pragmatischen sind optimierte Kapitalanlagen wichtig. Dazu kommt ein großes Interesse an Investmentfonds sowie an Immobilienbesitz als Form der Altersvorsorge.

  • Hedonistische Mitte (15,1 Prozent der Deutschen): Eine risikofreudigere Anlageneigung sowie das Interesse an Börsendaten sind typisch für diese Anlegergruppe. Sie sind, gemeinsam mit den Adaptiv-pragmatischen die Aktiensparer von morgen.

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