Privatversicherte sind privilegiert? So zumindest das Klischee. Während gesetzlich Versicherte in einer Stadt wie Leipzig schon einmal drei Monate auf einen wichtigen Facharzt-Termin warten müssen, ist er für einen privat Versicherten oft innerhalb weniger Tage zu haben. Schnelle Termine, neue Medikamente, die beste Versorgung: all das verspricht die PKV, natürlich abhängig vom jeweiligen Tarif.

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Bereits eine heftig umstrittene Studie aus dem Beratungshaus PremiumCircle näherte Zweifel an dem Mythos, dass Privatpatienten tendenziell eine bessere Gesundheitsversorgung genießen. Und nun sollen Privatversicherte ausgerechnet bei einem der wichtigsten Vorhaben zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie in die Röhre schauen. Zumindest dann, wenn sie bei einem Arzt in Behandlung sind, der ausschließlich Privatpatientinnen und -patienten behandelt.

Hausärzte dürfen impfen - Wenn sie Vertragsärzte sind

Am Dienstag letzter Woche ist die Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit in Kraft getreten, wonach nun auch Hausärzte impfen dürfen. Die Bundesregierung sieht darin einen wichtigen Baustein ihrer Impfstrategie, wenn das Tempo auch hier zunächst bescheiden ist. 20 Impfdosen pro Woche solle jede Praxis vorerst erhalten, zur Verfügung stehen zunächst rund eine Million Impfdosen.

Doch nach übereinstimmenden Medienberichten dürfen aktuell nur Vertragsärzte impfen: solche also, die auch mit den gesetzlichen Krankenkassen kooperieren. Privatpraxen sind durch die neue Verordnung ausgeschlossen. Der Hintergrund: Die Verteilung der Impfstoffe erfolgt über die Kassenärztliche Vereinigung.

Der “Münchener Merkur“ nennt als Beispiel den Hausarzt Johann Königer, der mit seiner Frau eine Privatpraxis für Allgemeinmedizin östlich von München führt. Er berichtet dem Blatt, dass er für die Zeit nach Ostern bereits 162 Impfdosen in drei Tranchen bestellt hatte: Damit sollten bis zu 54 Impfungen pro Woche durchgeführt werden. Ein Impfplan sei bereits erstellt und organisiert worden.

Doch dann kam der Hammer: in Form eines Faxes. Der Bayrische Apothekerverband habe ihm mitgeteilt, dass er keinen Impfstoff bekommen werde. Die Apotheken dürften demnach „Bestellungen von Covid-19-Impfstoffen von Ärzten für die Woche nach Ostern, die nicht von Vertragsärzten stammen“, nicht ausführen. Zur Verbitterung für den Hausarzt - und seinen Patienten.

Berliner Arzt klagt gegen Ungleichbehandlung

Ähnliches berichtet Michael Oppel gegenüber der „Berliner Zeitung“. Er betreibt eine Privatpraxis in Berlin Schöneberg: Auch er habe die bestellten Impfdosen nicht erhalten, weil Privatpraxen aus der Impfkampagne der Bundesregierung herausgenommen worden seien. Per Eilantrag habe er vor dem Berliner Verwaltungsgericht geklagt: Der Mediziner sehe den Grundsatz der Gleichbehandlung missachtet, wie sein Anwalt Frank Lansnicker dem Blatt berichtet.

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„Es geht meinem Mandanten nicht um die 20 Euro Honorar, die er für eine Impfung in seiner Praxis erhält. Es geht um einen eklatanten Verstoß gegen ein Grundrecht ohne sachliche Rechtfertigung. Gemeinsames Ziel muss es doch sein, dass möglichst viele Ärzte möglichst viele Patienten impfen“, zitiert die „Berliner Zeitung“ den Juristen. Nach Schätzungen des Privatärztlichen Bundesverbandes (PBV) gibt es aktuell zwischen 5.000 und 8.000 Arztpraxen in Deutschland, die ausschließlich Privatversicherte behandeln.

Privatärztlicher Bundesverband will "alle Mittel ausreizen"

Warum aber dürfen Privatpraxen nicht impfen? Ein Grund ist, dass nach wie vor zu wenig Impfstoff zur Verfügung steht. In der Woche nach Ostern können nur eine Million Impfdosen verteilt werden: Obwohl nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) allein die Vertragspraxen fünf Millionen Impfungen pro Woche stemmen könnten. Hier wirkt sich aus, dass die Europäische Union bei der Impfstoff-Beschaffung schlecht verhandelte: und die Hersteller noch immer zu wenig Kapazitäten haben.

Patientinnen und Patienten, deren Hausarzt eine Privatpraxis betreiben, haben vorerst zunächst zwei Möglichkeiten: sich entweder an eine Hausarzt-Praxis wenden, die auch gesetzlich Versicherte betreut. Oder an die Impfzentren, die nach wie vor tätig sind. Es ist folglich zu befürchten, dass sie länger auf eine Impfung warten müssen. Ein weiterer Nachteil: Sie werden von Medizinern betreut, die nicht mit der Krankheitsgeschichte der Patienten vertraut sind. Und folglich auch die Risikofaktoren nicht kennen.

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"Es kann nicht mehr um die Patienten gehen"

Der Privatärztliche Bundesverband (PBV) reagierte bestürzt auf die Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums. "Da geht es nur noch um Macht, es kann nicht mehr um den Patienten oder die Pandemie gehen", sagte eine Sprecherin gegenüber t-online.de. Durch das Kontingent der Privatärzte werde nun das der anderen aufgefüllt, "zumindest wenn der jeweilige Hausarzt mehr bestellt hat, als er zuvor bekommen konnte", sagt die Sprecherin.

Der PBV wolle nun "alle rechtlichen und politischen Möglichkeiten" prüfen, damit möglichst viele Ärzte impfen können, kündigt die Sprecherin an. Das betrifft auch Betriebsärzte, die nach wie vor keinen Impfstoff erhalten. Dabei könnten auch Betriebe und Unternehmen ein wichtiger Baustein der Impfstrategie werden. Konzerne wie Adidas, Deutsche Post, Deutsche Telekom, Siemens, Axel Springer und die Allianz haben angekündigt, Beschäftigte sowie deren Angehörige auf eigene Faust zu impfen: aktuell fehlt ihnen der Impfstoff.

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