Zahnzusatzversicherungen werden immer beliebter – doch viele schließen sie zu spät ab. „Sofortschutz“-Tarife versprechen Leistungen auch bei bereits geplanten Behandlungen, stehen aber bei Verbraucherschützern in der Kritik. Warum solche Tarife für viele dennoch Gold wert sein können, erklärt Maximilian Weizmann, Geschäftsführer der Versicherungsmakler Experten GmbH, in seinem Gastbeitrag für den Versicherungsbote.
Wer schon mal Zahnersatz wie Kronen, Brücken oder Implantate benötigt hat, weiß, wovon ich spreche – das kann richtig teuer werden. Und nicht jeder hat mal eben ein paar tausend Euro auf dem Konto, um ein paar Zähne neu machen zu lassen. Gesetzlich Krankenversicherte erhalten von ihrer Krankenkasse nur den sogenannten Festzuschuss – das sind 60 bis 75 Prozent von der Regelversorgung. Hört sich viel an – doch die Regelversorgung ist nur die „billigste“ Option, die eben möglich wäre, um den Versicherten „ausreichend“ und „zweckmäßig“ zu versorgen.
Fehlt ein Backenzahn, wäre das beispielsweise eine mit Nicht-Edelmetall verblendete Brücke – dafür zahlt die GKV zwischen 529 und 662 Euro Zuschuss (je nach Bonus). Wer ein Implantat mit Keramikkrone möchte, das den Vorteil bietet, dass die gesunden Nachbarzähne nicht angeschliffen werden müssen, bezahlt dafür aber mittlerweile meist rund 3.000 Euro – was einen Eigenanteil von rund 2.300 bis 2.500 Euro bedeutet.
Das Problem: Viele denken zu spät an eine Versicherung
Nicht jeder denkt rechtzeitig an den Abschluss einer Zahnzusatzversicherung. Das liegt zum einen an mangelnder Aufklärung, aber auch daran, dass die Notwendigkeit oft unterschätzt wird – bis zum Kostenvoranschlag des Zahnarztes.
Doch in dem Moment, wo der Zahnarzt die Diagnose stellt, dass Zahnersatz oder eine Zahnbehandlung notwendig ist, leistet eine herkömmliche Zahnzusatzversicherung nicht mehr, denn laufende Versicherungsfälle sind in der PKV ja bekanntlich ausgeschlossen. Das gilt auch für Tarife, bei denen auf Wartezeiten oder sogar eine Gesundheitsprüfung im Antrag verzichtet wird.
Kritik von Finanztip: Sehr einseitige und fragwürdige Betrachtung
Genau hier setzen sogenannte „Sofortschutz“-Produkte an – diese leisten (teilweise eingeschränkt) auch für laufende Versicherungsfälle. Angeboten werden solche Produkte derzeit von:
- Ergo
- Dentolo bzw. DA-Direkt
- Die Bayerische
- Vigo
Geht man nach der Redaktion von Finanztip unter der Leitung von Hermann-Josef Tenhagen, lohnen sich solche Policen für Verbraucher nur selten. Zitat: „Gedeckelte Leistungen und relativ hohe Beiträge machen die Angebote zu einer teuren Wette auf den kurzfristigen Bedarf.“ Was hieran durchaus richtig ist: Sofortschutz-Tarife sind tendenziell teurer als reguläre Policen, und ihre Leistungen sind gedeckelt. Keine Versicherung kann sofort Zahlungen in unbegrenzter Höhe leisten – und das am besten noch mit einem supergünstigen Beitrag.
In dieser Pauschalität ist das Urteil von Finanztip jedoch falsch. Sofortschutz-Tarife sind nämlich genau eines nicht: eine Wette. Im Gegenteil: Der Verbraucher weiß schon vor Vertragsabschluss genau, welche Leistungen er erwarten kann, und kann klar durchkalkulieren, ob sich ein Sofortschutz-Tarif für ihn individuell lohnt oder nicht. Wer dann eine solche Police abschließt, obwohl sie sich für seinen Fall nicht rechnet, dem kann man auch nicht mehr helfen.
Für wen lohnt sich eine Zahnzusatzversicherung mit Sofortschutz?
Eine Zahnzusatzversicherung mit Sofortschutz lohnt sich dann, wenn die zu erwartende Leistung für die bereits bekannte, anstehende Behandlung höher ist als die während der Mindestlaufzeit zu zahlenden Beiträge. Eigentlich ganz einfache Mathematik. Die Mindestlaufzeit beträgt im Regelfall 24 Monate. Wenn ich zum Beispiel 40 Euro im Monat bezahlen müsste, wären das knapp 1.000 Euro in zwei Jahren. Bekomme ich dann für meine baldige Behandlung eine Sofortleistung von über 1.000 Euro, hat sich die Versicherung schon gelohnt. Wir haben mehrere Beispiele kalkuliert, um diesen Effekt zu verdeutlichen:
Beispiel 1: Ergo Zahnersatz Sofort
Ergo Zahnersatz Sofort kostet für Erwachsene 37,60 Euro im Monat und sieht eine Mindestvertragsdauer von 24 Monaten vor.
Der Tarif verdoppelt den gesetzlichen Festzuschuss und erstattet bis zu 1.000 Euro in zwölf Monaten sowie maximal 2.000 Euro innerhalb von 24 Monaten.
Folgendes Rechenbeispiel veranschaulicht, wann sich der Tarif lohnt: Frau Müller (56) erfährt vom Zahnarzt, dass zwei Zähne gezogen werden müssen und einige ältere Kronen und Brücken saniert werden sollten. Als sie den Kostenplan erhält und die Gesamtsumme von rund 8.000 Euro sieht, wird ihr schwindelig. Wie soll sie das von ihrer Erwerbsminderungsrente von 800 Euro bezahlen?
Trotz Härtefallregelung (100 Prozent Festzuschuss) soll sie immer noch einen Eigenanteil von rund 6.000 Euro tragen. Sie entscheidet sich für den Tarif Ergo Zahnersatz Sofort (ZEK). Die zwei Zähne müssen zwar gezogen werden, doch glücklicherweise kann sie mit der Behandlung noch etwa ein Jahr warten. Im zweiten Versicherungsjahr lässt sie die Behandlung durchführen und erhält aus dem Tarif Ergo ZEK rund 2.000 Euro Zuschuss – also noch einmal genauso viel wie von ihrer gesetzlichen Kasse.
Zieht man die Kosten von 902,40 Euro für die Versicherung ab, hat sie damit rund 1.100 Euro gespart. Weil sie außerdem mit ihrem Zahnarzt eine günstigere Lösung gefunden hat, die nicht 8.000, sondern nur 6.000 Euro kostet, muss sie lediglich etwa 2.000 Euro aus eigener Tasche bezahlen – und kann sich die Behandlung trotz ihrer bescheidenen finanziellen Situation leisten.
Beispiel 2: Die Bayerische ZAHN Sofort
Die Bayerische ZAHN Sofort bietet einen Beitrag, der vom Alter und vom gewählten Grundtarif mit 75 bis 100 Prozent Leistung abhängt. Die Mindestvertragsdauer beträgt 24 Monate. Versichert sind Zahnersatz und Zahnbehandlungen mit Sofortschutz. Die Sofortleistung umfasst bis zu 750 Euro im ersten Kalenderjahr und maximal 1.500 Euro im ersten und zweiten Jahr zusammen.
Auch hier zeigt ein Rechenbeispiel, wann sich der Tarif lohnen kann: Der 21-jährige Azubi Max hatte bislang kaum Probleme mit den Zähnen. Seine Zahnreinigung (zweimal 80 Euro pro Jahr) zahlt er selbst, und eine Zahnzusatzversicherung hielt er bisher für rausgeworfenes Geld. Tja – zumindest bis er im Dezember starke Zahnschmerzen bekommt und der Zahnarzt ihm eröffnet, dass sein Backenzahn entweder gezogen werden muss oder im Rahmen einer komplizierten Wurzelbehandlung vielleicht gerettet werden kann. Max wird zu einem Endo-Spezialisten überwiesen, der ihm mitteilt, dass der Zahn wohl erhalten werden kann – allerdings für rund 1.500 Euro. Da muss Max erst einmal schlucken.
Im Internet stößt er auf die Sofortschutz-Police der Bayerischen. Dafür zahlt er monatlich 29,90 Euro. Hinzu kommt der Beitrag für den „regulären“ Grundtarif ZAHN Komfort (80 bis 90 Prozent Zahnersatz, 100 Prozent für Zahnbehandlungen) in Höhe von 14 Euro – zusammen also 43,90 Euro im Monat. Viel Geld für einen Azubi.
Doch weil bereits Dezember ist, beginnt am 1. Januar des nächsten Jahres schon Max’ zweites Versicherungsjahr – bei der Bayerischen entspricht das Versicherungsjahr dem Kalenderjahr. Damit kann er im Sofortschutz kurze Zeit nach Vertragsabschluss bis zu 1.500 Euro für die anstehende Wurzelbehandlung in Anspruch nehmen. Max hat ausgerechnet, dass er über 24 Monate Laufzeit 1.053,60 Euro an Beiträgen zahlen muss – diese Summe hat er allein durch die Sofortleistung für seine Wurzelbehandlung wieder hereingeholt.
Die Kostenübernahme für seine Zahnreinigung (bis zu 150 Euro pro Jahr) kommt noch obendrauf. Für ihn hat sich das also klar gerechnet. Nach 24 Monaten endet der Sofortbaustein automatisch, und nur der günstigere Grundtarif läuft weiter. Max hat dazugelernt – er wird diese Zahnzusatzversicherung auf keinen Fall wieder kündigen, denn er hat erkannt, wie wertvoll dieser Schutz ist.
Sind Sofortschutz-Tarife also das neue Allheilmittel?
Sind Sofortschutz-Tarife also das neue Allheilmittel? Nein, das sicher nicht – sie rechnen sich natürlich nicht in jeder Konstellation. Je nach Alter des Kunden und Art der anstehenden Behandlung gibt es genügend Fälle, in denen ein Sofortschutz unterm Strich teurer wäre. Zum Beispiel:
- bei eher geringfügigen Behandlungen (etwa nur eine Füllung oder eine Krone),
- bei niedrigem Festzuschuss der gesetzlichen Krankenkasse.
Doch wie man sieht, gibt es durchaus Konstellationen, in denen sich Sofortschutz für Kunden absolut rechnet. Das sollte ein guter Versicherungsmakler im Blick haben, wenn er solche Fälle berät.
Finanztip macht es sich mit dieser sehr pauschalen Einschätzung demnach viel zu einfach – von einem Portal, das sich selbst als unabhängigen Verbraucher-Ratgeber sieht, sollte man mehr erwarten können.
Hintergrund: Der Text erschien zuerst im neuen kostenfreien Versicherungsbote Fachmagazin 02-2025. Das Magazin kann auf der Webseite des Versicherungsbote bestellt werden.