Wann darf ein Hausratversicherer eine Leistung wegen einer Obliegenheitsverletzung kürzen oder gar ganz streichen? Dazu musste das Oberlandesgericht (OLG) Celle in einem Grundsatzurteil entscheiden (Az.: 8 U 190/14). Zwar wurde das Urteil schon am 11. Dezember 2014 gefällt. Aufgrund seiner Bedeutung lohnt es sich aber, das Urteil auch nach Jahren noch vorzustellen.

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Geklagt hatte ein Versicherungsnehmer gegen seinen Hausratversicherer. Der Kläger wurde im Juli 2012 Opfer eines Einbruchs: Täter warfen die Scheibe des Eigenheims ein, als sich die Familie im Urlaub befand – und entwendeten eine Vielzahl an Gegenständen. Nachbarn des Versicherungsnehmers informierten sowohl den Hausbesitzer als auch die Polizei. Schon am nächsten Tag informierte der Versicherungsnehmer per Telefon das Versicherungsunternehmen.

Stehlgutliste wurde erst verzögert vorgelegt

Was aber länger dauerte, war das Einreichen der Stehlgutliste. Denn erst am 31. Juli kehrte die Familie aus dem Urlaub zurück. Das Verfassen der Liste dauerte dann nochmals – am 14. August wurde eine vorläufige Liste über einem Formular der Versicherung eingereicht, am 23. August 2012 ging die endgültige Auflistung der gestohlenen Gegenstände bei der Polizei ein. Die Fahndung nach den Gegenständen blieb erfolglos, wie die Polizei Monate später bekannt gab. Der Schaden belief sich auf insgesamt 31.709,82 Euro.

Hausratversicherer halbierte die Schadensumme

Der Hausratversicherer aber meinte nun, die Auflistung sei zu spät eingereicht worden. Hierbei berief er sich auf Paragraf 8 der VHB mit Stand 2008 – der Paragraf enthält eine Aufstellung von „Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalls“. So heißt es in dem Paragrafen, der Versicherungsnehmer habe "bei Eintritt des Versicherungsfalls (...) dem Versicherer und der Polizei unverzüglich ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen einzureichen."

Ein Unterpunkt des Paragrafen behält sich zudem die „Leistungsfreiheit bei Obliegenheitsverletzung“vor. Da der Versicherungsnehmer die Stehlgutliste nicht unverzüglich eingereicht habe und dies als grob fahrlässig zu bewerten sei, kürze der Versicherer den zu zahlenden Betrag um 50 Prozent auf 15.854,91 Euro. Diese Leistungskürzung sei nach dem „Mittelwertmodell“ angemessen.

Erfolg für Versicherungsnehmer erst in zweiter Instanz

Der Versicherungsnehmer wollte die Kürzung gemäß "Mittelwertmodell" nicht hinnehmen – und klagte vor dem Landgericht (LG) Hannover auf Zahlung der vollen Schadensumme. Zunächst ohne großen Erfolg – nur weitere 500 Euro wurden dem Einbruchsopfer zugesprochen, ansonsten wurde die Klage aber abgewiesen (Az.: 6 O 279/13). Der Kläger aber ging in Berufung – und erhielt in der Folge vor dem Oberlandesgericht Celle Recht. Der beklagte Hausratversicherer wurde nun dazu verurteilt, an den Kläger 13.430,14 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Mai 2013 nachzuzahlen – zusätzlich zu der bereits gezahlten hälftigen Versicherungssumme. Auch musste der Versicherer die Kosten des Rechtsstreits zahlen (Az.: 8 U 190/14).

Warum das Oberlandesgericht dem Versicherungsnehmer Recht gab

Warum aber erhielt der Versicherungsnehmer vor dem Oberlandesgericht Recht? Zwar: der Kläger habe objektiv seine Obliegenheit, der Polizei unverzüglich ein Verzeichnis der abhanden gekommenen Sachen einzureichen, verletzt, wie das Gericht in Celle ausführte. Denn die verspätete Hereingabe bei der Polizei könne nicht mehr als "unverzüglich" angesehen werden. Jedoch: diese Pflichtverletzung wäre nicht grob fahrlässig geschehen; der Kläger habe die Liste nach bestem Wissen und Gewissen erstellt und eingereicht. Nur eine grob fahrlässige Pflichtverletzung aber würde eine Kürzung der Schadensumme rechtfertigen.

In seiner Begründung dieser Annahme wies das Gericht darauf hin, dass eine vorzeitige Rückkehr vom Urlaub – einzig zur Erfüllung der Obliegenheit – nicht durch den Versicherer verlangt werden darf. Denn: zwar hätten auch zeitigere Rückflugmöglichkeiten bestanden. Jedoch: Wohnungseinbruchsdiebstähle werden ohnehin weit überwiegend nicht aufgeklärt.

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Aus diesem Grund wäre es unverhältnismäßig, vom Versicherungsnehmer eine zeitigere Heimkehr von der Urlaubsreise zu verlangen. Auch wäre die Erwartung des Hausratversicherers nicht nachvollziehbar, eine Stehlgutliste hätte bereits im Urlaub auf der Grundlage telefonischer Berichte eines befreundeten Polizeibeamten erstellt werden können.

Die Liste musste keine Beschreibungen enthalten

Auch wies das Oberlandesgericht die Erwartung des Hausratversicherers zurück, die Liste hätte detaillierte Beschreibungen der Gegenstände enthalten müssen. Das Versicherungsunternehmen wollte vor Gericht geltend machen: Die Auflistung des Klägers hätte formellen Ansprüchen nicht genügt. Demnach hätte eine Beschreibung der gestohlenen Gegenstände gefehlt. Die Versicherungsbedingungen würden für die formelle Beschaffenheit der Liste zwar keine genaueren Angaben machen – durch Funktion einer Stehlgutliste für die Polizei ergebe sich aber die Verpflichtung detaillierterer Beschreibungen von allein.

Allerdings gab das Oberlandesgericht dieser Sichtweise ebenfalls nicht Recht - ist dem Wortlaut der Klausel entsprechend nur ein Verzeichnis der entwendeten Gegenstände ohne weitere Wertangaben oder Beschreibungen verlangt, so genügt die Aufstellung der gestohlenen Sachen inhaltlich völlig den Anforderungen.

Das Verlangen detaillierter Beschreibungen kann die Klausel unwirksam machen

Mehr noch: das Verlangen detaillierter Beschreibungen könnte die Klausel sogar unwirksam machen, wie das Oberlandesgericht mit Verweis auf mehrere Urteile (zum Beispiel OLG Celle; Az.: 8 U 187/08) ausführte. Denn würde in der Klausel verlangt, die Gegenstände möglichst detailliert zu beschreiben, wäre für den Versicherungsnehmer vollkommen unklar, welches Maß an Detailliertheit einerseits verlangt wird und welchen Zeitaufwand er andererseits für weitere Recherchen (etwa Durchsicht von Fotos, um Schmuck beschreiben zu können, etc.) aufbringen darf, ohne dass er sich dem Vorwurf aussetzt, das Verzeichnis nicht mehr unverzüglich eingereicht zu haben.

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Fazit

Fazit: Das Urteil des Oberlandesgerichts Celle stellt klar, dass eine verspätete Einreichung einer Stehlgutliste nicht automatisch als grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung gewertet werden kann. Das trifft besonders dann zu, wenn eine unverzügliche Einreichung zu unzumutbaren oder unverhältnismäßigen Bedingungen (zum Beispiel Abbruch eines Urlaubs) geschehen kann. Das Urteil ist auf der Webseite des Niedersächsischen Vorschrifteninformationssystems (NI-VORIS) verfügbar.

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