Kohlstruck hält davon nichts. „Es könnte zu Akzeptanzproblemen des Rentensystems führen, wenn jemand weiß, er zahlt Beiträge, bekommt dafür aber nicht das, was ihm gemäß seiner Beiträge zustünde“, sagt er. Altersarmut zu verhindern, sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, „die der Steuerzahler über die Sozialhilfe zu leisten hat“.

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Ausgangspunkt über die Debatte um das Äquivalenzprinzip ist aber genau jenes Legitimationsproblem der Rente, wenn auch aus der Bottom-up-Perspektive. So hat unter anderem Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW), darauf hingewiesen, dass Menschen mit geringerem Einkommen im Schnitt eine fünf bis sieben Jahre niedrigere Lebenserwartung haben als Menschen mit höheren Einkommen: und folglich auch weniger lang von ihrer Rente profitieren können. Fratzscher verwies darauf, dass in den meisten Industrienationen Menschen mit geringem Einkommen tendenziell höhere Rentenansprüche auf ihre Beiträge erwerben, Deutschland hier folglich eine Ausnahme bilde.

Statt das Rentenalter zwangsweise raufzusetzen und gerade Einkommensschwache Berufsgruppen mit Abschlägen zu bestrafen, spricht sich Fratzscher dafür aus, das Rentenalter zu flexibilisieren und Hürden für jene Menschen abzubauen, die länger arbeiten können und wollen. Positive Anreize statt Zwang, sozusagen.

Kapitalstock in der Rente kommt zu spät

Das von der Bundesregierung geplante Generationenkapital -ein zusätzlicher Kapitalstock, um das Umlagesystem der gesetzlichen Rente zu entlasten- kommt nach Ansicht von Kohlstruck aber zu spät und fällt zu niedrig aus, um seine Wirkung zu entfalten. Der Ökonom stimmt dem Interviewer zu, dass es sich ein Stück weit um eine „Mogelpackung“ handle. Zehn Milliarden Euro sind für dieses Jahr angedacht, aber die Deutsche Rentenversicherung gebe schon an einem einzigen Tag eine Milliarde Euro aus, gibt Kohlstruck zu bedenken. Die Idee, sich "zu der bewährten und krisenfesten Umlage ein zweites Standbein aufzubauen, ist richtig. Sie kommt halt 30 Jahre zu spät, weil man schon alleine so lange braucht, um einen Kapitalstock aufzubauen", so der Ökonom.

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Die hohen Sozialabgaben bedeuten auch ein Hindernis für qualifizierte Zuwanderung, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. In Deutschland werde ausländischen Fachkräften 50 Prozent vom Lohn weggenommen, in Kanada nur 25, argumentiert Kohlstruck. Zudem müssten sie mit Sprachbarrieren und überbordender Bürokratie kämpfen.

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