Der Provisionsdeckel kommt nicht - argumentiert der AfW

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Ein Provisionsdeckel in der Lebensversicherung wird von Vermittlern gefürchtet: Viele müssten deutliche Einnahme-Einbußen im Neugeschäft dulden. Der Bundesverband Finanzdienstleistung (AfW) hat nun fünf Gründe zusammengestellt, weshalb ein solcher Deckel sehr wahrscheinlich nicht kommen wird. Das wichtigste Argument: er bedeute einen Eingriff in die Gewerbefreiheit und sei schlicht verfassungswidrig.

Die Bundesregierung will die Kosten in der Lebensversicherung mit Hilfe eines Provisionsdeckels senken (der Versicherungsbote berichtete). Fortan sollen Vermittler weit niedrigere Abschlussvergütungen erhalten dürfen, wenn sie eine Lebens- und Rentenversicherung an die Kundin oder den Kunden bringen. Vor allem Versicherungsmakler wären von einem solchen Eingriff betroffen. Laut einer Umfrage von AssCompact fürchtet jeder zweite Makler finanzielle Not, sollte ein solcher Deckel kommen (der Versicherungsbote berichtete).

Doch wie realistisch ist dieser Deckel überhaupt? Beruhigungspillen für die Vermittler verteilt derzeit der Bundesverband Finanzdienstleistung (AfW) in Form eines Pressetextes. Gleich fünf Gründe führt der Interessenverband für unabhängige Finanzdienstleister und Versicherungsmakler an, um zu begründen, weshalb ein solcher Provisionsdeckel ohnehin nicht kommen wird. Dieser bedeute einen ungerechtfertigten Eingriff der Politik in die Gewerbefreiheit, so positioniert sich der Verband. Man wolle „aktiv gegen eine solche geplante, massive Einkommenskürzung“ vorgehen.

Argument 1: Ein Provisionsdeckel wäre verfassungswidrig

Das schärfste Geschütz fährt der Vermittlerverband gleich zu Beginn auf. Demnach wäre ein Provisionsdeckel schlicht verfassungswidrig. Es würde sich „um einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die nach Artikel 12 unseres Grundgesetzes geschützte Gewerbefreiheit handeln“, schreibt der AfW.

Um einen solchen Grundrechtseingriff zu rechtfertigen, müsse ersichtlich sein, „dass dieser Eingriff zum Erreichen eines klar definierten Ziels erforderlich ist und zudem der Eingriff auch angemessen ist“, schreibt der Verband. „Auf jeder Stufe der verfassungsrechtlichen Prüfung scheitert jedoch das Vorhaben.“ Es gebe schlicht keine erkennbaren, sachgerechten Argumente dafür. Auf jeder Stufe der verfassungsrechtlichen Prüfung scheitere das Vorhaben.

Hier sei eingewendet, dass ein ähnlicher Provisionsdeckel bereits in der Privaten Krankenversicherung (PKV) existiert. Und es bei den Abschlusskosten immerhin um die Alterssicherung der Bürger geht, die gefährdet sein könnte, wenn die Kosten für derartige Altersvorsorge-Produkte zu hoch sind. Diese Argumente werden nun auch von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ins Feld geführt, die ebenfalls die Abschlussvergütung zu Lasten der Vermittler deckeln will. Der AfW hat nun ein verfassungsrechtliches Gutachten in Auftrag geben, um seine Argumente zu stüten.

Argument 2: Ein Provisionsdeckel wäre verbraucherschädlich

Wer sind die Leittragenden eines Provisionsdeckels? Laut Frank Grund, Chef der Versicherungsaufsicht bei der BaFin, müssten vor allem Makler und unabhängige Vermittler einen solchen fürchten. Ihnen brechen hohe Teile des Einkommens weg - je nachdem, wie stark sie auf die Leben-Sparte angewiesen sind. Das trifft sich auch mit der Selbsteinschätzung der Makler. Laut AssCompact-Umfrage fürchten ein Drittel um ihre berufliche Existenz, sollte die Bundesregierung die Abschlussvergütung kappen.

Dieses Argument greift der AfW als Lobbyverband der Makler auf. „Unabhängige Vermittler sind per se gelebter Verbraucherschutz“, schreibt der AfW. Und weiter: „Versicherungsmakler machen sehr gute und nahezu fehlerfreie Arbeit. Die Statistik des Versicherungsombudsmann – der Schlichtungsstelle für Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Versicherern sowie Versicherungsvermittlern – zeigt: Die Anzahl der Beschwerden gegen Versicherungsmakler liegen bei nahezu Null“.

Die Verbraucherschutzlobby wehre sich hingegen weiterhin konsequent anzuerkennen, dass auch die Berater in den staatlich alimentierten Verbraucherzentralen den gesetzlichen Qualifikationspflichten zu unterfallen haben, kritisiert der Verband. Dies habe sich auch bei der Umsetzung der EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD in deutsches Recht gezeigt.

Hintergrund ist, dass "Verbraucherschützer" keine geschützte Berufsbezeichnung ist, die mit einer bestimmten Mindestqualifikation verbunden wäre: rein theoretisch darf sich jeder so nennen. Daraus folgt unter anderem, dass private Dienstleister auf Basis oft intransparenter Studien Testsiegel und -zertifikate an Konzerne verkaufen und dies als Verbraucherschutz bewerben: eine Steilvorlage für Kritiker. "Irrigerweise stellen sich die angeblichen Verbraucherschützer mit ihrer Sachkunde- und Weiterbildungs-Weigerung ins juristische und verbraucherschutzorientierte Abseits", schreibt der AfW.

Auch hierzu mögliche Einwände: Tatsächlich sind die Beschwerden über Versicherungsmakler beim Versicherungsombudsmann verschwindend gering. Das resultiert aber auch daraus, dass der Schlichtungsspruch des Ombudsmannes für Makler schlicht nicht bindend ist, während sich die Versicherer per freiwilliger Selbstverpflichtung diesem unterworfen haben - zumindest bis zu einer bestimmten Versicherungssumme als Streitwert. Auch argumentieren die Verbraucherzentralen ja gerade deshalb gegen hohe Provisionen, weil diese geeignet seien, eine unabhängige Beratung der Makler zu korrumpieren. Sie schaffen einen Fehlanreiz, dem Kunden jenen Versicherer zu empfehlen, der eben eine hohe Abschlussvergütung ausschüttet - auch wenn ein anderer Vertrag vielleicht besser die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden befriedigen würde.

Argument 3: Ein Provisionsdeckel wäre wettbewerbswidrig

Als drittes Argument führt der AfW erneut ins Feld, dass ein Provisionsdeckel einen unverhältnismäßigen Eingriff in den Wettbewerb bedeute. „Der freie Wettbewerb wäre durch eine Preisdeckelung aufgehoben und würde zum Erliegen kommen. Auch insofern ist ein Sachgrund für eine derart massive Preisregulierung nicht ersichtlich“, schreibt der Verband.

Ein Provisionsdeckel würde sich „wie ein Rasenmäher“ auf alle Vermittlergruppen gleichermaßen auswirken, ohne zu berücksichtigen, dass es unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen für verschiedene Vermittlergruppen (Versicherungsvertreter, Versicherungsmakler, Versicherungsberater) gebe, kritisiert der AfW. So haben beispielsweise Versicherungsmakler in vielen Bereichen höhere Kosten als Ausschließlichkeits-Vertreter, weil ihnen der Versicherer nicht bei Werbematerial, Weiterbildung, Webseite etc. finanziell unter die Arme greift.

Argument vier: Ein Provisionsdeckel wäre europarechtswidrig

Mit Argument Numero vier öffnet der AfW den Blick über die Landesgrenze hinaus - und verweist auf Europarecht. So würde ein Provisionsdeckel den Zielen des europäischen Binnenmarktes widersprechen. "Zu diesen Zielen gehört insbesondere der freie und unverfälschte Wettbewerb. Der Bundesverband Finanzdienstleistung wird gemeinsam mit weiteren Unterstützern auch dazu demnächst überzeugend mit einem Sachverständigengutachten nachlegen", schreibt der Verband. Auch zu diesem Argument sei angemerkt, dass andere EU-Staaten trotz Europarecht eine Deckelung der Provisionen oder gar Verbot für bestimmte Produkte etablieren konnten, etwa die Niederlande und Finnland.

Argument 5: Kein "weicher Provisionsdeckel" durch BaFin

Argument Numero fünf richtet sich gegen die Vermutung, die Aufsichtsbehörde BaFin könnte auch ohne Willen des Gesetzgebers eine Art "weichen Provisionsdeckel" durchsetzen, etwa per Rundschreiben. Die Aufsichtsbehörde hatte sich bereits mehrfach für einen Provisionsdeckel positioniert.

Es werde keinen sogenannten „weichen“ Provisionsdeckel durch die BaFin geben, schreibt der AfW - "ob nun über ein Rundschreiben oder sonstige Varianten von sogenanntem Soft Law. Derart starke – auch indirekte - Eingriffe in verfassungsrechtlich geschützte Werte und Positionen stehen unter Parlamentsvorbehalt", so die Begründung. Und weiter: "Es ist nicht Sache einer gesetzesausführenden Behörde, Parlamentsrechte zu ersetzen. Sollte es im Einzelfall einen konkreten Missstand in der Ausgestaltung von Vergütungszusagen geben, ist es selbstverständlich Sache der BaFin diesen zu benennen und einzuschreiten."

Norman Wirth: Debatte über Provisionsdeckel "ist überflüssig"

Norman Wirth, Fachanwalt für Versicherungsrecht und geschäftsführender AfW-Vorstand, sagt: „Die Diskussion um den Provisionsdeckel ist überflüssig. Aus den vorgenannten Gründen wird er nicht kommen. Wir werden uns kompromisslos gegen jegliche Versuche von Politik und BaFin wenden, in die Rechtspositionen unserer Mitglieder einzugreifen. Wir werden nicht akzeptieren, dass der Provisionsdeckel als verbraucherschützendes Feigenblatt im Zusammenhang mit den – dringend notwendigen - Erleichterungen bei der Zinszusatzreserve zulasten der Versicherungsmakler eingeführt wird".

Die Abschlussprovisionen seien weder "für das Niedrigzinsniveau, für Fehlkalkulationen von einigen Versicherungsgesellschaften, für die Intransparenz bei der Produktgestaltung, noch für die Gesamtvertriebskosten verantwortlich", positioniert sich Wirth weiter. "Verfassungsrechte unserer Mitglieder lassen wir nicht auf dem Altar eines Pseudo-Verbraucherschutzes oder für eine höhere Profitabilität von Versicherern oder Aktionärsinteressen opfern.“ Der Verband hatte bereits angekündigt, gegen einen Provisionsdeckel klagen zu wollen.