Als die ersten Entwürfe für die Aktienrente -heute Generationenkapital genannt- diskutiert wurden, da wurden gleichzeitig Forderungen laut, der Kapitalstock für die gesetzliche Rente müsse so gestaltet sein, dass die Politik keinen Zugriff darauf hat. Sonst könnte sie in klammen Zeiten darauf zugreifen wollen, um kurzfristig Haushaltslöcher zu stopfen. In Schweden zum Beispiel ist die Altersvorsorge über den Staatsfonds so ausgestaltet, dass die angesparte Zusatzrente auch rechtlich Eigentum der Bürgerinnen und Bürger ist. Eine Zweckentfremdung käme einem Diebstahl gleich.

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Dass diese Forderungen nicht unbegründet sind, zeigt ein aktueller Vorgang in Nordrhein-Westfalen. Dort will der Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) auch den Pensionsfonds nutzen, um Haushaltslöcher zu stopfen, so berichtet die „WirtschaftsWoche“ am Freitag. So wolle das Bundesland einerseits die Zuführungen an den Pensionsfonds komplett stoppen. Und andererseits sollen 2024 die Zinserträge in den Landeshaushalt fließen, „um damit den Aufwuchs der Versorgungs- und Beihilfeausgaben abzufedern“, wie Optendrenk bei der Vorstellung seines Haushaltsentwurfs für das Jahr 2024 im Landtag sagte. Doch dies ist nicht als einmaliger Eingriff geplant: Auch künftig sollen die Zinserträge dem Landeshaushalt zugeführt werden.

Damit greift ausgerechnet das Bundesland auf den Kapitalstock für die Beamtenversorgung zurück, das durch die Zusagen gegenüber den Beamten bundesweit am stärksten belastet ist. Nach Berechnungen des Steuerzahlerbundes muss Nordrhein-Westfalen bereits heute 35 Prozent der gesamten Personalkosten für Pensionen aufwenden bzw. 13 Prozent des Landesetats: Rücklagen für zukünftige Ruheständler eingerechnet. Und dieser Anteil dürfte künftig weiter anwachsen, und zwar deutlich. Viele Babyboomer stehen kurz vor ihrer Pensionierung, nachdem vor allem Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre viele Staatsdiener verbeamtet wurden.

Schon heute fließt zu wenig Geld in den Versorgungsfonds

Immerhin: Der Kapitalstock selbst soll nicht abgeschmolzen werden, sondern nur die Zinserträge sollen in den laufenden Haushalt fließen. 13,1 Milliarden Euro waren zum Jahresende 2022 im Pensionsfonds des Bundeslandes. Doch das darin liegende Geld wird durch die Inflation weiter entwertet. Und der Fonds kann nicht weiter anwachsen - was er angesichts einer steigenden Zahl von Pensionären eigentlich müsste, um den Haushalt wirksam zu entlasten.

Ursprünglich speiste sich der Fonds in Nordrhein-Westfalen aus zwei Töpfen. Seit dem Jahr 1999 sind die Länder gesetzlich verpflichtet, sogenannte Versorgungsrücklagen für ihre Beamten zu bilden (nach § 14 des Bundesbesoldungsgesetzes), wofür seitdem 0,2 Prozentpunkte jeder Besoldungserhöhung abgeführt werden. Doch eine Föderalismusreform im Jahr 2006 gab den Bundesländern mehr Autonomie, wie sie Rücklagen für die Beamten bilden. Seit 2006 wird in NRW zusätzlich ein Versorgungsfonds angespart, aus dem ursprünglich die Pensionen aller neu eingestellten Beamten zu 70 Prozent finanziert werden sollten. Beide Töpfe wurden 2016 zu einem Pensionsfonds zusammengeführt.

Der Landesrechnungshof hat bereits in seinem Jahresbericht 2023 kritisiert, dass die vorhandenen Mittel und die Zuführungen zum Versorgungsfonds bei weitem nicht ausreichen, um die geplante Entlastung in Zukunft zu erzielen. Umso mehr Geld muss aus Steuermitteln kommen. Doch je höher der Anteil der Pensionen am Landeshaushalt ist, desto weniger finanzielle Mittel können in notwendige Investitionen fließen: etwa für Bildung, Infrastruktur und den digitalen Wandel. Und auch für zusätzliches Personal fehlt dann das Geld. In vielen Behörden macht sich der Fachkräftemangel schon heute bemerkbar - durch lange Warte- und Bearbeitungszeiten zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger.

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Doch das Problem unzureichender Rücklagen für Pensionen und Beihilfen betrifft nicht allein Nordrhein-Westfalen. Es ist ein bundesweites Problem. Während die ostdeutschen Bundesländer tendenziell weit weniger Lasten zu stemmen haben, da erst nach der Wende 1990 Staatsdiener nach dem westdeutschen Beamtenrecht verbeamtet wurden, ist gerade in einigen westdeutschen Bundesländern die Situation brisant. In den meisten Bundesländern würde das angesparte Geld sogar in der aktuellen Situation nicht einmal für ein Jahr reichen, um alle finanziellen Verpflichtungen gegenüber ehemaligen Beamten zu erfüllen, warnt die „Stiftung Marktwirtschaft“. Hier gilt es zu bedenken, dass Beamte im Durchschnitt mehr als 20 Jahre im Ruhestand verbringen.

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