„Nach unserer Einschätzung ist es nicht unrealistisch, dass die Allianz Lebensversicherungsverträge in eine […] Abwicklung schickt“, schreibt Stephen Rehmke von Bund der Versicherten in einem aktuellen Blogbeitrag der Verbraucherschützer.

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Zum Einstieg in seinen Text kommt Rehmke auf einen Beitrag der Zeitschrift für Versicherungswesen zu sprechen. Dort schrieb Dr. Marc Surminski, dass die diesjährige Bilanz-Pressekonferenz aufhorchen ließ. Weil Allianz-Chef Dr. Oliver Bäte keinen Treuschwur für den deutschen LV-Bestand leisten wollte. Stattdessen gebe es in dieser Frage „keine heiligen Kühe“, zitiert Surminski Bäte. Auch in Deutschland stehe die Effizienzsteigerung der Kapitalallokation im Vordergrund. Das Bilanz-Risiko müsse ebenso verringert werden wie der Risikokapitalverbrauch; es sei zu prüfen, mit welchen Mechanismen das erreicht werden könne, so Bäte.

Aus Sicht von Surminski dürften solche Äußerungen die Alarmglocken in der Branche schrillen lassen. Beim Bund der Versicherten hat das geklappt. Käme es zu einem Run-off bei der deutschen Allianz, wäre das „ein kaum noch zu verkraftender Wirkungstreffer für die Branche“, so Rehmke. Ein Wirkungstreffer, der auch in der politischen Debatte um die Zukunft der privaten Altersvorsorge Spuren hinterlassen würde. „Welche Politikerinnen und Politiker würden von der ‚Bürgerrente‘ noch etwas hören und es vor allem für die Zukunft weiter verantworten wollen, dass Lebensversicherer von steuerlichen Begünstigungen und direkten Förderungen in Milliardenhöhe profitieren, aber das Geschäft mit der privaten Altersvorsorge an Finanzinvestoren abgeben, sobald ihnen die Kosten zu hoch und die Renditen zu mager erscheinen“, fragt Rehmke rhetorisch.

Anschließend lenkt Rehmke seinen Blick in Richtung Zukunft nach einem möglichen Allianz-Run-off und schreibt: „Die Kundinnen und Kunden der Allianz werden jedenfalls ziemlich überrascht sein, wenn ihnen statt der Traditionsmarke nun ein ihnen unbekanntes Unternehmen mit irgendeinem Fantasienamen den aktuellen Stand ihrer Lebensversicherung mitteilt. War doch die Solidität und die vermeintliche Kapitalmarktexpertise des großen Versicherungskonzerns das schlagende Argument der Vertriebsmannschaften, um dessen Lebensversicherungsprodukte als sichere Rentenvorsorge zu verkaufen. Die ‚Allianz fürs Leben‘ – die Schnulze von damals wird heute zum Hohngesang auf das Kundenvertrauen.“

Allianz und Run-off-Gerüchte: Eine lange Geschichte

Immer wieder wurde der Branchenprimus mit einem Marktanteil von fast 24 Prozent mit Abwicklungsszenarien in Verbindung gebracht. So wehrte sich Allianz-Leben-Chef Markus Faulhaber bereits 2017 gegen Run-off-Gerüchte: „Unsere Kunden müssen wissen, dass sie sich auf uns verlassen können – heute und in Zukunft. Und wir erfüllen bei allen Verträgen selbstverständlich die zugesagten Garantien.“ (Versicherungsbote berichtete)

Doch nur ein Jahr später - 2018 - schränkte Bäte seine Garantie für den Verkauf von Altbeständen ein: „Wir haben das nicht vor. Ich wäre aber unseriös, wenn ich eine Aussage mache für die nächsten zwanzig Jahre. Wer weiß, was passiert, wenn uns der Himmel auf den Kopf fällt… Aber es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wir unsere Versprechen für die Kunden halten.“ (Versicherungsbote berichtete)

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2020 nahm der BdV die Einstellung des Neugeschäfts bei der Allianz Pensionskasse (APK) zum Anlass, die Geschäftspolitik der Allianz anzugreifen: „Wenn die Versicherten aus dem Blickfeld geraten, dann gewinnen die Aktionäre an Bedeutung“, kritisierte der damalige BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein. Dass die Versicherten beim ‚Blauen Riesen’ aus dem Blickfeld geraten seien, werde alleine schon an den hohen Dividenden und den niedrigen Überschussbeteiligungen deutlich. „Für die Allianz sind die Versicherten im Presseversorgungswerk anscheinend nur noch unbequemes Beiwerk“, so Kleinlein vor knapp drei Jahren (Versicherungsbote berichtete).

Rückversicherungslösung statt Run-off?

Aus anderen Märkten kennt Allianz das Problem und vermied einen ‚echten Run-off‘ mit einer Rückversicherungslösung. Dabei zahlt der aufnehmende Rückversicherer eine garantierte feste Verzinsung an den abgebenden Versicherer. Der Rückversicherer selbst würde aber versuchen, durch eigene Anlagepolitik höhere Renditen zu erwirtschaften. Im US-Markt wurde eine solche Lösung zu Beginn des Jahres 2022 etabliert (Versicherungsbote berichtete). Die Folge: Allianz Life, die US-Tochter des Allianz-Konzerns, verwaltet weiterhin die Verträge und erfüllt alle Pflichten gegenüber den Sparenden; sprich: zahlt auch die Renten aus. In Belgien ging Allianz ähnlich vor.

Mit einer solchen Lösung wäre das von Rehmke beschriebene Szenario der ‚überraschten Kunden‘ vom Tisch und Allianz könnte weiterhin damit argumentieren, die Leistungsversprechen selbst zu erfüllen.

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Vielleicht fällt das Fazit von Rehmke auch deshalb beinahe versöhnlich aus: „Für ein ‚Raus! Solange es noch geht‘ gibt es aktuell keine Veranlassung. Aber eine Kundin mit einer noch langen Laufzeit in ihrem Lebensversicherungsvertrag sollte ernsthaft überlegen, ob sie ihre Anlageziele nicht besser mit anderen Geldanlagen weiterverfolgen sollte, etwa mit einem kostengünstigen ETF-Sparplan. Über solche Alternativen, aber auch die Nachteile einer Kündigung, sollte man sich unabhängig beraten lassen.“

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