Ein Gastbeitrag von Stefan Oecking, Mercer

Anzeige

Der bAV-Förderbetrag

Eine der wesentlichen Neuerungen besteht in der Einführung eines bAV-Förderbetrags. Für Arbeitnehmer mit einem Einkommen von bis zu 2.000 Euro pro Monat fördert der Fiskus zukünftig Arbeitgeberbeiträge zur bAV. Maßgeblich sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Beitragsstellung. Der Mindestbeitrag des Arbeitgebers liegt bei 240 Euro, höchstens wird ein Beitrag von 480 Euro gefördert. 30 Prozent dieses Beitrages (Förderbetrag) erhält der Arbeitgeber durch direkte Verrechnung mit der Lohnsteuer erstattet. Ab Förderbeginn 2018 werden maximal Beiträge in Höhe der Aufstockung der bereits 2017 gezahlten bisherigen Beiträge erstattet.

Die Einführung eines steuerlichen Förderbetrages für Arbeitgeberbeiträge ist insbesondere für den erstmaligen Einstieg eines Arbeitgebers in die bAV eine wichtige Neuregelung und ausdrücklich zu begrüßen. Allerdings möchte der Gesetzgeber bereits früher gezahlte Beiträge nicht fördern, um reine Mitnahmeeffekte zu verhindern. Der alleinige Bezug auf 2017 scheint aber zu kurz gesprungen. Beitragszahlungen im Jahr 2017 würden damit den Förderbetrag auch dann dauerhaft ausschließen, wenn beispielsweise nach 2017 mehrere Jahre kein Beitrag gezahlt würde. Außerdem schafft diese Regelung einen Anreiz, bislang regelmäßig gezahlte Beiträge für das Jahr 2017 auszusetzen.

Es ist denkbar, dass das Referenzjahr noch auf 2016 verlegt wird. Unseres Erachtens sollte diese Einschränkung ganz entfallen. Außerdem ist in der Diskussion, die Einkommensgrenze auf 2.500 Euro anzuheben, um größere Arbeitnehmergruppen anzusprechen. Das wäre ausdrücklich zu begrüßen.

Verbesserte Riester-Regelungen

Die seit langem kritisierte Doppelverbeitragung der Riester-bAV sowohl in der Anwartschafts- als auch in der Rentenbezugsphase wird nun endlich beseitigt, so dass Riester-bAV insoweit dem privaten Riester gleichgestellt wird. Zudem wird die Grundzulage der Riester-Förderung von 154 Euro auf 165 Euro ab dem Jahr 2018 angehoben. Daneben gibt es Verbesserungen im Riester-Verfahren und beim Wohn-Riester.

Diese Änderungen sind absolut zu begrüßen – Riester ist nicht gescheitert, sondern eine oft sehr hilfreiche Förderung, die dort ankommt, wo sie ankommen soll. Die Beseitigung der Doppelverbeitragung war überfällig. Sehr zu bemängeln ist, dass die anderen Doppelverbeitragungssachverhalte außerhalb Riester nicht angegangen werden. Die Erhöhung der Grundzulage war notwendig, eine dynamische Größe wäre aber sachgerecht gewesen.

Verminderte Anrechnung auf die Grundsicherung

Die Anrechnung von Zahlungen aus der betrieblichen Altersversorgung auf die Grundsicherung wird reduziert. Sie hat nach Untersuchungen in der Vergangenheit gerade Niedrigverdiener davon abgehalten, aus dem ohnehin knappen Einkommen noch eine betriebliche Altersversorgung zu finanzieren. Zukünftig soll ein Betrag bis 100 Euro ganz anrechnungsfrei bleiben. Der darüber hinausgehende Betrag ist zu 30 Prozent anrechnungsfrei, maximal jedoch 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 (derzeit 204,50 Euro).

Anzeige

Auch diese Änderung ist überfällig. Wichtiger als die konkreten anrechnungsfreien Beträge ist die Signalwirkung: Niemand kann sich nun darauf zurückziehen, dass sich Eigenvorsorge nicht lohne. Die Anrechnungsregeln für betriebliche Altersversorgung sind damit sogar noch besser als die für Erwerbseinkommen, weil es dort den Grundbetrag von 100 Euro nicht gibt.

Erhöhung und Dynamisierung der steuerfreien Beträge nach § 3 Nr. 63 EStG

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Höchstgrenze für die Förderung von Beiträgen an Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherungen auf acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) erhöht wird. Bisher betrug sie vier Prozent zuzüglich 1.800 Euro. Allerdings bleibt es dabei, dass nur ein Beitrag bis zu vier Prozent der BBG auch sozialversicherungsfrei ist. Der darüber hinausgehende Beitrag bliebe somit weiterhin sozialversicherungspflichtig. Sofern vor 2018 Beiträge nach dem früheren § 40b EStG pauschalversteuert wurden, bleibt diese Möglichkeit lebenslang aufrechterhalten. Diese Beiträge werden auf den Förderhöchstbetrag von acht Prozent der BBG angerechnet. Die Unterscheidung Alt- und Neuzusage wird vereinfacht; wer jemals einen Beitrag pauschal versteuert, darf das auch weiterhin tun.

Die Erhöhung der Beträge und die Vereinfachung bei pauschal versteuerten Beiträgen sind zu begrüßen. Sie fördern zwar nicht in erster Linie Geringverdiener, erleichtern aber deutlich die Durchführung der bAV, insbesondere in den Fällen, in denen Arbeitgeber bisher keinen Raum mehr für arbeitgeberfinanzierte Zusagen in den drei betroffenen Durchführungswegen hatten, weil die Beträge unter Umständen schon durch Entgeltumwandlung ausgeschöpft wurden.

Anzeige

Dass die Sozialabgabenfreiheit auf vier Prozent der BBG begrenzt ist, ist abzulehnen. Hier wird weiterhin eine Doppelverbeitragung in Kauf genommen, die nicht zu rechtfertigen ist.

Vervielfältigungsregeln

Soll bei Ausscheiden eine Abfindung in die bAV eingebracht werden, so kann für jedes Dienstjahr (maximal für 10) ein Betrag von vier Prozent der BBG lohnsteuerfrei gezahlt werden. Die bisherige Regelung sieht deutlich geringere Beträge vor. Für Zeiten eines ruhenden Arbeitsverhältnisses (z. B. Erziehungszeiten) sind sogar acht Prozent für jedes Dienstjahr (wiederum maximal 10) möglich. Diese Beträge sind allerdings sozialabgabenpflichtig.

Die neuen Vervielfältigungsregeln sind ausdrücklich zu begrüßen. Gerade bei Unterbrechungen der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zum Beispiel in der Elternzeit können entstandene Beitrags- und damit Versorgungslücken einfach und steuerbegünstigt gefüllt werden. Abfindungen beim Ausscheiden aus dem Unternehmen sind eine Möglichkeit, Versäumnisse beim Aufbau einer bAV während der vorherigen Dienstzeit auszugleichen.

Die reine Beitragszusage - ohne Subsidiärhaftung

Mit dem aktuellen Gesetzentwurf wird den Arbeitgebern erstmals die Möglichkeit eingeräumt, eine betriebliche Altersversorgung ohne Subsidiärhaftung anzubieten. Haftungsfragen wurden gerade bei kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) als Hemmnis für die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung angesehen, und mit einer haftungsfreien Altersversorgung sollen nun mehr Arbeitgeber ins Boot geholt werden. Möglich wird diese sogenannte reine Beitragszusage, bei der die Verpflichtung des Arbeitgebers lediglich in der Beitragszahlung besteht, allerdings nach dem vorliegenden Entwurf nur, wenn ihr eine tarifliche Regelung zugrunde liegt. Nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer können die Anwendung der einschlägigen (also für sie im Falle einer möglichen Tarifbindung geltenden) Tarifverträge vereinbaren und sich somit ebenfalls den entsprechenden Versorgungswerken anschließen, sofern diese sich dafür öffnen. Außerdem ist beim Arbeitgeberwechsel eine Übertragung der Anwartschaften des Arbeitnehmers möglich, allerdings laut Entwurf nur auf eine reine Beitragszusage beim neuen Arbeitgeber. Hier besteht noch akuter Nachbesserungsbedarf, da für den Fall, dass der neue Arbeitgeber keine reine Beitragszusage anbietet, im derzeitigen Entwurf eine Portabilität nicht gegeben ist.

In der Versorgungsregelung selbst wird, anders als bei den heute gängigen Systemen, kein bestimmtes Versorgungsniveau garantiert. Vielmehr soll nur eine erwartete Rente („Zielrente“) in Aussicht gestellt werden. Die Versorgungshöhe kann durch Kapitalmarktentwicklungen steigen, aber auch sinken. Dies gilt auch für die schon laufende Rente, die konsequenterweise steigen und fallen kann. Das Modell enthält somit Chancen und Risiken. Die bisherigen Garantiemodelle haben den Nachteil, dass eine i. A. jährliche Mindestrendite notwendig ist, um die garantierten Leistungen sicherzustellen. Diese Mindestrendite bedingt aber eine so restriktive Kapitalanlage, dass im Hinblick auf die gegenwärtige Niedrigzinspolitik eine Überschreitung dieser niedrigen Mindestrendite kaum noch zu erreichen ist. Außerdem müssen hohe Eigenkapitalanforderungen erfüllt werden, um die Garantie sicherzustellen, die die Effizienz und Rentabilität noch weiter reduzieren. Insoweit ist es nur sachgerecht, die neue reine Beitragszusage ohne Gewährleistung des Arbeitgebers dann auch konsequenterweise garantiefrei zu gestalten.

Die Versorgungsleistungen müssen als laufende Renten erbracht werden (die Abfindung von Kleinstbeträgen ist zulässig). Die Anwartschaften werden sofort unverfallbar und können nach dem Ausscheiden mit eigenen Beiträgen fortgeführt werden. Die Tarifpartner sollen einen Sicherungsbeitrag vereinbaren, der als Puffer hohe Schwankungen der Zielrente verhindern soll. Im Falle der Entgeltumwandlung muss der Arbeitgeber 15 Prozent der Umwandlung, maximal die ersparten Sozialabgaben, als Arbeitgeberzuschuss zum Beitrag zahlen.

Der Gesetzentwurf gibt neue Impulse für die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung und ist daher zu begrüßen. Ob die Möglichkeit, ohne Subsidiärhaftung bei externen Versorgungsträgern eine betriebliche Altersversorgung zuzusagen, mehr Arbeitgeber als heute dazu veranlasst, eine bAV anzubieten, wird die Zukunft zeigen. Da die reine Beitragszusage tariflich verankerten Systemen vorbehalten bleibt, wird es in Bezug auf die Verbreitung zunächst maßgeblich auf die Bereitschaft der Tarifpartner ankommen.

Der Gesetzentwurf sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, dass sich auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer den neuen Systemen anschließen. Das ist wichtig für Unternehmen ohne Tarifbindung. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Versorgungswerke der einzelnen Branchen hierfür auch öffnen. Allerdings ist es bedauerlich, dass diese Möglichkeit nur innerhalb der einschlägigen Tarifverträge besteht, also jener Tarifverträge, die bei Tarifbindung gelten würden. Es wäre also einem Arbeitgeber, für den es keinen einschlägigen Tarifvertrag zur bAV gibt, nicht möglich, sich einem System einer anderen Branche anzuschließen.

Besser wäre es deshalb, die Beschränkung auf Tarifverträge ganz fallen zu lassen.

Klarheit bei Optionsmodellen

Der Gesetzentwurf schafft auch Klarheit bei Optionssystemen (früher oft irreführend als Opting-out bezeichnet). Eine automatische Einbeziehung in Entgeltumwandlung soll zukünftig unter folgenden Voraussetzungen möglich sein: Der Tarifvertrag muss ein Optionssystem zulassen, dem Arbeitnehmer wird die Widerrufsmöglichkeit drei Monate vor der ersten Entgeltumwandlung klar mitgeteilt und eine Beendigung ist mit einer Frist von einem Monat möglich.

Rechtssicherheit durch die Einführung eines Optionssystems haben wir schon früher gefordert. Diese wird gemäß Entwurf aber nur erreicht, wenn es eine tarifliche Regelung gibt, die ein Optionssystem ausdrücklich zulässt. In Branchen ohne entsprechende tarifliche Regelung gibt es also weiterhin keine Rechtssicherheit.

Nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen eine vorhandene tarifliche Regelung übernehmen können. Da es beim Optionssystem aber gerade darum geht, nicht mit jedem Arbeitnehmer einzelvertragliche Regelungen zu treffen, ist diese Regelung nicht wirklich hilfreich.

Übernahme von Rückdeckungsversicherungen bei Insolvenz

Ebenfalls geregelt wurde eine schon seit langem diskutierte Änderung zur Insolvenzsicherung versicherungsgebundener Versorgungszusagen. Zukünftig soll der Versorgungsberechtigte im Falle der Insolvenz an Stelle der Leistungen durch den PSV die Übernahme und Fortführung der Rückdeckungsversicherung wählen können.

Da diese Möglichkeit aber nur besteht, wenn die Zusage direkt auf die Leistungen der Rückdeckungsversicherungen verweist, ist die praktische Bedeutung eher gering. Für die betroffenen Zusagen ist die Änderung aber sehr sinnvoll, weil sie den Versorgungsberechtigten die Fortführung der Versicherungen erlaubt.

Direktzusage wird weiter diskriminiert

Einige weitere Themen wären in einem Betriebsrentenstärkungsgesetz gut aufgehoben gewesen. Insbesondere die Direktzusage, die mehr als die Hälfte der gesamten bAV in Deutschland ausmacht, wird durch den Gesetzentwurf weiter diskriminiert. Stattdessen hätte sie gefördert werden müssen.

Was nicht geregelt wurde

Die Regelungen zum handelsrechtlichen Rechnungszins für die Bewertung der Pensionsrückstellungen wurden vor einem Jahr angepasst, indem der bisherige 7- durch einen 10-Jahres-Durchschnittszins ersetzt wurde. Das hat zwar das Jahr 2016 deutlich entlastet. Diese Entlastung wird die Unternehmen aber 2017 wieder einholen. Hier besteht nach wie vor Handlungsbedarf.

Auch der Rechnungszins von sechs Prozent für die steuerliche Bewertung von Direktzusagen ist nicht mehr zeitgemäß. Im Hinblick auf den deutlich niedrigeren Rechnungszins nach HGB heißt das im Ergebnis, dass Gewinne besteuert werden, die handelsrechtlich gar nicht existieren. Unabhängig von dem derzeitigen Gesetzentwurf wird uns dieses Thema in nächster Zeit noch begleiten. Mittlerweile gibt es mehrere Experten, die das Auseinanderlaufen des steuerlichen und handelsrechtlichen Rechnungszinssatzes für zu groß und damit die zulässigen Pauschalierungsmöglichkeiten des Gesetzgebers für überschritten halten. Daraus leiten sie ihre Einschätzung ab, dass die Regelung den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz verletzt.

Ein weiterer Aspekt ist die Erleichterung der Änderung von Versorgungszusagen. In vielen Unternehmen wird nicht allein das Haftungsrisiko, sondern vor allen Dingen die schwere Änderbarkeit von Versorgungszusagen als ein unkalkulierbares Risiko wahrgenommen.

Zudem wäre die Durchsetzung einer Vererbbarkeit im Rahmen von Entgeltumwandlung geeignet gewesen, die Verbreitung der bAV zu steigern. Ohne diese Vererbbarkeit werden Arbeitnehmer ohne Hinterbliebene im engeren Sinne, gerade weil die Leistungen im Sozialpartnermodell nur als Renten ausgezahlt werden können, auch weiterhin von der Umwandlung ihres Entgelts Abstand nehmen und in private Anlagemöglichkeiten investieren. Eine Ausweitung der möglichen Hinterbliebenen etwa auf erwachsene Kinder hätte hier schon deutlich Abhilfe geschaffen.

Anzeige

Die Doppelverbeitragung von bAV wird nur für Riester angegangen, andere Konstellationen werden im Hinblick auf Beitragsausfälle gar nicht erst in Erwägung gezogen. Es bleibt also noch genug zu tun!

Seite 1/2/3/4/5/