Zunächst einmal müssen die Anbieter verstehen, dass der frühere Dreiklang „65 – Rente – Alt“ ausgedient hat. Mit einem 50- oder 60-jährigen Kunden kann ich heute noch 40 oder 30 Jahre Geschäfte machen – wenn ich entsprechende Angebote habe.
Heute bauen 60-Jährige vielleicht ihr drittes Haus oder kaufen mit 65 eine Eigentumswohnung. Der älteste Kunde einer Holzhausfirma ist 82. Wer Altersgrenzen für die Kreditvergabe hat, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden. Und wer bei Renteneintritt den Dispositionskredit streicht, wird bei den Älteren scheitern.

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Ebenso widersinnig ist es, wenn Versicherungsgesellschaften ältere Kunden durch Zuschläge bestrafen – sie sollten ihnen danken und kostenfreie Zusatzleistungen anbieten. Wer so agiert, hat keine Chance.
Es gibt zunehmend mehr Menschen, die sich jenseits der 50 oder 60 selbstständig machen, im Übrigen mit besserem Erfolg als Jüngere. Wer bietet Finanz- und Versicherungsleistungen für eine 74-Jährige, die sich den Traum von einer Apotheke erfüllt?
Es braucht also zunächst einmal eine komplette Überprüfung der Vorurteile und eine altersgerechte Geschäftspolitik. Älterwerden ist keine Krankheit.

Wenn heutige Senioren aktiver und gesünder sind als früher, spricht das doch für eine längere Lebensarbeitszeit?

Das ist mir zu pauschal. Ich bin ein Freund von Selbstbestimmung und gegen die heutige Zwangspensionierung. Wie lange ein Mensch – auch unter Berücksichtigung seiner finanziellen Situation - arbeiten will oder kann, sollte seiner Entscheidung überlassen werden. Niemand anderer kann beurteilen, ob sich jemand für eine Aufgabe fit genug fühlt. Selbstständige genießen das Privileg, solange arbeiten zu dürfen, wie es ihnen Spaß macht. In Skandinavien und England wurde die Zwangspensionierung abgeschafft.
Übrigens, bei Einführung der Rentenversicherung war das Renteneintrittsalter bei 70 Jahren fixiert. Es wurde 1916 auf 65 heruntergesetzt.
Bei uns ist die Lebensarbeitszeit ein wirtschaftspolitisches Datum. Viele erinnern sich noch an die Zeit, als mit großen finanziellen Anstrengungen Mitte oder Ende 50-Jährige vorzeitig in Rente geschickt wurden. Heute sollen die Menschen deutlich länger arbeiten. Mit besonderer Fürsorge für die Gesundheit der Menschen hat das nichts zu tun.

Einige Parteien wollen die Arbeitsbedingungen für ältere Mitarbeitende verbessern. Was genau könnte das bedeuten?

Nun, die beschriebene Abschaffung der Zwangspensionierung wäre ein erster Schritt. Den Rest werden die Unternehmen leisten müssen. Denn die werden ohne die Älteren kaum eine Chance haben, weil es schon seit vielen Jahren nicht mehr ausreichend junge Menschen für den Arbeitsmarkt gibt. Sie werden auf die besonderen Bedürfnisse der Älteren eingehen müssen. Wer von einem 60-Jährigen eine körperliche Leistung wie von einem 25-Jährigen erwartet, wird scheitern. Wie heißt es so schön: Die Jungen laufen schneller, die Älteren kennen die Abkürzungen.

Was raten Sie Versicherungsvermittlern, die gezielt ‚Best Ager‘ ansprechen wollen? Wie sollten diese Vermittler am besten vorgehen?

Sprechen Sie sie mit ihrem Namen an – persönlich oder in schriftlicher Form. Suchen Sie den persönlichen Kontakt und stellen Sie sicher, dass der Vermittler nicht alle zwei Monate ein neues Gesicht hat.
Laden Sie ältere Menschen zu Veranstaltungen ein, die Ihnen einen hohen Nutzen versprechen: Wie finde ich eine passende Eigentumswohnung, eine Residenz? Wie schreibe ich eine Patientenverfügung? Helfen Sie ihnen dabei, ihre Probleme zu lösen.

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Hinweis: Der Text erschien zuerst im Versicherungsbote Fachmagazin 02/2021.

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