„Effektiver Rechtsschutz bewahrt vor existenziellen Risiken“

Quelle: Dirk Schawjinski@AUXILIA.

Die Inflation treibt nicht nur die Preise, sondern auch die Streitwerte in die Höhe – mit spürbaren Folgen für Rechtsschutzversicherer und ihre Kunden. Wie die KS/AUXILIA darauf reagiert, welche Strategien Versicherer zur Kostenkontrolle nutzen und warum Makler Rechtsschutz als lukratives Geschäftsfeld nicht unterschätzen sollten, erklärt Vertriebsvorstand Dirk Schawjinski im Interview.

Versicherungsbote: Die Inflation treibt die Preise in vielen Branchen nach oben. Wie wirkt sich das auf die Kalkulation von Rechtsschutzprodukten aus?

Dirk Schawjinski: Die Inflation hat zwei wesentliche Auswirkungen auf die Kalkulation und Anpassung der Rechtsschutzbeiträge. Erstens steigen die Streitwerte, da sich wirtschaftliche Werte – etwa bei Vertrags- oder Schadensersatzstreitigkeiten – erhöhen. Die Anwalts- und Gerichtskosten hängen in der Regel vom Streitwert ab, verteuern sich also automatisch bei rechtlichen Auseinandersetzungen.

Zweitens ziehen höhere Justizkosten steigende gesetzliche Gebühren für Anwälte, Gerichte und Gutachter nach sich. Damit steigen auch die Kosten, die Rechtsschutzversicherer für ihre Kunden übernehmen. Um weiterhin verlässlichen Schutz zu bieten, sind auch in unserer Branche immer wieder moderate Prämienanpassungen notwendig – bei der KS/AUXILIA immer mit dem Ziel, Maklern und Kunden weiterhin einen fairen und bezahlbaren Versicherungsschutz zu ermöglichen.

Die Zahl der Rechtsstreitigkeiten steigt, nicht zuletzt durch die zunehmende Regulierung und komplexere gesetzliche Rahmenbedingungen. Welche Strategien verfolgen Versicherer, um diese Entwicklung in den Griff zu bekommen, ohne das Produkt für Kunden unattraktiv zu machen?

Wir beobachten weniger die Zunahme von Rechtsstreitigkeiten, sondern vielmehr eine zunehmende Vielfalt und Komplexität der rechtlichen Fragestellungen. Entsprechend reagieren wir mit gezielten Lösungen, die sich an den konkreten Bedürfnissen der Kunden orientieren. Ein wichtiger Ansatz ist die Förderung außergerichtlicher Streitbeilegung, etwa durch Mediation. Dies reduziert nicht nur Kosten, sondern erspart den Versicherten auch langwierige und nervende Prozesse.

Ein weiterer Ansatz ist, dass wir die Kunden im rechtlichen Kontext präventiv begleiten. Wir informieren und helfen dem Kunden also, damit es gar nicht zu Rechtsstreitigkeiten kommt. Dazu gehören Services wie die telefonische Rechtsberatung, die Online-Beratung oder die Chat-Beratung. Situativ bieten sich aber auch Services bei Vorliegen eines Aufhebungsvertrags, beim Beantragen von Berufsunfähigkeits-Leistungen oder dem Erstellen von Dokumenten der persönlichen Vorsorge.

In den vergangenen Jahren haben sich einige Unternehmen auf automatisierte Rechtsberatung spezialisiert. Wie beeinflussen die Legaltechs den Markt? Und was halten Sie von Unternehmen, die sich auf die Verkehrsrechtsschutzversicherung oder – wie zuletzt viel in den Medien berichtet – auf Streitigkeiten rund um Beleidigungen spezialisieren?

Legaltechs sind ein spannendes Thema. Sie erleichtern den Bürgern zweifellos den Zugang zum Recht. Sie bieten für spezifische Themen, z.B. Fluggastentschädigung, schnelle, digitale Lösungen. Allerdings ersetzen sie keine vollwertige Anwaltsberatung, insbesondere bei komplexeren oder strittigen Fällen.

Kritisch wird es, wenn monetäre Interessen der Kanzleien über den Kundennutzen gestellt werden. Nicht jede Werbeanzeige von Legaltechs oder Verbraucherrechtskanzleien ist seriös. Hier sehen wir es als unsere Aufgabe, den Kunden als Navigator durch die Vielzahl an Angeboten zu begleiten und auf verlässliche Partner zu verweisen.

Auch die Versicherungswirtschaft setzt zunehmend auf KI-basierte Lösungen in der Beratung und in anderen Prozessen. Inwiefern können solche Technologien klassische juristische Dienstleistungen ersetzen? Wo sehen Sie die Grenzen dieser Entwicklungen? Und inwiefern kann KI einem Rechtsschutzversicherer helfen?

KI ist ein hilfreiches Instrument zur Automatisierung von Routineaufgaben und zur Beschleunigung von Prozessen – zum Beispiel in der Schadenbearbeitung oder im Kundenservice. Doch in komplexen Fallanalysen und der taktischen Rechtsberatung stößt sie an ihre Grenzen. Wir bei der KS/AUXILIA beschäftigen uns schon mit KI-basierten Systemen, sind aber noch weit von einer breiten Nutzung entfernt. Denn bevor wir solche Technologien unseren Kunden und Maklern anbieten, müssen viele Faktoren erfüllt sein. Ein unausgereiftes System könnte mehr schaden als nützen. Die Herausforderung besteht darin, die Vorteile von KI sinnvoll in unsere bestehenden Prozesse zu integrieren.

In welchen Branchen und Berufsgruppen sehen Sie aktuell den größten Bedarf an Rechtsschutzversicherungen? Welche Zielgruppen sind besonders anfällig für Rechtsstreitigkeiten?

Derzeit sehen wir einen insgesamt hohen Bedarf an Rechtsschutzversicherungen, insbesondere aufgrund der wirtschaftlichen Lage. Die Folgen der Inflation, unsichere Beschäftigungsverhältnisse und steigende Betriebskosten führen dazu, dass sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen verstärkt mit rechtlichen Konflikten konfrontiert sind. Statt einzelne Berufsgruppen herauszugreifen, lässt sich sagen: In Krisenzeiten besteht in nahezu allen Bereichen ein erhöhter Absicherungsbedarf. Unternehmen müssen sich verstärkt mit arbeitsrechtlichen Herausforderungen, Vertragsstreitigkeiten und Forderungsausfällen auseinandersetzen. Privatpersonen sind dagegen häufiger mit Problemen im Mietrecht, Arbeitsrecht oder Verbraucherrecht konfrontiert. Gerade in unsicheren Zeiten zeigt sich, wie wichtig ein verlässlicher Rechtsschutz ist, um finanzielle und existenzielle Risiken abzufedern.

„Viele Kunden erkennen den Wert erst, wenn sie in eine rechtliche Auseinandersetzung geraten“

Gewerbliche Rechtsschutzlösungen für Selbstständige und Freiberufler sind teuer, werden aber häufig benötigt. Wie können Makler diese Zielgruppe besser erreichen; und welche Lösungen gibt es für kleinere Betriebe mit geringem Budget?

Eine gezielte Beratung ist hier entscheidend. Makler sollten branchenspezifische Lösungen aufzeigen, die genau auf die Bedürfnisse ihrer Kunden abgestimmt sind. Wenn bestimmte Bereiche ausgeschlossen werden können, gibt es flexible Abwahlmöglichkeiten, z. B. beim Immobilien-Rechtsschutz. So wird auch das Budget berücksichtigt.

Um Gewerbekunden zu erreichen, ist es aber natürlich erst einmal wichtig, den Bedarf zu wecken. Für diese Überzeugungsarbeit bieten wir sehr praktische Services wie InkassoPro, Web-Check oder den Online-Reputations-Schutz zum Löschen negativer Bewertungen an. Gerade für Kleinstunternehmen haben wir den Kleinunternehmer-Rechtsschutz entwickelt, der eine bezahlbare Absicherung ermöglicht. Gemeinsam mit der Absicherung des privaten Bereichs hat ein Existenzgründer oder ein Unternehmer mit einem geringen Umsatz eine sehr günstige Basis-Absicherung.

Der Trend zu befristeten Arbeitsverträgen, Homeoffice und flexiblen Arbeitsmodellen sorgt für neue Konfliktfelder im Arbeitsrecht. Wie können Versicherer hier gezielt Unterstützung bieten?

Im Arbeitsumfeld entstehen schnell rechtliche Unsicherheiten. Unser Ansatz ist es, nicht nur im Schadenfall zu helfen, sondern frühzeitig Unterstützung anzubieten. In den meisten Fällen hilft eine telefonische Rechtsberatung, um eine fundierte Einschätzung zu erhalten. Bei komplexeren Fragestellungen bietet sich auch eine Online-Beratung per E-Mail oder Chat an.

Sehr gute und außergerichtliche Erfolge haben unsere Versicherten auch mit einer Mediation erzielt. Hier vermittelt ein neutraler Mediator zwischen beiden Parteien und unterstützt bei der Lösungsfindung. Für die Versicherten sind die genannten Services kostenfrei und ohne Selbstbeteiligung.

Ärzte, Pflegekräfte und Heilberufe stehen oft vor juristischen Herausforderungen – von Behandlungsfehlerklagen bis hin zu arbeitsrechtlichen Streitigkeiten. Welche speziellen Angebote gibt es für diese Zielgruppe?

Mit dem bekannten und bewährten JURAMED haben wir vor vielen Jahren einen spezialisierten Rechtsschutz für Heilberufe geschaffen. JURAMED sichert sowohl die Praxis als auch die Praxisinhaber umfassend ab. Dazu gehören – neben dem enorm wichtigen Spezial-Straf-Rechtsschutz – weitere Leistungen wie Regress-Rechtsschutz und Vertrags-Rechtsschutz im Rahmen der beruflichen Kerntätigkeiten. Die Absicherung für arbeitsrechtliche Streitigkeiten schließt auch die Unterstützung bei Aufhebungsverträgen ein. Auch die rechtliche Absicherung von Hilfsgeschäften oder eingekauften Dienstleistungen ist Teil unseres Angebots. Zusätzlich bieten wir Unterstützung im Rahmen des Web-Checks und bei der Löschung negativer Bewertungen, die für Ärzte und Heilberufe geschäftsschädigend sein können.

Viele Makler betrachten Rechtsschutz als schwieriges Produkt, weil Kunden den Mehrwert erst im Ernstfall erkennen. Welche Vertriebskonzepte können Makler nutzen, um dieses Geschäftsfeld erfolgreicher zu besetzen?

Das stimmt – viele Kunden erkennen den tatsächlichen Wert erst, wenn sie in eine rechtliche Auseinandersetzung geraten und feststellen, wie hoch die Kosten für Anwälte, Gutachten oder Gerichtsverfahren ausfallen. Ein effektiver Rechtsschutz bewahrt hier vor existenziellen Risiken. Auch für Makler eröffnet sich damit ein attraktives Geschäftsfeld. Die Sparte bietet stabile, planbare Einnahmen, da die Kundenbindung in der Regel hoch ist. Wer einmal die Vorteile einer Rechtsschutzversicherung erlebt hat, bleibt meist langfristig dabei.

Darüber hinaus eignet sich Rechtsschutz hervorragend als Cross-Selling-Produkt: Wer eine Berufsunfähigkeits-, Haftpflicht- oder Verkehrsrechtsschutzversicherung vermittelt hat, kann mit einer passenden Rechtsschutzlösung zusätzliche Mehrwerte bieten. Ein erfolgreicher Ansatz in der Beratung ist es auch, nicht nur den Schadenfall zu thematisieren, sondern auch die zahlreichen Services hervorzuheben. Kunden können diese bereits im Vorfeld eines Rechtsstreits oder im Alltag nutzen – wie telefonische Erstberatung oder Vertragsprüfungen. Diese „Türöffner“ machen den Nutzen direkt erfahrbar und senken die Hemmschwelle zum Abschluss erheblich.

Hintergrund: Das Interview ist zuerst in der Ausgabe 01/2025 des Fachmagazins Versicherungsbote erschienen; die Fragen stellte Björn Bergfeld. Das Magazin kann auf der Versicherungsbote- Webseite kostenfrei abonniert werden.