Dürfen sich Versicherungsmakler als unabhängig darstellen oder nicht? Diese Frage musste das Oberlandesgericht in Dresden klären. In diesem Fall hat erneut der Versicherungsmakler das Nachsehen.
Zunächst hatte das Landgericht Leipzig am 4. Dezember 2024 die Klage Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) abgewiesen (Az. 05 O 1092/24). Die Verbraucherschützer hatten gegen einen Versicherungsmakler aus Leipzig geklagt. Das Gericht stellte fest, dass die Vorwürfe gegen das Unternehmen nicht ausreichend begründet waren, um ein wettbewerbsrechtliches Verbot auszusprechen.
Das Verfahren drehte sich um vermeintlich irreführende Werbeaussagen des Versicherungsmaklers. Unter anderem warb dieser mit seiner Unabhängigkeit. Doch die Provisionsberatung ist den Verbraucherzentralen ein Dorn im Auge: Sie sehen Fehlanreize, dass Vermittler ungeeignete Policen anbieten, weil sie auf die besonders hohe Provision oder Courtage eines Anbieters schielen. Zudem hatte das Unternehmen auf seiner Website behauptet, die Verbraucherzentrale Sachsen am Standort Chemnitz, empfehle Kunden für Versicherungsberatungen an sie weiter. Diese Aussage sei nicht belegbar und möglicherweise irreführend. Schließlich ging es um die Werbung mit einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, die laut vzbv nicht als besonderes Qualitätsmerkmal hervorgehoben werden dürfe.
Das Gericht folgte diesen Argumenten nicht und entschied, dass die Klage unbegründet sei. Die Bezeichnung als unabhängiger Versicherungsmakler sei nicht irreführend, da Versicherungsmakler nach deutschem Recht als unabhängig gelten, solange sie nicht an einzelne Versicherer gebunden sind. Dass Makler durch Provisionen vergütet werden, ändere nichts an dieser rechtlichen Einordnung.
"Der Umstand, dass der Versicherungsmakler ein allgemeines Interesse am Erhalt von Provisionen habe, begründe gemeinhin keine Abhängigkeit, sondern ergebe sich aus dessen werbenden Tätigkeit an sich. Die Provisionseinnahmen des Versicherungsmaklers seien ohnehin über den gesamten Markt verstreut und beruhen keinesfalls auf einer einseitigen Beteiligung eines Versicherers.", erklärte Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke auf der Homepage der Kanzlei.
OLG Dresden untersagt „Unabhängig“-Werbung von Versicherungsmaklern
Kurz nach der Urteilsverkündung hatte die Verbraucherzentrale Bundesverbandes Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig eingelegt. Einhergehend damit wurde der Fall an die nächste Instanz übergeben. Und: Die Richter am Oberlandesgericht Dresden (Az. 14 U 1740/24) haben entschieden, dass Versicherungsmakler in ihrer Werbung nicht mit dem Begriff „unabhängig“ auftreten dürfen, sofern sie von Versicherungsunternehmen eine Courtage erhalten. Die Richter stuften derartige Werbeaussage als irreführend und damit wettbewerbswidrig ein.
Die Richter argumentierten, dass Verbraucher unter dem Begriff „unabhängig“ verstehen würden, dass keinerlei wirtschaftliche Verbindung zu Produktgebern bestünde. Da Makler jedoch in der Regel über Courtagen vergütet würden, sei die Aussage unzutreffend. Zudem verwische sie die gesetzliche Abgrenzung zum Versicherungsberater, der nach § 34d Abs. 2 GewO und gemäß IDD keine Vergütungen von Versicherern annehmen darf. Ein solcher Eindruck sei unlauter, selbst wenn die tatsächliche Beratungstätigkeit des Maklers vollständig an den Interessen der Kundinnen und Kunden ausgerichtet sei.
„Versicherungsmaklerinnen und -makler sind gesetzlich als treuhänderische Sachwalter ihrer Kunden anerkannt – sowohl nach § 59 Abs. 3 VVG als auch in der Systematik der IDD. Die Behauptung, sie seien durch eine marktübliche Courtage wirtschaftlich abhängig, ist mit dieser Stellung nicht vereinbar“, erläutert Rechtsanwalt Tobias Strübing von Wirth Rechtsanwälte. Die Gleichsetzung mit Versicherungsberatern verkenne grundlegende Unterschiede im Berufsbild und in der Regulierung.
Die Entscheidung des OLG Dresden reiht sich damit in eine Serie ähnlich gelagerter Urteile ein. So hatte es zuletzt unter anderem vom OLG München (2020), dem OLG Köln (2024) und dem LG Köln (2025) ähnliche Entscheidungen gegeben. In der Summe führe diese Rechtsprechung dazu, dass Versicherungsmakler ihre Kommunikation grundlegend überdenken müssten: Der Begriff „unabhängig“ kann wettbewerbsrechtlich riskant sein. Auch, wenn Makler selbst im Kontext freier Anbieterwahl und ohne vertragliche Bindung an Versicherer agierten. Auch spätere Hinweise auf Vergütungsmodelle oder gesetzliche Klarstellungen im Erstgespräch reichten nach Auffassung des Gerichts nicht aus, um den irreführenden Eindruck aus der Werbung zu beseitigen.
Makler sollten nun bestehende Werbemaßnahmen überprüfen und auf die pauschale Verwendung des Begriffs „unabhängig“ verzichten, rät die Anwaltskanzlei Wirth. Rechtlich sicherer ist es, die besondere Stellung der Maklerschaft als treuhänderische Interessenvertretung ihrer Kunden sowie die freie Auswahl unter zahlreichen Produktgebern hervorzuheben – ohne dabei den Begriff zu verwenden, den Gerichte nun zunehmend kritisch sehen.
„Zwar ist Verbraucherschutz wichtig, jedoch wird das Urteil in Vermittlerkreisen auch kritisch gesehen“, erläutert Strübing. „Viele Makler verstehen unter ,unabhängig‘ vor allem die freie Anbieterwahl ohne Bindung an einen Versicherer. Dass schon die übliche Courtage den Begriff unzulässig macht, halten viele für überzogen. Dennoch sollten Vermittler dieses Wort nun sicherheitshalber aus ihrer Werbung streichen, um Abmahnungen zu vermeiden.“