“Sag mir, wie du fährst — und ich sage dir, wie viel Prämie du sparen kannst!“ Dies ist grob gesagt das Konzept hinter Telematik-Tarifen in der Autoversicherung. Wer sich bereit erklärt, regelmäßig Daten zu seiner Fahrweise messen zu lassen und an den Versicherer zu übermitteln, bekommt Prämiennachlass, wenn er vorsichtig und vorausschauend unterwegs ist. Ein Problem der Telematik-Tarife sind nicht nur datenschutzrechtliche Bedenken vieler Bürger. Sie sind auch oft teurer als herkömmliche Kfz-Policen, da das Erheben und Auswerten der Daten einen nicht unerheblichen Aufwand bedeutet: auch wenn es weitestgehend digitalisiert erfolgt.

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Die Allianz hatte bereits im April 2016 einen Telematik-Tarif auf den Markt gebracht. Bei BonusDrive liefert eine App dem Autofahrer/in in Echtzeit Einblicke ins persönliche Fahrverhalten. BonusDrive richtete sich ursprünglich an junge Leute bis einschließlich 28 Jahre. Für sehr gute Fahrten gibt es eine Goldmedaille, für gute Silber oder Bronze. „Goldfahrer“ sollen am Ende des Versicherungsjahrs eine Rückzahlung von 30 Prozent ihres Jahresbeitrags erhalten. Derzeit versichern die Münchener aktuell 350.000 Telematik-Kunden. Beim Wettbewerber Huk-Coburg sollen es Ende 2021 gut 450.000 Telematik-Kunden gewesen sein.

Allianz will Schadenmanagement verbessern

Ihren Telematik-Kunden will die Allianz nun einen Unfallmelder anbieten. Dieser trägt den Namen DriveDot und soll das Schadenmanagement im Schadenfall vereinfachen. Dazu muss ein Sensor im Fahrzeug befestigt werden. Sollte dann eine Unfallsituation anhand von Erschütterungen erkannt werden, solle dies automatisch über die BonusDrive-App an den Versicherer übertragen werden. Kurz darauf sollen bereits Schaden-Experten telefonisch Kontakt zum Versicherungsnehmer aufnehmen, um Kunden bereits am Schadenort Hilfe anzubieten und die Schadenregulierung zu besprechen.

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„Das Besondere am Service der Allianz ist: Der Kunde erhält unmittelbar nach dem Unfall unsere aktive Unterstützung in dieser für ihn stressigen und ungewohnten Situation – ohne sich selbständig melden zu müssen. Unsere Kunden können dann entscheiden, ob und in welchem Umfang sie weitere Hilfe benötigen oder einen Schaden melden wollen.“, erklärt Jochen Haug, Schaden-Vorstand der Allianz Versicherungs-AG.

Versicherer dürften bei sensiblen Auto-Daten leer ausgehen

Neben den positiven Effekten rund um die Schadenregulierung könnte der Unfallmeldedienst der Allianz auch als Reaktion auf das europäische Auto-Notrufsystem E-Call sein. Denn die Onboard-Meldedienste wecken Begehrlichkeiten der Datensammler. Um diese Daten ist eine Debatte entbrannt, wer sie nutzen darf – und wer nicht. Vor allem die Versicherer hatten gemahnt, dass die wertvollen Informationen nicht allein den Autoherstellern vorbehalten bleiben dürfen. Deshalb hat die Allianz im Jahr 2018 vorgeschlagen, ein unabhängiger Treuhänder solle über diese Daten wachen. „Wichtig ist dabei, dass weder die Autohersteller, die Versicherer noch andere beteiligten Interessengruppen einen exklusiven Zugang darauf bekommen“, hatte sich Joachim Müller positioniert, damals noch für das Sachgeschäft des Versicherers zuständig und aktuell CEO der Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS). Die Allianz hob einen Vorteil des Treuhänder-Modells hervor: auch Behörden könnten so Zugriff auf die Daten bekommen.

Um einen Gegenpart für E-Call zu etablieren, hatte die deutsche Versicherungswirtschaft bereits im April 2016 ein eigenes automatisches Notruf-System gestartet. Doch dessen Erfolg hält sich bisher in Grenzen. Die Versicherer könnten im Kampf um die sensiblen Daten leer auszugehen. Denn die Automobilbranche will das Treuhänder-Modell nicht mittragen. Die Begründung: Es erzeuge zusätzliche Bürokratie und sei vor einem Missbrauch der Daten nicht sicher.

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Tesla, Allianz und die Daten

Dass die Versicherer fürchten müssen, von diesen Daten ausgesperrt zu werden, zeigt das Beispiel Tesla. Der Tech-Gigant testet derzeit eine eigene Kfz-Versicherung in Texas und hat auch in Deutschland einen eigenen Standort für das Versicherungsgeschäft aufgebaut. Zudem verfüge das Unternehmen über ausreichend Daten seiner Fahrzeuge. In Echtzeit wird das Fahrverhalten ermittelt und kann anhand dessen die Prämie bestimmen. „Ihre monatlichen Zahlungen basieren auf Ihrem Fahrverhalten und nicht auf den herkömmlichen Faktoren wie Kreditwürdigkeit, Alter, Geschlecht, Schadenverlauf und Fahrtenbuch, die bei anderen Versicherungsanbietern verwendet werden“, schreibt Tesla auf der eigenen Webseite. Damit verzichtet der Konzern auf viele Merkmale, die üblicherweise zur Berechnung eines Kfz-Tarifs herangezogen werden wie etwa das Alter und die Zahl der Schäden.

Zwar ist der Autobauer mit 39.714 Neuzulassungen im Jahr 2021 nur schon recht gut im deutschen Markt gewesen. Allerdings ist der Anteil am Gesamtmarkt noch zu gering, um eine Gefahr für die großen Autoversicherer darzustellen. Dennoch zeigt der Ansatz von Tesla den Weg, den nun auch die Allianz gehen könnte. Da es sehr wahrscheinlich ist, dass die Versicherer keine Daten aus dem E-Call-System erhalten, baut sich der Versicherer einfach seine eigene Datenbasis auf. Dabei könnte das Telematik-Angebot der Testballon für den kompletten Bestand werden. Zudem hat die Allianz mit dem internationalen Modulaufbau die Möglichkeit, den Unfallmelder auch außerhalb von Deutschland auszubauen.

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