PKV-Sozialtarife: Versicherer mit der höchsten Belastung

Quelle: DALL-E

Die Zahl der Versicherten in Standard-, Basis- und Notlagentarif ist im Jahr 2024 erneut gestiegen. Versicherungsbote zeigt, welche privaten Krankenversicherer – gemessen am Vollversichertenbestand – die höchsten Sozialtarif-Quoten aufweisen.

In der privaten Krankenversicherung zeigt sich 2024 ein bemerkenswerter Trend: Während der Bestand der Vollversicherten mit einem Zuwachs von nur 0,34 Prozent praktisch stagnierte, ist die Zahl der Personen in den Sozialtarifen erneut gestiegen. Laut Zeitschrift für Versicherungswesen (ZfV) waren zum Jahresende rund 135.000 Menschen in den brancheneinheitlichen Sozialtarifen – dem Standard-, Basis- und Notlagentarif – versichert. Das entspricht einem Anstieg um insgesamt rund zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Im Einzelnen wuchs der Standardtarif um 2,6 Prozent auf 52.274 Versicherte, der Basistarif um 1,2 Prozent auf 33.411 Personen. Besonders deutlich fiel der Zuwachs im Notlagentarif aus: Hier stieg der Bestand um 3,3 Prozent auf 50.460 Versicherte. Da acht Krankenversicherer – darunter größere Gesellschaften wie Axa und die Bayerische Beamtenkrankenkasse – keine Daten für den Notlagentarif meldeten, dürfte die tatsächliche Zahl noch höher liegen.

Sozialtarife als Seismograf der Wirtschaftslage

Die Entwicklung gilt in der Branche als Warnsignal. Denn die wachsende Zahl der Sozialtarif-Versicherten steht für eine zunehmende wirtschaftliche Belastung innerhalb des Systems. Wer etwa als Selbstständiger oder Freiberufler in finanzielle Schwierigkeiten gerät, kann seine Beiträge im bisherigen Tarif oft nicht mehr aufbringen und wechselt in den Basistarif oder vorübergehend in den Notlagentarif. Ein Rückweg in die gesetzliche Krankenversicherung ist für viele – etwa ältere oder selbstständige Versicherte – rechtlich kaum möglich. Die Sozialtarife übernehmen daher eine Auffangfunktion innerhalb der PKV, vergleichbar mit einem Sicherheitsnetz, das zwischen Beitragsdruck und Versicherungspflicht gespannt ist.

Auf Basis der aktuellen ZfV-Daten und der veröffentlichten Vollversichertenbestände hat der Versicherungsbote die Sozialtarif-Quoten aller privaten Krankenversicherer berechnet – sofern sie vorlagen. Sie zeigen, welche Unternehmen im Verhältnis zu ihrem Vollversichertenbestand den höchsten Anteil an Versicherten in den Sozialtarifen aufweisen. Im Folgenden werden die drei Tarifarten – Standard-, Basis- und Notlagentarif – zunächst erläutert und anschließend die Versicherer vorgestellt, bei denen die prozentuale Belastung besonders hoch ist.

Standardtarif: Die höchsten Quoten

Der Standardtarif wurde 1994 als brancheneinheitlicher Sozialtarif eingeführt. Er richtet sich an ältere Versicherte, die bereits lange privat vollversichert sind und deren Einkommen unterhalb der Versicherungspflichtgrenze liegt. In diesen Fällen bietet er eine abgespeckte, aber bezahlbare Absicherung: Die Leistungen orientieren sich am Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), und der Beitrag ist gesetzlich gedeckelt – 2025 auf maximal 804,82 Euro im Monat.

Ein Wechsel in den Standardtarif ist nur möglich, wenn der Vollversicherungsvertrag vor dem 1. Januar 2009 abgeschlossen wurde. Danach eingestiegene Kunden können ihn nicht mehr nutzen. Anspruchsberechtigt sind Versicherte ab 65 Jahren mit mindestens zehn Jahren PKV-Mitgliedschaft, ab 55 Jahren mit Einkommen unter der Versicherungspflichtgrenze oder Personen, die aufgrund von Erwerbsunfähigkeit bereits eine Rente oder Pension beziehen. Familienangehörige können mitversichert werden, wenn sie in der GKV familienversichert wären.

Die in früheren Tarifen gebildeten Alterungsrückstellungen werden vollständig angerechnet, wodurch die Beiträge stabiler bleiben als in vergleichbaren Neuabschlüssen. Eine erneute Gesundheitsprüfung ist nicht erforderlich.

Beitragsanpassung 2025: Deutlicher Sprung nach Jahren der Stabilität

Zum 1. Juli 2025 steigen die Beiträge im Standardtarif deutlich – im Schnitt um 25 Prozent. Der Durchschnittsbeitrag klettert damit von rund 400 auf 500 Euro im Monat. Es ist bereits die zweite Anpassung in Folge, nachdem die Prämien im Jahr 2024 um rund 9 Prozent erhöht worden waren.

Hintergrund sind stark gestiegene Leistungsausgaben in der gesamten privaten Krankenversicherung: Die Kosten für Krankenhausbehandlungen, Medikamente und Pflegeleistungen legten 2023 zweistellig zu. Beitragserhöhungen im Standardtarif dürfen laut Krankenversicherungsaufsichtsverordnung (KVAV) erst erfolgen, wenn sich die Leistungsausgaben oder die Lebenserwartung um mindestens fünf Prozent verändern – dann aber fällt der Sprung meist deutlich aus (Versicherungsbote berichtete).

Die höchsten Quoten im Standardtarif

Gemessen am Bestand der Vollversicherten zeigt sich ein deutliches Gefälle zwischen den Gesellschaften. Besonders hohe Quoten im Standardtarif verzeichnen vor allem Anbieter mit einem traditionell älteren oder einkommensschwächeren Kundenprofil. Die Auswertung der Daten für 2024 zeigt die zehn Unternehmen mit dem höchsten Anteil ihrer Vollversicherten im Standardtarif:

  • DKV: 15.477 ÷ 666.346 = 0,02323 → 2,32 Prozent
  • Gothaer: 2.653 ÷ 117.520 = 0,02257 → 2,26 Prozent
  • Allianz: 9.331 ÷ 554.166 = 0,01684 → 1,68 Prozent
  • Inter: 2.212 ÷ 145.326 = 0,01522 → 1,52 Prozent
  • Münchener Verein: 889 ÷ 62.959 = 0,01412 → 1,41 Prozent
  • UKV: 1.085 ÷ 84.741 = 0,01280 → 1,28 Prozent
  • Generali: 3.015 ÷ 287.198 = 0,01050 → 1,05 Prozent
  • Bayerische Beamten: 2.990 ÷ 288.247 = 0,01037 → 1,04 Prozent
  • Signal Iduna: 4.613 ÷ 621.337 = 0,00742 → 0,74 Prozent
  • Alte Oldenburger: 291 ÷ 54.322 = 0,00536 → 0,54 Prozent

Basistarif: Die höchsten Quoten

Der Basistarif wurde zum 1. Januar 2009 eingeführt – als Reaktion auf die allgemeine Krankenversicherungspflicht und als soziale Auffanglösung für Personen, die der privaten Krankenversicherung (PKV) zugeordnet sind, aber keine bezahlbare Vollversicherung mehr finden. Ziel war es, auch bei Krankheit oder Einkommensverlust einen Mindestschutz sicherzustellen.

Im Gegensatz zu herkömmlichen PKV-Tarifen ist der Basistarif gesetzlich definiert: Leistungsumfang, Selbstbehalte und Beitragshöhe sind in der Krankenversicherungsaufsichtsverordnung (KVAV) geregelt. Die Leistungen orientieren sich eng an der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), Risikozuschläge oder Leistungsausschlüsse sind unzulässig. Damit soll der Tarif einen „Versicherungsschutz für alle“ garantieren – unabhängig von Gesundheitszustand oder Einkommen.

Der Beitrag ist auf den Höchstbeitrag der GKV zuzüglich des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes begrenzt, was im Jahr 2025 maximal 942,64 Euro im Monat entspricht. Bei nachgewiesener Hilfebedürftigkeit im Sinne des Sozialrechts wird der Beitrag halbiert – auf 471,32 Euro monatlich. Kann der Versicherte auch den halbierten Beitrag nicht aufbringen, kann der zuständige Sozialhilfeträger diesen auf Antrag ganz oder teilweise übernehmen.

Der Basistarif kann von Personen gewählt werden, die entweder schon privat versichert waren, aber in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, oder von Menschen ohne Versicherungsschutz, die der PKV zugeordnet werden (etwa ehemals Selbstständige oder Beamte). Ein Wechsel aus einem bestehenden Tarif in den Basistarif ist möglich, wenn der Versicherte seinen Beitrag nicht mehr zahlen kann – häufig nach Verlust der Erwerbstätigkeit oder längerer Krankheit. Der Versicherer ist gesetzlich verpflichtet, diesen Wechsel zu ermöglichen.

Die höchsten Quoten im Basistarif

Gemessen am Bestand der Vollversicherten zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Gesellschaften. Überdurchschnittlich hohe Quoten im Basistarif finden sich vor allem bei Versicherern mit älterer oder einkommensschwächerer Kundschaft – oder bei Unternehmen mit sehr kleinem Bestand, wo schon wenige Fälle die Quote stark verändern. Die Top 10:

  • DEVK: 60 ÷ 1.544 = 0,03887 → 3,89 Prozent
  • Münchener Verein: 829 ÷ 62.959 = 0,01317 → 1,32 Prozent
  • Generali: 3.166 ÷ 287.198 = 0,01102 → 1,10 Prozent
  • Gothaer: 1.170 ÷ 117.520 = 0,00996 → 1,00 Prozent
  • DKV: 4.704 ÷ 666.346 = 0,00706 → 0,71 Prozent
  • Nürnberger: 255 ÷ 38.203 = 0,00667 → 0,67 Prozent
  • UKV: 503 ÷ 84.741 = 0,00593 → 0,59 Prozent
  • Inter: 816 ÷ 145.326 = 0,00561 → 0,56 Prozent
  • Allianz: 3.083 ÷ 554.166 = 0,00556 → 0,56 Prozent
  • Signal Iduna: 3.449 ÷ 621.337 = 0,00555 → 0,56 Prozent

Der Notlagentarif: Letzte Absicherung bei Beitragsrückstand

Der Notlagentarif ist kein regulärer Tarif im Sinne der privaten Krankenversicherung, sondern eine gesetzlich vorgeschriebene Minimalabsicherung für Versicherte, deren Vertrag wegen Zahlungsrückständen ruht (§ 193 Abs. 6 VVG). Er greift automatisch, wenn Beiträge trotz Mahnungen nicht mehr gezahlt werden. Der ursprüngliche Vertrag bleibt zwar bestehen, wird aber faktisch „eingefroren“, bis alle Rückstände beglichen sind.

Anders als der Basistarif, der einkommensschwachen Versicherten einen regulären Schutz bietet, erfüllt der Notlagentarif eine reine Schutzfunktion des Existenzminimums. Er soll verhindern, dass säumige Versicherte völlig ohne Absicherung bleiben. Die Leistungen beschränken sich auf das Notwendigste – Behandlung akuter Erkrankungen, Schmerzzustände, Schwangerschaft und Mutterschaft, Palliativversorgung sowie Impfungen bei Kindern. Keine Leistungen gibt es etwa für Vorsorgeuntersuchungen, Zahnersatz oder Reha.

Wann der Notlagentarif greift – und was dann passiert

In der Praxis ist der Weg dorthin klar geregelt – mit kurzen Fristen. Gerät der Versicherungsnehmer mit mindestens zwei Monatsprämien in Rückstand, mahnt der Versicherer erstmals; pro angefangenen Rückstandsmonat fällt ein Säumniszuschlag von einem Prozent an. Bleibt der Rückstand (inklusive Zuschläge) zwei Monate nach Zugang der ersten Mahnung höher als eine Monatsprämie, folgt die zweite Mahnung mit Hinweis auf das Ruhen. Ist der Rückstand einen Monat nach Zugang der zweiten Mahnung weiterhin höher als eine Monatsprämie, ruht der Vertrag ab dem ersten Tag des Folgemonats – der Notlagentarif greift.

Für die Betroffenen bedeutet das meist einen drastischen Einschnitt: Sie bleiben zwar formal krankenversichert, aber nur noch auf Sparflamme. Der Versicherungsschutz reduziert sich auf die reine Notversorgung; individuelle Vertragsbedingungen wie Selbstbehalte, Risikozuschläge oder Zusatzpolicen verlieren während dieser Zeit ihre Wirkung. Mit der vollständigen Zahlung der Rückstände tritt der ursprüngliche Vertrag automatisch wieder in Kraft.

Eine Ausnahme bleibt: Wer nachweislich hilfebedürftig im Sinne des Sozialrechts (SGB II oder XII) ist, darf gar nicht erst in den Notlagentarif abrutschen. In solchen Fällen springt der Sozialhilfeträger ein und übernimmt die Beiträge ganz oder teilweise – damit der volle Versicherungsschutz erhalten bleibt.

Steigende Zahlen – ein Warnsignal für die Branche

Dass die Zahl der Versicherten im Notlagentarif 2024 erneut gestiegen ist, gilt in der Branche als Warnsignal. Denn sie zeigt, dass immer mehr Privatversicherte ihre Beiträge zeitweise nicht mehr aufbringen können – ein Hinweis auf finanzielle Engpässe, insbesondere bei Selbstständigen und Kleinunternehmern. Anders als beim Basistarif, in den man bewusst wechseln kann, markiert der Notlagentarif den unfreiwilligen Verlust des regulären Versicherungsschutzes.

Steigende Notlagentarif-Bestände belasten nicht nur das Image der privaten Krankenversicherung, sie werfen auch Fragen nach sozialer Balance und Vertriebspraxis auf. Denn je nach Struktur der Kundschaft oder nach Art der abgeschlossenen Tarife kann das Risiko von Zahlungsausfällen stark variieren. Besonders bei kleineren Anbietern mit begrenztem Bestand wirken schon wenige säumige Verträge statistisch überproportional – was die Unterschiede zwischen den Gesellschaften zusätzlich vergrößert.

Die höchsten Quoten im Notlagentarif

Gemessen am Bestand der Vollversicherten zeigt sich, dass der Notlagentarif in der Regel nur eine kleine Gruppe betrifft. Die Quoten liegen bei den meisten Versicherern unter einem Prozent. Auffällig sind jedoch einzelne Anbieter mit überdurchschnittlich hohen Anteilen – oft bedingt durch kleine Bestände oder strukturelle Kundengruppen mit erhöhter Zahlungsausfallquote.

Die Auswertung der Daten für 2024 zeigt diese zehn Unternehmen mit dem höchsten Anteil ihrer Vollversicherten im Notlagentarif:

  • Mecklenburgische: 150 ÷ 3.095 = 0,04849 → 4,85 Prozent
  • Nürnberger: 992 ÷ 38.203 = 0,02597 → 2,60 Prozent
  • Generali: 5.599 ÷ 287.198 = 0,01949 → 1,95 Prozent
  • R+V: 1.063 ÷ 72.525 = 0,01465 → 1,47 Prozent
  • DKV: 9.480 ÷ 666.346 = 0,01423 → 1,42 Prozent
  • Münchener Verein: 879 ÷ 62.959 = 0,01396 → 1,40 Prozent
  • Provinzial: 190 ÷ 15.306 = 0,01241 → 1,24 Prozent
  • Allianz: 6.664 ÷ 554.166 = 0,01202 → 1,20 Prozent
  • Signal Iduna: 6.984 ÷ 621.337 = 0,01124 → 1,12 Prozent
  • DEVK: 16 ÷ 1.544 = 0,01037 → 1,04 Prozent

Daten für den Notlagentarif nicht vollständig

In absoluten Zahlen betrifft der Notlagentarif in der Branche jedoch nur einen Bruchteil der Versicherten – ein Indikator dafür, dass die meisten PKV-Kunden ihre Verträge stabil bedienen können. Allerdings ist die Datenlage nicht vollständig. Acht Gesellschaften – Axa, Bayerische Beamten, Continentale, HanseMerkur, Gothaer, UKV, Landeskrankenhilfe und Arag – haben keine Werte zum Notlagentarif veröffentlicht. Damit bleibt unklar, wie hoch die tatsächliche Zahl der Betroffenen im Markt insgesamt ist.

Hintergrund: Die zugrunde liegenden Kennzahlen stammen aus der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift für Versicherungswesen (ZfV). Dort finden sich neben den Angaben zu den Sozialtarifen auch weitere Kennzahlen zur privaten Krankenversicherung – etwa zur Beitragsentwicklung, zu den Leistungsaufwendungen und zu Bestandsveränderungen in der Voll-, Zusatz- und Pflegeversicherung. Die vollständige Analyse ist in der ZfV, Heft 10/2025, erschienen und über die Webseite des Fachverlags kostenpflichtig abrufbar.