Wenn sich heute die Aktionäre und Mitarbeiter des Finanzkonzerns MLP in der Nähe von Mannheim zur Hauptversammlung treffen, könnte es Ärger geben. Der Heidelberger Gesellschafts- und Bilanzrechtler Karl Benedikt Biesinger kritisiert den langjährigen MLP-Chef Schröder-Wildberg scharf und fordert dessen Rücktritt. Er handle im Auftrag besorgter Aktionäre und Mitarbeiter, deren Namen er aufgrund der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht nicht nennen dürfe, ließ Biesinger per Pressemeldung wissen. Das Unternehmen selbst distanziert sich von der Kritik Biesinger's: „Die Motivlage von Herrn Biesinger ist für uns intransparent und er hat sich offensichtlich für die persönlichen Interessen Einzelner einspannen lassen. Seine Kritik ist für uns nicht nachvollziehbar – genauso wenig wie für einen Großteil der Aktionäre“, äußerte ein Sprecher gegenüber Versicherungsbote.

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Hat MLP verlernt, wie Vertrieb funktioniert?

Im Mittelpunkt von Biesingers Kritik steht der Vorwurf, MLP habe unter der Führung von Schröder-Wildberg ihre eigentliche Stärke, den Vertrieb, „verlernt“. Dies sei auf mehrere strategische Fehler zurückzuführen. Der Anwalt nennt Zahlen: Im Jahr 2004, als Schroeder-Wildberg den Chefsessel im Unternehmen besetzte, habe MLP einen Nettozuwachs von 57.000 Kunden vorzeigen können. 2015 seien es nur noch 11.000 Kunden gewesen.

Sorgenfalten bereitet den Kritikern auch das Altersvorsorge-Neugeschäft. Dieses sei in den Jahren von 2005 bis 2015 um 48 Prozent eingebrochen, während es laut GDV im Branchenschnitt um zehn Prozent angewachsen sei, argumentiert Biesinger. Die Probleme von MLP seien zum großen Teil hausgemacht und nicht durch den Markt verursacht.

Verkauf der Heidelberger Leben - „größter strategischer Fehler“

Als größten strategischen Fehler bezeichnet Aktionärsvertreter Biesinger den Verkauf der früheren MLP Lebensversicherung, heute „Heidelberger Leben“, unter Federführung von Schröder-Wildberg. Der abgestoßene Lebensversicherer habe seit 2008 -mit Ausnahme eines Jahres- dauerhaft höhere Gewinne erzielt als der gesamte MLP-Konzern.

„2015 lag der Gewinn der Heidelberger Leben bei 78 Mio. Euro, während MLP 19,8 Mio. Euro Gewinn erzielte“, rechnet Biesinger vor. Nach Aussage des Anwaltes wäre MLP zusammen mit der veräußerten Tochtergesellschaft heute mehr als doppelt so viel wert, wie sie es tatsächlich ist.

Allerdings nahm Schröder-Wildberg mit der Entscheidung, sich von der Leben-Tochter zu trennen, einen Markttrend vorweg. Auch andere Versicherer fahren ihr Leben-Geschäft mit klassischen Policen im aktuellen Niedrigzins zurück und versuchen, der Last hochverzinster Altverträge zu minimieren. Die Heidelberger Leben wird heute als Run-Off-Plattform betrieben: Statt Neugeschäft zu vermitteln, "verwest" sie Altbestände und kauft diese von anderen Versicherern auf.

Hohe Vorstandsgehälter, schleichender Niedergang?

Damit sind noch nicht alle Vorwürfe gegen Schroeder-Wildberg erfasst. Anwalt Biesinger bemängelt in seiner Pressemeldung die hohen Gehälter der drei Vorstände von 3 Millionen Euro jährlich, „völlig unangemessen für ein aus dem SDAX geflogenes Unternehmen“ mit jährlich 19,8 Millionen Euro Gewinn. Auch die sinkende Zahl an angeschlossenen Beratern, die „kostenpflichtige und überflüssige Vollbanklizenz“ und die „fehlende Glaubwürdigkeit“ des Vorstandes werden als vermeintliche Gründe für die Rücktrittsforderung genannt.

Biesinger spricht von einem „schleichenden Niedergang“ des Finanzkonzerns. Die Qualität des Managements zeige sich an der Aktienkursentwicklung, die „verheerend und nicht mehr hinnehmbar“ sei. Während der DAX seit Januar 2004 um rund 270 Prozent, der MDAX um 460 Prozent und der SDAX um 345 Prozent zugelegt habe, sei die MLP-Aktie gerade noch 24 Prozent von dem wert, was bei Schroeder-Wildbergs Amtsantritt auf dem Kurszettel gestanden habe.

MLP zweitgrößter Allfinanzvertrieb Deutschlands

Nach eigenen Angaben zählt MLP aktuell 2.000 Kundenberater, die sich um mehr als 511.000 Familien- und rund 18.500 Firmenkunden kümmern. Die branchenweite Krise des Altersvorsorge-Geschäftes trifft den Finanzdienstleister besonders. Für das Jahr 2015 musste MLP eine Gewinnwarnung ausgeben, weil ein Verlust von rund 3 Millionen Euro erwartet wurde (der Versicherungsbote berichtete). Schon 2013 und 2014 konnte der Finanzdienstleister seine Gewinnprognose nicht erreichen.

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Dennoch zählt MLP nach wie vor zur Spitzengruppe der deutschen Allfinanzvertriebe. Im Ranking "Allfinanzvertriebe 2015" von Cash Online konnte sich MLP mit Provisionserlösen von 486,90 Millionen Euro und einem Zuwachs von 6,38 Prozent auf dem zweiten Platz behaupten - nur die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) schnitt hier besser ab (Zahlen für 2014).

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