Die privaten Krankenversicherer zeigen auch 2024 eine starke Kapitalbasis. Zwar ist der durchschnittliche Solvenzquotenwert etwas gesunken, doch im Gegensatz zur Lebensversicherung blieb der Rückgang moderat – und die Werte liegen weiterhin auf hohem Niveau. Auffällig bleibt die große Spannweite zwischen den Anbietern. Versicherungsbote stellt aktuelle Zahlen vor.
Wie krisenfest sind die privaten Krankenversicherer wirklich? Eine fundierte Antwort liefert der neue MAP-Report Nr. 939 „Solvabilität im Vergleich“, den Franke und Bornberg soeben veröffentlicht hat. Die Auswertung der SFCR-Berichte 2024 zeigt, wie hoch die Unternehmen ihr Eigenkapital im Verhältnis zu den regulatorisch geforderten Kapitalanforderungen ansetzen – also zur sogenannten Solvency Capital Requirement (SCR).
Die SCR-Bedeckungsquote ist ein Frühwarninstrument der Aufsicht. Sie misst, wie gut ein Versicherer gegen außergewöhnliche Stressszenarien gewappnet ist – etwa gegen plötzliche Kostensteigerungen, massive Beitragsrückgänge oder Marktverwerfungen. Die zugrundeliegende Annahme: Solche Szenarien sollen im Schnitt nicht häufiger als einmal in 200 Jahren eintreten – mathematisch entspricht das einem Risikoniveau von 0,5 Prozent pro Jahr. Eine SCR-Quote von 100 Prozent bedeutet: Das Unternehmen hält gerade so genug Eigenmittel, um selbst dieses Extremereignis rechnerisch abzusichern.
Die privaten Krankenversicherer liegen 2024 im Durchschnitt weit über dieser Marke. Auch wenn die Basisquote ohne Hilfen im Vergleich zum Vorjahr von 527,4 auf 438,0 Prozent gesunken ist, bleibt das Niveau hoch – und der Rückgang moderat. Im Gegensatz zur Lebensversicherung, wo 2024 durch eine aufsichtsrechtlich veranlasste Neuberechnung vieler Übergangsmaßnahmen ein abrupter Einbruch der Quoten erfolgte, zeigen die PKV-Zahlen ein realistischeres und zugleich stabileres Bild.
Breite Spreizung – trotz stabiler Gesamtlage
Trotz der insgesamt soliden Ausgangslage zeigt der MAP-Report: Die Spannweite der Solvenzquoten in der PKV ist groß. Während einige Anbieter das Acht- bis Zehnfache des aufsichtsrechtlich geforderten Eigenkapitals vorhalten, bewegen sich andere deutlich näher an der 200-Prozent-Marke – und damit im unteren Drittel des Markts.
Besonders hohe Eigenmittelquoten verzeichnen 2024 etwa die UKV, die Universa und die Alte Oldenburger – mit Werten von über 750 bis knapp unter 1.000 Prozent. Solche Quoten deuten auf ein sehr hohes Maß an Kapitalpuffer hin. Was genau dahintersteht – etwa risikoarme Tarifportfolios oder bewusst zurückhaltende Kapitalallokation – lässt sich aus den veröffentlichten Daten nicht mit Sicherheit ablesen.
Am unteren Ende der Skala bewegen sich Unternehmen wie die Ergo, Ottonova und die HUK-Coburg. Auch die HanseMerkur AG und Vigo liegen deutlich unter dem Marktdurchschnitt von 438,0 Prozent. Die Werte dieser fünf Gesellschaften liegen zwischen rund 190 und 260 Prozent – also klar über der 100-Prozent-Marke, aber mit deutlich schmaleren Reserven als im oberen Marktsegment.
Zwei Systeme, zwei Strategien: Lebensversicherung mit Reststütze – PKV mit Steuerung
Ein Blick auf die Lebensversicherung zeigt, wie stark sich die Solvenzstrategien der beiden Sparten unterscheiden. Über viele Jahre hinweg haben Lebensversicherer ihre Quoten durch Übergangshilfen nach Solvency II deutlich aufgewertet – allen voran durch die Übergangsmaßnahme für versicherungstechnische Rückstellungen nach § 352 VAG. Diese erlaubte es, die neuen Bewertungsvorschriften nur schrittweise umzusetzen, wodurch viele Quoten optisch deutlich höher ausfielen.
Doch 2024 hat die BaFin eingegriffen: Sie hat eine verpflichtende Neuberechnung des Rückstellungstransitionals angeordnet, um eine realistischere Abbildung der Kapitalbasis zu erreichen. Die Folge: Bei vielen Lebensversicherern ist die aufsichtliche Quote regelrecht eingebrochen – nicht, weil die Eigenmittel geschrumpft wären, sondern weil die rechnerische Aufwertung durch Übergangsmaßnahmen weitgehend entfallen ist. Die Spreizung zwischen aufsichtlicher Anzeige und tatsächlicher Kapitalausstattung hat sich dadurch deutlich verringert.
Dennoch wollen viele Lebensversicherer noch nicht vollständig auf die Hilfen verzichten. Trotz der neuen Berechnungsmethode setzen 2024 weiterhin 44 von 76 Lebensversicherern die Übergangsmaßnahme für versicherungstechnische Rückstellungen (§ 352 VAG) ein – das entspricht rund 58 Prozent des Markts. Weitere 22 Gesellschaften nutzen die Volatilitätsanpassung (§ 82 VAG), um temporäre Marktverwerfungen rechnerisch abzumildern. Nur sieben Lebensversicherer verzichten vollständig auf alle Hilfsmaßnahmen – der strukturelle Übergang zur reinen Basisquote ist also noch längst nicht abgeschlossen (Versicherungsbote berichtete).
Ganz anders die Lage in der privaten Krankenversicherung: Hier kommt die Übergangsmaßnahme für Rückstellungen nur bei zwei von 36 Anbietern zum Einsatz – und selbst dort mit minimaler Wirkung. Maßnahmen zur Zinsstruktur (§ 351 VAG) nutzt kein einziger Krankenversicherer. Die Volatilitätsanpassung wird von acht Gesellschaften angewendet, darunter Allianz, Axa, Gothaer und Signal Iduna – das entspricht rund 22 Prozent des PKV-Markts.
Der Unterschied ist kein Zufall, sondern systemisch bedingt. Die Lebensversicherung muss langfristige Leistungsversprechen absichern – oft über Jahrzehnte. Dafür sind hohe versicherungstechnische Rückstellungen erforderlich, deren Bewertung bei niedrigem Zinsniveau schnell zu Engpässen führt. Übergangshilfen wie das Rückstellungstransitional sollen diese Schwankungen dämpfen.
In der privaten Krankenversicherung ist das Rückstellungsprofil anders: Zwar bilden PKV-Unternehmen ebenfalls Alterungsrückstellungen, doch diese dienen der Beitragsstabilisierung und sind kalkulatorisch anders strukturiert. Sie belasten die Solvenzanforderungen weniger – und führen nicht zu denselben bilanztechnischen Sprüngen wie in der Leben. Hinzu kommt: Die PKV kann auf veränderte Marktverhältnisse direkt reagieren – durch kalkulierte Beitragsanpassungen im Bestand. Was die Lebensversicherung bilanziell glätten muss, kann die PKV operativ steuern. Das macht ihre Quoten robuster.
Beste und schlechteste Quoten in der PKV
Die Solvenzquote ist ein wichtiger Gradmesser für die Risikotragfähigkeit – doch sie ist kein abschließendes Urteil über die wirtschaftliche Stabilität eines Krankenversicherers. Denn: Unterschiede in Geschäftsmodell, Tarifstruktur, Rückstellungsprofil und Kapitalstrategie führen zu erheblichen Abweichungen – ohne dass dies zwingend auf finanzielle Schwächen hindeutet. Auch Faktoren wie das Verhältnis von Voll- zu Zusatzversicherung, das Alter der Bestände oder laufende Investitionen können die Quote stark beeinflussen.
Auffällig ist dabei: Unter den Unternehmen mit besonders hohen oder besonders niedrigen Quoten finden sich ganz unterschiedliche Akteure – vom regionalen Spezialversicherer bis zum Großanbieter, vom Zusatzversicherer bis zum Beamtenversicherer. Die Solvenzquote ist also ein relevanter Orientierungswert, aber nur im Zusammenspiel mit weiteren Kennzahlen wirklich aussagekräftig.
Die zehn höchsten PKV-Solvenzquoten 2024 (Basisquote ohne Übergangshilfen)
Viele der kapitalstärksten PKV-Unternehmen kombinieren stabile Bestände mit einer konservativen Kapitalsteuerung. Besonders auffällig: In der Spitzengruppe finden sich gleich mehrere Versicherer mit starkem Fokus auf den Beamtenbereich sowie regionale Spezialisten mit stabiler Versichertenstruktur.
- UKV: 990,7 % (2023: 1.047,3 %)
- Universa: 954,2 % (2023: 968,1 %)
- Alte Oldenburger: 754,9 % (2023: 996,3 %)
- Münchener Verein: 716,8 % (2023: 997,1 %)
- SDK: 712,4 % (2023: 628,3 %)
- VGH Provinzial: 701,9 % (2023: 802,1 %)
- Bayerische Beamtenkrankenkasse: 633,5 % (2023: 669,4 %)
- Continentale: 608,0 % (2023: 606,6 %)
- Hallesche: 598,6 % (2023: 622,8 %)
- R+V: 583,3 % (2023: 590,0 %)
Die fünf niedrigsten PKV-Solvenzquoten 2024 (Basisquote ohne Übergangshilfen)
Im unteren Bereich zeigt sich ein gemischtes Bild: Neben jungen Zusatzversicherern mit schlanker Rückstellungsbasis tauchen auch große Vollversicherer mit hoher Marktdurchdringung auf. Niedrige Quoten können hier verschiedene Ursachen haben – von bewusst knappem Kapitaleinsatz über dynamisches Neugeschäft bis hin zu strukturellen Lasten aus Altverträgen. Eine Einordnung ist nur mit Blick auf Geschäftsmodell und Strategie sinnvoll:
- Ergo: 191,1 % (2023: 192,5 %) – sehr hoher Anteil an Pflegezusatzversicherung, kaum Vollversicherung
- Ottonova: 217,2 % (2023: 232,7 %) – Schwerpunkt Zusatzgeschäft, kaum Vollversicherung
- HUK-Coburg: 254,9 % (2023: 317,2 %) – sechstgrößter Vollversicherer
- HanseMerkur AG: 259,3 % (2023: 379,5 %) – neuntgrößter Vollversicherer
- Vigo: 263,8 % (2023: 316,8 %) – Schwerpunkt Zusatzversicherung, kaum Vollversicherung
Hintergrund: Die Daten in diesem Beitrag stammen aus dem soeben veröffentlichten MAP-Report Nr. 939 „Solvabilität im Vergleich“, herausgegeben von Franke und Bornberg. Der Bericht analysiert detailliert die Solvenzquoten deutscher Lebens- und privater Krankenversicherer für das Jahr 2024 – einschließlich Basisquoten, MCR-Bedeckung, Übergangshilfen sowie der Entwicklung zentraler Kennzahlen über einen Zeitraum von zehn Jahren. Neben den aktuellen Werten enthält der MAP-Report umfangreiche Zeitreihen von 2015 bis 2024 zu Eigenmitteln, versicherungstechnischen Rückstellungen, Marktanteilen und Quotenvarianten – differenziert nach Bilanzzahlen und SFCR-Berichten.
Damit bietet die Studie eine fundierte Grundlage für Marktvergleiche, Risikoeinschätzungen und strategische Bewertungen. Der vollständige Report kann kostenpflichtig über die Webseite von Franke und Bornberg bestellt werden.