Der Handelskonzern Tchibo verkauft nicht nur Kaffee, Paddelboards, Sprinkler-Einhörner oder Energiefrösche für die Harmonisierung der Energieströme, sondern unter anderem auch Versicherungen. Seit dem März 2020 ist Tchibo als Versicherungsvertreter registriert, exklusiver Produktpartner ist die HanseMerkur. Doch den Vertrieb der sogenannten Krebs-Scan-Police, einer Krankenzusatzversicherung, hat Tchibo nun gestoppt. Das berichtet der Bayerische Rundfunk (BR).

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Krebsvorsorge mit Bluttest

Die Idee der Krebs-Scan-Police ist eigentlich eine gute: Wo andere Versicherer erst zahlen, wenn eine Krankheit ausgebrochen ist, setzt der Vertrag auf die Früherkennung von Krankheiten. Hierfür wird ein Bluttest genutzt: der PanTum Detect. Dieser Test verzichtet auf den Nachweis klassischer Tumormarker, die nur spezifische Arten von Krebs nachweisen können. Stattdessen werden Enzyme nachgewiesen, die beim Wachstum unterschiedlicher Tumorarten vermehrt gebildet werden. So soll Krebs besser erkannt werden: Krankheiten, an denen in Deutschland pro Jahr mehr als 200.000 Menschen sterben.

In einer Studie des Klinikums Hamburg Eppendorf (UKE) waren diesem Bluttest sehr gute Ergebnisse bei der Früherkennung von Krankheiten bescheinigt worden. 5.000 vermeintlich gesunde Patientinnen und Patienten wurden hierfür untersucht. Nach Auffälligkeiten beim Bluttest wurden die Betroffenen weiteren Tests unterzogen. In 82 Prozent der Fälle – das entspricht 124 Personen – wurde ein symptomloser, unerkannter Krebs oder eine Krebsvorstufe festgestellt. So zumindest berichteten es die HanseMerkur und folglich auch Tchibo, als sie das Produkt vertrieb.

Vermeintlich unabhängige Studie vom Anbieter des Bluttests finanziert

Doch an dieser Studie gab es scharfe Kritik der Deutschen Krebsgesellschaft. Jutta Hübner, Medizinprofessorin an der Uni Jena, bemängelte, dass der Test medizinische Standards nicht erfülle. Vor allem liefere die Studie keine Belege, dass Menschen, bei denen eine Vorstufe festgestellt wurde, besser behandelt und geheilt werden könnten, fasst der BR die Kritik zusammen. Ihre vernichtende Kritik laut dem Bericht: “Es ist Scharlatanerie.“

Das hat auch mit auffälligen Unregelmäßigkeiten zu tun. So sei die Studie des Klinikums als unabhängig beworben worden, obwohl sie von der Zyagnum AG bezahlt worden sei: also vom Hersteller des Bluttests. Bei wissenschaftlichen Publikationen müssen solche Details eigentlich ausgewiesen werden, hier fehlte ein entsprechender Hinweis auf Fremdfinanzierung. Zuerst wurde die Studie im "Journal of Clinical and Medical Images“ veröffentlicht. Dort heißt es in den Richtlinien: "Den Artikeln muss eine Offenlegung von Interessenkonflikten beigefügt werden.“ Erst nach den Recherchen des Bayerischen Rundfunks sei ein Hinweis auf die Fremdfinanzierung eingefügt worden: 14 Monate nach Veröffentlichung der Studie.

Zudem sei die Studie des Hamburger Klinikums an Personen der Altersgruppe 50 bis 70 Jahre durchgeführt worden: eine Altersgruppe, die ein besonders hohes Krebsrisiko hat. Beworben wird die Krebs-Scan-Police aber ab 18 Jahren. Kritik kommt auch von Professor Constantin Lapa, Leiter der Nuklearmedizin am Uniklinikum Augsburg. "Das ist alles völlig ungereimt und von den Daten, die da präsentiert werden, meines Erachtens nicht nachvollziehbar“, zitiert ihn der BR zur Einschätzung der Studie. Er bietet den Krebstest seinen Patientinnen und Patienten auch bei Nachfrage nicht an: und verweist auch auf gesundheitliche Risiken durch die Bestrahlung selbst.

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Es habe „Irritationen“ rund um die Krebs-Scan-Police gegeben, begründet Tchibo nun den Stopp des Vertriebs gegenüber dem BR. Das Produkt sei „sehr innovativ“ und es erfordere mehr Erklärungsbedarf. Auch die Zyagnum AG als Anbieter des Tests positionierte sich: Man bezweifle nicht, dass Menschenleben durch den Test gerettet worden seien. Das Unternehmen verwies auf die Bedeutung von Früherkennung bei der Bekämpfung von Tumorerkrankungen.

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