Versicherungsbote: Wann haben Sie sich entschieden Versicherungsmaklerin zu werden? Gab es eine Art Schlüsselerlebnis?

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Mayr: Das nicht direkt. Es war eher eine Ansammlung an Unzufriedenheit aufgrund mangelnder Perspektiven sowie sehr geringem Einkommen in meinem vorherigen Beruf. Ich wollte so nicht mehr weitermachen, also änderte ich mein Leben von Grund auf – und kam bei meiner Suche nach einer Arbeit, die mich mehr fordert und erfüllt, irgendwann auf die Branche…

Versicherungsbote:…und welche Ausbildung haben Sie durchlaufen? Makler ist bekanntlich kein Ausbildungsberuf mit fester Berufslaufbahn.

Mayr: Das ist richtig. Man kann Arzt werden, Ingenieur oder Lehrer. Aber kein normaler Mensch kommt freiwillig auf die Idee, den Beruf eines Versicherungsmaklers zu erlernen. (lacht) Aber um auf Ihre Frage zu antworten. Ich habe damals eine Ausbildung zur „Kauffrau für Bürokommunikation“ bei einer namhaften Versicherung absolviert, holte per Fernstudium mein Abitur nach, arbeitete eine kurze Zeit im Außendienst und kam schließlich an ein Maklerunternehmen, welches mich dual ausbildete. Ich erlangte den Abschluss „Versicherungsmaklerin“ über die IHK und habe vor 2 Jahren noch einmal den „geprüften Finanzanlagenvermittler“ absolviert.

Versicherungsbote: Versicherungsvermittler haben ein eher negatives Image. Laut einer Umfrage des Deutschen Beamtenbundes sprechen nur 12 Prozent der Bevölkerung dem Berufsstand ein hohes Ansehen zu. Wurden Sie selbst schon einmal mit Vorurteilen gegen Versicherungsvermittler konfrontiert, etwa im Freundes- und Bekanntenkreis? Wie gehen Sie damit um?

Mayr: Inzwischen mit einem Grinsen. Klar kommt es noch vor, dass man von jüngeren Kunden ab und zu hört, dass ihnen vom Elternhaus gesagt wurde, sie sollen bloß nichts unterschreiben, wenn sie hier bei mir im Termin sind. Aber die Kunden selbst grinsen dann meistens auch. Vor allem im Freundes- und Bekanntenkreis gibt es durchweg positives Feedback. Die Menschen kennen mich ja, bringen mir Vertrauen entgegen und kommen meistens auf mich zu, um nach Rat zu fragen.


Versicherungsbote:…und wie gewinnen Sie das Vertrauen Ihrer Kunden – trotz aller Vorurteile?

Mayr: Vorurteile oder Bedenken sind wirklich sehr selten. Und meistens lösen sich diese in Luft auf, sobald man im Gespräch aufgetaut ist, feststellt, dass man auch nur ein Mensch und kein „böser Versicherungsheini“ ist, den Menschen mit absoluter Ehrlichkeit und Offenheit begegnet und – was wichtig ist – auch feststellt, dass fachkundige Aussagen kommen, die Google einem nicht gleich beim ersten Klick beantworten hätte können. Des Weiteren gibt es bei mir eine weitere Regel: Nimm nur Kunden auf, bei denen du dir vorstellen kannst, dass eine Freundschaft daraus entsteht und man genau weiß, dass man sich freut, wenn der Kunde anruft, eine Email schreibt oder vorbeikommt. Wenn man auch ehrliches Interesse am anderen hat und sich aufrichtig für das Leben des anderen interessiert: dann passt es.

Versicherungsbote: Was schätzen Sie am Beruf der Versicherungsmaklerin besonders? Und was sind Dinge, die Sie ärgern?

Mayr: Besonders ist die komplette Freiheit und Unabhängigkeit. Ich kann alles so gestalten, wie ich es möchte. Ich kann Dinge so erklären, dass der Kunde damit glücklich ist und nicht irgendein Vorgesetzter, der einen Leitfaden für irgendein Gespräch wünscht, das nicht authentisch ist. Ich kann Nachts um 4 Uhr arbeiten – wenn der Kunde das wünscht – und mir einen Freizeitausgleich zurückholen, wenn ich es will. Das genieße ich jeden Tag und gehe deshalb so sehr in diesem Beruf auf.

Dinge die mich ärgern…kein Kommentar. Ich hätte den Beruf schon tausendmal an den Nagel gehängt, wenn ich nicht gelernt hätte, mich lieber auf die positiven Dinge, anstatt auf die negativen Dinge zu konzentrieren.

Versicherungsbote: Sie haben sich auf eine junge Zielgruppe spezialisiert, beraten Studenten und Universitätsabgänger, speziell Betriebswirte und Ingenieure. Welche Vorteile sehen Sie in dieser (weitestgehenden) Zielgruppenspezialisierung?

Mayr: Inzwischen hat sich der Kreis sogar erweitert, was mich sehr freut. Klarer Vorteil ist der, dass man sich bereits in jungen Jahren kennenlernt, gemeinsam die Bewerbung entwirft, gemeinsam überlegt, wie man in die Gehaltsverhandlungen geht und dann natürlich auch gemeinsam die ersten Verträge schließt, die zum Berufsstart oder auch teilweise davor zwingend nötig sind. So verbringt man viel, viel, definitiv viel mehr Zeit zusammen und kann sich erst einmal kennenlernen. Manchmal vergehen vor einem Vertragsabschluss auch einige Jahre. So ist aber auch gewährleistet, dass sich niemand überrumpelt fühlt und man trägt zu einer Imageverbesserung der Branche bei.

Versicherungsbote: im Gegensatz dazu bieten sie thematisch ein Rundumpaket. Sie beraten nicht nur zu Versicherungen, sondern ganzheitlich zu Finanzen, bieten zusätzlich Existenzcoaching und Bewerbungstraining für Uni-Absolventen. Worin sehen Sie die Vorteile einer breiten und umfassenden Beratung?

Mayr: Man hat einfach viel mehr Zeit und es entsteht kein Druck. Der nächste Punkt ist auch eine Win-win-Situation für beide. Wenn ich in meiner Arbeit wirklich gut bin, freut sich der Kunde, der mit meiner Hilfe vielleicht seinen Traumjob ergattern konnte. Oder der mehrere Tausend Euro mehr Gehalt verhandelt hat. Oder oder oder... Die Leute sind meistens sehr froh und auch in ihrer Arbeit glücklicher und empfehlen mich so natürlich auch weiter, wofür ich ebenfalls unendlich dankbar bin.

"Die Familiengründung ist ein zweischneidiges Schwert"

Versicherungsbote: Laut Ihrem Xing-Profil streben Sie eine lebenslange Zusammenarbeit mit den Kunden an. Setzen Sie eher auf Kundenbindung und Bestandsaufbau statt auf schnelles Neugeschäft?

Mayr: Ja! Definitiv! Der Kunde muss, ehe er etwas umsetzt, auch wirklich lange sehr gut beraten werden, ihm sollen alle Fragen beantwortet werden, er soll sich frei für oder gegen etwas entscheiden. Und dann habe auch ich ein gutes Gefühl, weil ich weiß, dass der Kunde frei entschieden hat und auch selbst gegenüber kritischen Eltern oder Freunden erklären kann, warum er sich für dies oder jenes oder gegen dies oder jenes entschieden hat. Ganz einfach, oder?

Versicherungsbote: Der Versicherungsvertrieb gilt als männlich dominierte Branche. In der Maklerschaft liegt die Frauenquote bei mageren 13 Prozent, berichtet Prof. Dr. Gabrielle Zimmermann von der Fachhochschule Köln im Versicherungsmagazin. Warum ist der Beruf Ihrer Meinung nach für Frauen eher unattraktiv?

Mayr: Was? Als ich finde den Beruf ganz und gar nicht unattraktiv. Man ist Inhaberin des eigenen Unternehmens, kann all seine genialen Ideen umsetzen (und die nicht genialen zumindest einmal ausprobieren) und kann – wenn auch nur in kleinem Rahmen – die Welt zum Besseren verändern.

Wenn ich zurück denke, fällt mir aber tatsächlich etwas ein, das vielleicht eher Frauen als Männer abschreckt. Die ersten 3 Jahre in der Selbstständigkeit waren natürlich extrem hart. Ich hatte keine Zeit mehr für meine Freunde, Hobbys oder sonstige Aktivitäten. Ich arbeitete, lernte und schlief. Und auch die Angst, einfach pleitezugehen, ist am Anfang nicht unbegründet. Wenn man aber diese harte Zeit bereit ist zu überstehen, dann bieten sich in dem Job tolle Möglichkeiten. Möglicherweise schrecken hier eher die Damen bei diesen Gedanken zurück als die Herren?

Ein weiterer Punkt ist das Thema Familiengründung: Ein zweischneidiges Schwert. Zum einen erhält man in der Position des Selbstständigen als Frau keinerlei finanzielle Unterstützung und kann seinen Laden dicht machen, wenn man mal 1 Jahr in „Mutterschutz“ geht, den man sich selbst genehmigt hat. Zum anderen könnte man sich seinen Betrieb ggf. so einrichten, dass man auf Home-Office umstellt und seine Kunden dann im Café trifft oder viel via Skype macht. Ich denke, das ist Einstellungssache, ob es nun ein Vor- oder Nachteil ist.

Versicherungsbote:...und was kann oder muss getan werden, um die Attraktivität des Berufs „Versicherungsvermittlerin“ zu erhöhen?

Mayr: Zunächst wären da einmal die Provisionen...(lacht). Nein, das soll ja nicht der einzige Anreiz sein, diesen Job auszuüben. Vorstellbar wäre eine Art „Hilfsprogramm“ für den Start in die Selbstständigkeit, zum Beispiel, indem man von erfahrenen Maklern beraten wird? Makler-Franchise?
Aber warum ist das überhaupt wichtig? Es ist doch völlig egal ob ein Mann oder eine Frau den Job ausübt – Hauptsache dieser Mensch hat Charakter und handelt aus ehrlicher und guter Motivation heraus…

Versicherungsbote: Die Versicherungsbranche hat grundsätzlich ein Nachwuchsproblem. Das Durchschnittsalter der Vermittler liegt -abhängig von der Studie- bei ca. 50 Jahren. Machen die Versicherer aus Ihrer Sicht genug, um junge Nachwuchskräfte für den Vermittlerberuf zu gewinnen?

Mayr: Die Einzigen, die ein Interesse haben junge Leute aufzubauen, sind wohl eher die Strukturvertriebe. Und deren Interesse ist es ja nicht, die Leute dann in die Selbstständigkeit zu entlassen, sondern die Strukturvertriebe möchten diese gerne selbst halten. Ich bin mir nicht sicher, ob die Versicherer selbst hier so viel machen können. Ich würde den Beruf als richtiges Studium etablieren, sodass vielleicht hier mehr Sog entsteht. Wie wäre das?

Versicherungsbote: Seit 2009 (über die Formaxx, seit 2013 im eigenen Büro) sind Sie selbstständig. Oft wird argumentiert, die Senkung der Abschlussprovisionen belaste junge MaklerInnen besonders, da sie sich noch keinen so großen Kundenstamm aufbauen konnten wie ältere Vermittler. Kann man sich die Arbeit als Versicherungsmaklerin unter den jetzigen Bedingungen überhaupt noch leisten?

Mayr: Eine gute Frage. Um ehrlich zu sein, belastet das natürlich sehr. Aktuell befinde ich mich in einer selbst deklarierten Testphase. Ich gebe dem Ganzen 2 Jahre, um für mich selbst zu prüfen, ob man sich den Job noch „leisten“ kann. Die Zeit wird es zeigen. Aber für uns junge Vermittler ist es sicherlich schwieriger als für die, die ihre gesamten Kosten mit der B-Prov bereits abgelten können.

Versicherungsbote: Was kann Ihrer Meinung nach getan werden, um den Beruf für junge Menschen attraktiver zu machen?

Mayr: Mein Hauptargument wäre immer noch an die Unis und Hochschulen zu gehen, den Beruf des Versicherungsmaklers als richtigen, echten Studiengang zu etablieren, um dann genauso anerkannt zu sein, wie ein Jurist, Betriebswirt oder Ingenieur.

Versicherungsbote: Die Branche gilt als „spießig“. In den Fachmagazinen sind viele graue Maßanzüge zu sehen. Sie hingegen sind bei der Preisverleihung zum Jungmakler-Awards mit einem Shirt des Heavy-Metal-Festivals Wacken auf die Bühne gegangen. Muss sich die Versicherungsbranche bunter, vielseitiger und individualistischer präsentieren, um junge Fachkräfte zu gewinnen?

Mayr: Ich sehe schon, Sie haben erkannt, warum ich ausgerechnet ein so freches Shirt für die Preisverleihung gewählt habe. Mir war wichtig die Botschaft zu übermitteln, dass man mit „anders sein“ auch erfolgreich sein kann (lacht).
Dennoch halte ich es natürlich für blödsinnig, wenn sich jemand verkleidet, obwohl es gar nicht zu einem selbst passt. Und wenn etwas gekünstelt wirkt, dann wird das auch keine neuen Fachkräfte anlocken. So kitschig es auch klingen mag – das muss jeder für sich selbst entscheiden.

Versicherungsbote: Ich habe gelesen, Sie beraten auch viel in der Metal- und Gothic-Szene. Wie gewinnt man denn einen Fan von Slayer oder Metallica für den Abschluss einer Lebensversicherung?

Mayr: Von meinen gesamten Kunden sind vielleicht maximal 3 % in der Metal- und Gothic-Szene. Mehr sind jederzeit herzlich willkommen! Da würde ich mich riesig freuen. Nun, um die letzte Frage noch zu beantworten: Vermutlich genauso, wie man einen Schlager-Fan dazu bringt, eine Lebensversicherung abzuschließen, unter der Voraussetzung er möchte von sich aus eine haben.

Die Fragen stellte Mirko Wenig

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Steckbrief Andrea Nicola Mayr: Mayr wurde 1987 in Sindelfingen geboren. Seit 2009 ist sie selbstständig, zunächst als Finanzberaterin und Vertriebspartnerin der Formaxx-AG, ab April 2013 schließlich als unabhängige Maklerin, Finanzberaterin und Karrierecoach in der Bürogemeinschaft „Andrea & Thomas“ Erlangen. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Beratung von Akademikern und Universitätsabgängern, die sie mit einem selbst entwickelten Finanzanalyse-Werkzeug berät. Die geschmackvoll gestaltete Internetseite ihrer Bürogemeinschaft ist unter der Adresse http://www.andrea-thomas.de/ erreichbar.

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