Die gesetzliche Pflegeversicherung ist reformbedürftig: Zum 1. Juli 2023 wurden die Beiträge zur Pflegeversicherung angehoben, doch auch im Jahr 2024 drohen erneut steigende Beiträge, wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bereits in mehreren Interviews deutlich machte. Auch 2024 droht ein Milliarden-Defizit: Der Spitzenverband der Krankenkassen rechnet mit einer Lücke zwischen 3,5 und 7 Milliarden Euro. Das nimmt die Linksfraktion im Bundestag zum Anlass, erneut für ihr Modell der Solidarischen Bürgerversicherung zu werben.

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"Die Krankenkassen melden ein Defizit an (welche Überraschung) und reflexartig spielt Karl Lauterbach die alte Leier von der Erhöhung der Beiträge. Das ist politische Quacksalberei am Gesundheitssystem“, sagt Dietmar Bartsch, Co-Vorsitzender der Linksfraktion im Deutschen Bundestag. Er erinnert daran, dass SPD und Grüne mehrfach mit einem Konzept der Bürgerversicherung in den Wahlkampf gezogen sind. "Die Ampel kann nicht länger am Gesundheitssystem flickschustern. Stabile Kassenbeiträge gibt es mit einer robusten gesetzlichen Krankenversicherung, in die alle Einkommen einzahlen - ohne Beitragsbemessungsgrenze, die bisher Gutverdiener bevorteilt. Eine für alle!“, so Bartsch.

Linksfraktion will alle Einkommensarten einbeziehen

Das Konzept der Bürgerversicherung ist für die Linke nicht neu: Schon bei den letzten beiden Bundestagswahlen warb sie damit. Die Grundidee besteht darin, alle Einkommensarten zur Berechnung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung heranzuziehen. Dazu gehören neben Löhnen und Gehältern auch Einkünfte aus Honoraren sowie Miet-, Pacht- und Kapitaleinkünfte, die alle zum gleichen Prozentsatz herangezogen werden sollen.

Dies würde zwangsläufig auch das Ende der privaten Krankenversicherung als Vollversicherung bedeuten. Die PKV soll sich dann auf medizinisch nicht notwendige Zusatzversicherungen beschränken. Und damit sollte auch das „Beamtenprivileg Beihilfe“ abgeschafft und Beamte entsprechend in die Bürgerversicherung integriert werden, fordert die Linksfraktion.

Punkt drei: Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze. Die Beitragsbemessungsgrenze gibt an, bis zu welcher Höhe das Einkommen in der Kranken- und Pflegeversicherung beitragspflichtig ist. Was darüber liegt, ist beitragsfrei. Im Jahr 2023 liegt die Grenze in der gesetzlichen Krankenversicherung bei 59.850 Euro brutto im Jahr bzw. 4.987,50 Euro im Monat.

Die Linke spricht sich dafür aus, diese Grenze abzuschaffen. „Bislang zahlen wegen der Beitragsbemessungsgrenze Gutverdienende prozentual weniger Beitrag als Schlecht- und Normalverdienende. Deshalb wollen wir die Beitragsbemessungsgrenze abschaffen. Der Beitrag richtet sich dann endlich nach der finanziellen Leistungsfähigkeit: Wer wenig hat, zahlt wenig, wer mehr hat, zahlt mehr“, heißt es dazu auf der Webseite der Linksfraktion.

Als vierte Säule sieht das Konzept vor, Patientinnen und Patienten zu entlasten: „Zuzahlungen werden abgeschafft; alle medizinisch notwendigen Leistungen werden in guter Qualität voll übernommen“, schreibt die Linksfraktion. Wie das finanziert werden soll: unklar.

Beitrag könnte deutlich sinken?

Nach Ansicht der Linken könnte eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze den Beitragssatz zur Kranken- und Pflegeversicherung deutlich senken. Sie verweisen hierbei auf ein Gutachten der Gesundheitsökonomen Heinz Rothgang und Dominik Domhoff. Die Forscher haben anhand von Zahlen für 2019 errechnet, dass der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung um 0,8 Prozentpunkte sinken könnte, wenn man die Beitragsbemessungsgrenze in Kranken auf die Höhe der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung anheben würde. Bei einer Abschaffung betrage diese mögliche Absenkung sogar 1,5 Prozentpunkte.

Auch das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) Köln hat in einer Studie errechnet, dass die Krankenkassen bereits 2024 Mehreinnahmen von 5,8 Milliarden Euro erzielen könnten, wenn die Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung auf das Niveau der Rentenversicherung angehoben würde. Gleichzeitig warnt das Institut: Das Grundproblem der GKV, dass im Umlageverfahren immer mehr Ältere mit hohen Gesundheitskosten immer weniger beitragspflichtigen Beschäftigten gegenüber stehen, würde dadurch nicht gelöst. Zudem würden nicht nur gut verdienende Arbeitnehmer stärker belastet, sondern auch deren Arbeitgeber, die im internationalen Vergleich ohnehin hohe Lohnnebenkosten zu stemmen haben. Stattdessen plädiert das IW Köln für mehr Kapitaldeckung im gesetzlichen Gesundheitssystem.

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Der gleiche Effekt wäre bei einer Abschaffung der privaten Krankenvollversicherung zu befürchten: Viele Vollversicherte würden vom Kapitaldeckungsverfahren in das Umlageverfahren wechseln, so dass sich auch hier der demografische Faktor kostensteigernd auswirken dürfte. Nach den Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) liegt das Durchschnittsalter der privat Vollversicherten sogar über dem der gesetzlich Versicherten. Allerdings leistet der Steuerzahler ohnehin bereits einen starken Beitrag, die Gesundheitskosten im PKV-System zu finanzieren: mehr als jeder zweite privat Vollversicherte (52,9 Prozent) hat einen Beihilfeanspruch.

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