Versicherer als Risikopartner: Wie Datenflüsse und Dashcams die Schadenprävention verändern


Quelle: DALL-E

Die Digitalisierung verändert auch die gewerbliche Fahrzeugversicherung – sowohl in der Risikovorbeugung als auch im Schadenmanagement. Welche Rolle spielen dabei datengetriebene Präventionsstrategien und wie können Versicherer als strategische Partner agieren? Darüber sprechen Anja Ludwig, Leiterin des Kompetenzzentrums Straßengüterverkehr und Logistik bei KRAVAG, und Gianluca Delle Donne, Insurance Partner Manager DACH bei Samsara.

Frau Ludwig, Herr Delle Donne – digitale Lösungen und Echtzeitdaten sind in aller Munde. Warum gerade jetzt?

Anja Ludwig:
 Weil die Herausforderungen im Flottenalltag deutlich zunehmen. Verkehrsdichte, Zeitdruck und wirtschaftliche Zwänge führen zu mehr Unfällen und steigenden Schadenaufwänden. Wir sehen uns daher nicht mehr nur als Risikoträger, wir sehen uns als Partner unserer Kunden. In Pilotprojekten sammeln wir gerade systematisch Erfahrungen, um valide Aussagen über den Nutzen und die Wirksamkeit datengetriebener Präventionsansätze treffen zu können.

Gianluca Delle Donne:
 Und genau da setzen datenbasierte Tools an. KI-Dashcams und Telematik ermöglichen es, Risikofaktoren wie Ablenkung am Steuer, Geschwindigkeitsüberschreitungen oder ineffiziente Routen zu erkennen – nicht im Nachhinein, sondern in Echtzeit. Diese Sichtbarkeit ist entscheidend, um präventiv handeln zu können.

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Wie genau funktioniert das in der Praxis?

Delle Donne:
 Ein zentrales Element sind KI-gestützte Dashcams. Sie zeichnen Fahrverhalten auf und analysieren es auch sofort – etwa bei riskanten Fahrmanövern. Flottenmanager erhalten Hinweise, können reagieren, schulen oder Prozesse anpassen. Es ist also gleichzeitig eine Sicherheitsmaßnahme und auch ein ökonomischer Hebel.

Ludwig:
 Als Versicherer bringt uns das in eine neue Rolle. Wir können schneller auf Schäden reagieren und sehen auch genau, wo Prävention ansetzen kann. Objektive, kontextbasierte Daten – natürlich nur mit dem Einverständnis des Kunden – helfen uns, Risiko fair und dynamisch zu bewerten – und Kunden dort zu unterstützen, wo es wirklich Sinn macht. Wichtig ist: Unsere derzeitigen Pilotprojekte dienen genau dazu, diese Ansätze zu testen und daraus fundierte Modelle für die breitere Anwendung zu entwickeln.

Welche wirtschaftlichen Effekte lassen sich durch diese Zusammenarbeit messen?

Delle Donne:
 Die wirtschaftlichen Effekte einer solchen Zusammenarbeit gehen über verbesserte Versicherungskonditionen hinaus. Die Plattform steigert die Rentabilität durch reduzierte Leerlaufzeiten, geringeren Verschleiß und präventive Wartung auf Basis von Echtzeit-Fehlermeldungen. Das führt zu weniger Fahrzeugausfällen, besserer Ressourcennutzung und höherer Betriebseffizienz – alles entscheidende Faktoren für Flottenunternehmen. Erste Modellprojekte zeigen hier bereits vielversprechende Ansätze, die wir weiter analysieren, um langfristige Entwicklungen bewerten zu können.

Ludwig:
 Die mit anderen Samsara-Kunden gewonnenen Erkenntnisse sind natürlich extrem spannend für uns, weil die Effekte für unsere Kunden über günstigere Versicherungskonditionen hinausgehen. Unser gemeinsames Projekt mit Samsara steht zwar noch am Anfang, aber genau diese Erfahrungen aus der Praxis liefern wichtige Anhaltspunkte dafür, welchen Mehrwert datenbasierte Sicherheit in Zukunft bieten kann.
Delle Donne:
Ein gutes Beispiel zur Veranschaulichung ist unser Kunde Dinges Logistics: Dort sank die Unfallrate innerhalb eines Jahres um 42 Prozent – mit entsprechend positiven Effekten auf Prämien, Reparaturkosten und Ausfallzeiten. Das zeigt: Wer in smarte Sicherheit investiert, spart am Ende bares Geld.

Verändert das auch die Art, wie Versicherer mit Risiken umgehen?

Ludwig:
 Definitiv. Wir entwickeln unser Risikomanagement von einer rückblickenden zu einer vorausschauenden, datengesteuerten Strategie. Es geht nicht mehr nur um historische Schadendaten, sondern um dynamische Risikoprofile, die auf Echtzeitinformationen beruhen. Unser Ziel ist es, aus aktuellen Modellstudien praxisnahe Erkenntnisse zu gewinnen, die sowohl unsere Risikoeinschätzung als auch die Betreuung unserer Kunden nachhaltig verbessern.

Delle Donne:
 Das schafft auch neue Formen der Zusammenarbeit. Versicherer und Technologieanbieter rücken enger zusammen, tauschen sich aus, lernen voneinander. Damit entsteht ein Ökosystem, das für einzelne Unternehmen, aber auch für ganze Branchen ein Sicherheits- und Effizienzgewinn ist.

Und wie wichtig ist Echtzeitanalyse für die Margenoptimierung – gerade im aktuellen Umfeld?

Delle Donne:
 Sehr wichtig. Wer schneller erkennt, wo Risiken entstehen, kann Ausfälle verhindern, Reaktionszeiten verkürzen und unberechtigte Forderungen schneller abwehren. Das reduziert Kosten und verbessert die Auslastung der Flotten.

Ludwig:
 Für uns bedeutet das konkret: Unfallursachen und deren Verantwortliche lassen sich schneller und präziser ermitteln, Schadenprozesse werden schlanker gestaltet. In einem margensensiblen Geschäft wie der Fahrzeugversicherung ist das ein echter strategischer Vorteil. Allerdings muss die Nachhaltigkeit dieser Effekte über einen längeren Zeitraum geprüft werden – auch das ist ein Ziel unserer laufenden Studienarbeit.

Abschließend: Wie sieht die Zukunft der gewerblichen Fahrzeugversicherung aus?

Ludwig:
 Wir stehen am Anfang einer Entwicklung, in der Digitalisierung und Partnerschaft noch viel stärker zusammengedacht werden müssen. Versicherer müssen kontinuierlich technologische Innovationen in ihre Geschäftsmodelle integrieren. Wer dagegen Technologie als Chance begreift, wird profitieren – auch in Kundenbindung und Risikosteuerung.

Delle Donne: 
Und wir sehen: Die technischen Möglichkeiten sind da. Jetzt geht es um Zusammenarbeit, Vertrauen und gemeinsame Standards. Nur so lässt sich das volle Potenzial heben – für Flotten, Versicherer und nicht zuletzt für mehr Sicherheit im Straßenverkehr.