Es ist eine Nachricht, die derzeit vielen Kleinanlegern den Atem stocken lässt. Und die einen der größten Finanzskandale der Bundesrepublik auslösen könnte, denn es geht um gigantische Summen. Der bayrische Finanzdienstleister P&R hat vergangenen Donnerstag Insolvenz vor dem Amtsgericht München anmelden müssen. Das bestätigte ein Sprecher am Montag dem „Handelsblatt“.

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P&R hat seinen Sitz in Grünwald bei München, einer idyllischen Kleinstadt mit kaum mehr als 11.000 Einwohnern. Viele Prominente residieren hier in vornehmen Villen: unter anderem die Bayern-Spieler Arjen Robben und Sebastian Rudy, auch Franz Beckenbauer hat einmal hier gelebt. Und obwohl das Meer in weiter Ferne ist und die Landschaft von Wald gesäumt, haben es die Bayern zum Marktführer für Investitionen in Seecontainer geschafft.

Stolze sechs Prozent aller weltweiten Container werden von P&R oder einer ihrer Tochterfirmen vermietet, was nach eigenen Angaben einem Volumen von 1,25 Millionen Containern entspricht. Jede dieser gewaltig großen Kisten bringt schon ohne Inhalt knapp 3.800 Kilo auf die Waage.

Es geht um eingesammelte Gelder in Höhe von 3,5 Milliarden Euro

Entsprechend hoch ist auch die Summe, um die die Anleger nun bangen müssen. Circa 50.000 Kleinanleger hätten 3,5 Milliarden Euro an Investmentvolumen in das Geschäftsmodell von P&R investiert, so berichten übereinstimmend mehrere Medien. Nun besteht der Verdacht, dass sie erneut unseriösen Geschäften auf dem grauen Kapitalmarkt zum Opfer gefallen sind. Denn obwohl die Firma bereits seit 1978 am Markt ist und folglich Erfahrung mitbringt, zeichneten sich schon länger Probleme ab.

Konkret sieht das Geschäftsmodell so aus: P&R verkauft Seecontainer an Investoren und Kleinanleger, um sie dann zurückzumieten. Dann boten die Bayern die gemieteten Container wiederum selbst auf dem internationalen Handelsmarkt an und vermieteten sie an große Leasinggesellschaften. Zum einen versprach P&R den Anlegern garantierte Mieteinnahmen, die quartalsweise ausgezahlt wurden. Zum anderen erhielten die Anleger nach fünf Jahren ein Rückkaufangebot für den Container von 65 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises. So konnten die Kleinanleger drei bis fünf Prozent Rendite pro Jahr nach Steuern erwirtschaften.

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Das klingt zunächst verlockend, das Renditeversprechen nicht unseriös. Und warum sollte man von einem Geschäftsmodell abrücken, dass sich jahrzehntelang bewährt hat? Laut "Handelsblatt" gab es in den letzten Jahren aber vermehrt warnende Stimmen. Sie wiesen darauf hin, dass das Modell nur unter einer Bedingung funktioniere: nämlich, dass ausreichend Frischgeld aus dem Neugeschäft in das System gespült wird. Unter anderem habe sich Finanzblogger Stefan Loipfinger auf seinem Blog Investmentcheck.de so geäußert. Ein Grund hierfür: der Weiterverleih der P&R-Container stockte, so dass zwischen 2014 und 2016 mehr Gelder an die Kleinanleger ausgezahlt worden sei, als durch Mieten von Reedereien und Leasinggesellschaften eingenommen werden konnte.

Verdacht auf Schneeballsystem - aber Insolvenzverwalter empfehlen, ruhig zu bleiben

Wenn ein Finanzierungsmodell auf ständiges Neugeschäft angewiesen ist, wird auch schnell der Verdacht eines Schneeballsystems laut. Wie ein Schneeball nur wachsen kann, wenn er durch Schnee rollt und neuen Schnee aufnimmt, so ist dieses Finanzierungsmodell darauf angewiesen, immer neue Kunden einzusammeln, die mit ihren Geldern und Provisionen das System stützen. Dass es immer weitergehen kann, liegt aber nicht daran, dass die eingesammelten Kundengelder mit tatsächlichen Werten gedeckt sind. Kommen keine neuen Kunden nach, kollabiert das Modell.

Tatsächlich geriet auch das Neugeschäft von P&R zuletzt ins Stocken. Konnte man im Jahr 2013 noch eine Milliarde Euro an frischem Kapital einsammeln, so waren es im Jahr 2016 nur noch 442 Millionen Euro, berichtet das "Handelsblatt". Und das Verhältnis zwischen gezahlten und eingenommenen Mieten stimmte nicht mehr. Bereits im Jahr 2014 habe man 190 Millionen Euro mehr an die Kleinanleger verteilt, als durch die Endvermietung an Reedereien eingenommen werden konnte. Im Jahr 2015 und 2016 das gleiche Bild: der Fehlbetrag bezifferte sich auf 157 Millionen bzw. 173 Millionen Euro. Ob tatsächlich ein Schneeballsystem betrieben wurde, müsse nun geprüft werden, erklärt Anleger-Anwalt Peter Mattil dem "Handelsblatt".

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Neben der sinkenden Nachfrage nach Containern auf dem Weltmarkt belasteten auch ungünstige Wechselkurse das Geschäft des bayrischen Finanzkonzerns. So wurden die teuren Mieten an die Anleger mit dem starken Euro ausgezahlt - die Leasinggesellschaften und Reedereien zahlten aber mit dem schwachen Dollar. Ein Wertverlust schon deshalb, weil sich die Währungskurse für P&R ungünstig entwickelt haben.

Die Container sind noch da

Zu den vorläufigen Insolvenzverwaltern des Container-Giganten und seiner Tochterfirmen hat das Amtsgericht München nun Michael Jaffé und Philip Heinke berufen, beide von der Kanzlei JAFFÉ Rechtsanwälte. Sie raten nun den Anlegern zur Ruhe. Denn anders als bei vielen anderen Pleiten auf dem grauen Kapitalmarkt, wo Geld komplett verschwunden ist, sind in diesem Fall tatsächliche Werte vorhanden: Die Kleinanleger besitzen ja die Container. Ziel sei es nun, "erhebliche Mittelzuflüsse aus der fortlaufenden Containervermietung" im Sinne der Anleger zu sichern, heißt es im Juristensprech. Auch sei die Wirtschaftskanzlei PriceWaterhouseCoopers damit beauftragt, Krisengründe und künftige Marktchancen von P&R zu analysieren.

Vermögensberater, Bank- und unabhängige Finanzvermittler könnten haften

Dennoch: Im schlimmsten Fall droht den Anlegern der Totalverlust. Und damit wird sich auch die Frage stellen, ob die Sparer falsch beraten worden sind. Vertrieben haben das Investment nicht nur "200 Hauptvermittler mit insgesamt zirka 2000 Untervermittlern", die direkt für P&R tätig waren, so heißt es. Sondern auch "institutionelle Finanzdienstleister, Vermögensberater, Banken und unabhängige Finanzberater". Darunter Sparkassen, Volksbanken und die Postbank.

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Es wird zu klären sein, ob diese Vermittler ausreichend über das Totalverlustrisiko aufgeklärt haben oder wegen Falschberatung haftbar gemacht werden können. Mehrere Verbraucheranwälte werben bereits darum, dass Anleger prüfen, ob sie von den Vermittlern Geld zurückerhalten können. Ihren Rat ließen sich die Vermittler offenbar gut vergüten. Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur des Verbraucherportals "Finanztip", sagte dem Deutschlandfunk, für solche Containergeschäfte seien bis zu 20 Prozent der Beteiligungssumme als Provision geflossen.

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