Allianz-Mitarbeiter stellen Konzernspitze schlechtes Zeugnis aus

Quelle: Free-Photos@Pixabay.com

Der wichtigste Grund für die Unzufriedenheit dürfte aber darin liegen, dass Oliver Bäte die Digitalisierung der Allianz schnell und kompromisslos vorantreibt. Ein Milliarden-Projekt: allein das globale Digital-Programm „Single Digital Agenda“ soll 700 Millionen Euro kosten. Der Manager verwandelt den Konzern in einen High-Tech-Versicherer (der Versicherungsbote berichtete).

Unter anderem zielt das ehrgeizige Programm darauf, neue Möglichkeiten der Kundenansprache zu entwickeln, um Produkte weltweit online anbieten zu können. Versicherungs- und Assistance-Angebote sollen vollständig digital nutzbar sein. Dafür kooperiert die Allianz verstärkt mit Partnern wie AirBNB oder Autoherstellern, um Versicherungen verkaufen zu können.

Auch im Innendienst werden vermehrt Jobs digitalisiert und von intelligenter Software übernommen, wo früher noch Menschen aus Fleisch und Blut saßen. Aus Sicht von Oliver Bäte ist diese Strategie überlebensnotwendig für die Münchener, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. So klagte er unter anderem in einem FAZ-Interview, Deutschland habe keine digitale Agenda und verspiele so seine Zukunftsfähigkeit (der Versicherungsbote berichtete).

Dabei darf nicht vergessen werden, dass Bäte den Konzern in einer schwierigen Phase übernahm, auch wenn ihm Vorgänger Diekmann ein Rekordergebnis mit auf den Weg gab. Offene Baustellen waren unter anderem der radikale digitale Umbruch, verstärkte Regulierungsanforderungen in Europa durch IDD und Solvency II sowie die Krise der Leben-Sparte infolge des Niedrigzinses. Hier kann Bäte durchaus Erfolge vorzeigen: Im deutschen Leben-Neugeschäft wuchs die Allianz zum Beispiel 2017 gegen den Markttrend um 21 Prozent.

Einfachere, standardisierte Produkte

Um Policen leichter online anbieten zu können, will Bäte auch die Produkte deutlich vereinfachen und standardisieren. “Wir arbeiten an vielen Stellen viel zu komplex“, sagte er im Mai bei der Hauptversammlung der Allianz in München. „Die Straußeneier des Wettbewerbs sind Produktivität, Einfachheit und Innovation“. Als positives Beispiel für radikale Vereinfachung nannte er die eigene Auslandstochter in Spanien. Dort können die Autofahrer zwischen maximal zwei Kfz-Tarifen wählen (der Versicherungsbote berichtete).

Weniger und einfachere Policen für den Online-Vertrieb: Ist das die richtige Strategie? Dass die Technik scheinbar nicht immer reibungslos funktioniert, erschwert die Toleranz unter den Mitarbeitern. In internen Gruppen klagen Vertreter über massive technische Probleme beim Umbau der IT-Struktur. Viele Anträge und Geschäftsvorfälle würden "doppelt oder dreimal so lange wie früher" dauern, schreibt ein Allianz-Vertreter. Es sei "nicht mehr akzeptabel", wie viel Zeit die Vertreter mit "Kontrolle, Berichtigung, Korrektur oder ähnlichem" verbringen müssten, weil die IT-Systeme nicht wie geplant arbeiten würden (der Versicherungsbote berichtete).

Aus den Wortmeldungen in den geschlossenen Allianz-Gruppen geht hervor, dass speziell einige Agenturen die Strategie Bätes als offene Kriegserklärung werten. Sie befürchten, dass sie dauerhaft ersetzt werden sollen. Doch auf der Versicherungsmesse DKM in Dortmund hob Allianz-Vorstandsmitglied Markus Faulhaber noch einmal hervor, dass auch Deutschlands größter Versicherer auf persönliche Beratung setze: trotz Digitaloffensive. „Wir bauen alle digitalen Geschäftsmodelle mit Vermittlerintegration“, so Faulhaber (der Versicherungsbote berichtete).