Zertifikate: Verbraucherschutz vs. PR?

Verbraucherschutz - oder doch schon Werbebotschaft?

Zudem machte die Stiftung Warentest bereits mit überraschend positiven Einschätzungen von sich Reden, die von Experten angezweifelt wurden. So versprach eine Broschüre zur Riester-Rente aus dem Jahr 2007 stolze neun Prozent Verzinsung für die besten privaten Rentenanbieter. Dieser enorme Zugewinn könne erzielt werden, wenn ein 32jähriger einen Riester-Vertrag abschließt und monatlich 100 Euro einzahlt. „Da behaupte mal einer, riestern lohnt sich nicht!“, schlussfolgerte die Stiftung Warentest. Die hohen Zinsen sollten über Jahrzehnte hinweg möglich sein! Die Verbraucherschützer gingen einfach davon aus, dass die neun Prozent Verzinsung bis zum Rentenalter des Versicherungsnehmers konstant erwirtschaftet werden können, ohne dass der Anbieter auch mal Verluste erleidet - eine Annahme, die Finanzexperten als illusorisch bezeichneten. Selbst mit hochspekulativen Finanzprodukten kann eine derart hohe Verzinsung kaum über einen längeren Zeitraum erzielt werden. Der Statistiker Gerd Bosbach führte das Beispiel in seinem Buch „Lügen mit Zahlen - wie wir mit Statistik manipuliert werden“ als Versuch einer bewussten Manipulation mit Zahlen an.

Zwar korrigierte die Stiftung Warentest ihre euphorische Einschätzung in späteren Publikationen und zeigte sich deutlich skeptischer gegenüber den Riesterprodukten - doch das Beispiel zeigt, wie leicht auch eine so angesehene Institution das Vertrauen der Verbraucher enttäuschen kann. Erst neulich gestand Finanztest-Chefredakteur Hermann-Josef Tenhagen in einer Talk Show bei Anne Will, dass er ein Befürworter der Riester-Produkte sei. Andere Testinstitute werden sogar direkt von jenen Gesellschaften finanziert, denen sie Gütesiegel ausstellen - sei es, weil sie zugleich Dienstleistungen wie Marktforschung und IT-Software anbieten, wie dies etwa bei Morgen & Morgen der Fall ist. Oder sie lassen sich sogar die Vergleichsstudien von den Anbietern finanzieren.

Alles eine Frage der richtigen Daten

Neben Fragen einer tatsächlichen Unabhängigkeit der Testurteile sollte man auch die Prüfkriterien solcher Testreihen betrachten. So waren etwa TÜV-Zertifikate für Fondsplausibilität im Jahr 2009 in die Kritik geraten (versicherungsbote.de berichtete: TÜV Nord zertifiziert mangelhaft): Ein Gutachten des Bundesverbandes für Finanzdienstleistung e.V. (AfW) hatte unter anderem unqualifizierte Prüfer, ungeeignete Prüfer und fehlerhafte Prüfergebnisse offengelegt. Einen einheitlichen Kriterienkatalog für die Bewertung von Finanzprodukten ließen die Testurteile damals vermissen - dieser existiert auch bis heute nicht. Und oftmals sehen sich die Tester Finanzprodukten gegenüber, deren Funktionsweise nicht einmal von den Anbietern und Rechtsanwälten verstanden werden.

Den Krankenkassenvergleichen von FocusMoney, dem €uro-Finanzen-Verlag und der BILD-am-Sonntag könnte man ebenfalls die Frage stellen, wie tiefgründig sie Recherchen zum Test der gesetzlichen Versicherer betrieben haben: Ihre Vergleichsinformationen wurden in der Vergangenheit vom Online-Portal gesetzlichekrankenkassen.de bezogen.

Skepsis gegenüber Testsiegeln und Produktrankings ist also angebracht. Oft übersehen wird von den Kunden zudem, dass sich Gütesiegel nicht auf den kompletten Konzern, sondern vor allem auf einzelne Sparten oder gar nur einzelne Produkte beziehen. Es bleibt eine gute PR-Strategie, die viel zu selten hinterfragt wird. Schön, dass sich Vertrauen so konstituieren soll.


Hanna Behn & Mirko Wenig