Als der Reiseveranstalter Thomas Cook Ende September 2019 Insolvenz beantragte, soll es 660.000 Reise-Buchungen im Wert von rund 500 Millionen Euro. Doch in Deutschland ist die Versicherungssumme für die Insolvenz von Reiseanbietern bei 110 Millionen Euro gedeckelt. Es bestand die Gefahr, dass viele Thomas Cook-Kunden auf den Kosten für ihre Reise sitzenbleiben müssten.

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Für die Geschädigten wurde ein Portal eingerichtet, wo sie ihre Ansprüche geltend machen können. Bis Oktober gingen rund 70.000 Anträge auf Ausgleichszahlungen beim Bund ein. Weit weniger als die bis dahin geschätzten 200.000. Doch der Auszahlungsprozess verlief langsam. Im Oktober waren erst rund 12.000 Personen ausbezahlt worden.

Die Zurich, Versicherer des insolventen Reiseveranstalters, erhöhte ebenfalls im Oktober die Zahlungsquote an die Betroffenen: 26,38 Prozent ihres Reisepreises sollten die Geschädigten erhalten. Die restlichen Zahlungen müsste der Bund übernehmen.

Das zuständige Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) will aber einen Teil der Kosten vom Versicherer zurückholen - und hat deshalb den Klageweg beschritten. Das berichten übereinstimmend mehrere Medien.

Thomas-Cook-Pleite: Klage mit Ansage

Die Klage hatte Justizministerin Lambrecht bereits 2019 angekündigt. Gegenüber dem Handelsblatt erklärte sie, worum es ging: Aus ihrer Sicht kommen die Rückholkosten für die weltweit gestrandeten Urlauber ‚on top‘ auf die Haftungsobergrenze. Diese würde dann nicht 110 Millionen Euro, sondern 170 Millionen Euro betragen.

Das Justiz- und Verbraucherschutzministerium erklärte seinerzeit gegenüber der „Welt“, die rechtlich vorgesehene Begrenzungsmöglichkeit der Haftung auf 110 Millionen Euro beziehe sich „nur auf Kostenerstattungsansprüche, nicht auf die unmittelbar vom Versicherer zu tragenden Kosten der Rückbeförderung“. Soll heißen, die Rückhol-Aktionen sollen zusätzlich zu dem Deckel vergütet werden. Dann wäre deutlich mehr Geld im Topf, um die Urlauber zu entschädigen. Das aber wertet die Zurich erwartungsgemäß anders. Sie sieht darin laut Bericht eine „absurde Interpretation des Gesetzes“.

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Ähnlich wie damals reagiert die Zurich auch auf die Klage vor dem Landgericht Frankfurt: Sie sei unberechtigt und man werde sich dagegen zur Wehr setzen. Der Versicherer sieht sich gut gerüstet. In anderen europäischen Ländern gibt es keine Haftungsobergrenzen. Hier besteht der Verdacht, dass die Bundesregierung eine EU-Richtlinie von 2015 ungenügend in deutsches Recht umgesetzt hat. Ein im Auftrag der Zurich Versicherung erstelltes Rechtsgutachten kommt zu dem Ergebnis, dass in diesem Fall eine Staatshaftung denkbar sei.

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